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13.12.2002 15:23

Für Professor Paul Kirchhof steht der "Reiz des Amtes" im Vordergrund

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Seit einem Vierteljahr hat der Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg und frühere Bundesverfassungsrichter ein neues Amt: Er ist Vorsitzender des Deutschen Juristentages - Seine Pläne für die Zukunft

    Seit einem Vierteljahr hat Professor Dr. Paul Kirchhof, Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Universität Heidelberg und bis Ende 1999 Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe, ein neues Amt: Für zunächst zwei Jahre wurde er zum Vorsitzenden des Deutschen Juristentages in Berlin gewählt. Dabei handelt es sich um eine Vereinigung mit rund 8000 Mitgliedern, die bereits im Jahr 1860 gegründet wurde und in der alle juristischen Berufsgruppen vertreten sind.

    Auf einer Homepage im Internet nennt die Vereinigung als Zielsetzung, "auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen der Rechtsordnung zu untersuchen und der Öffentlichkeit Vorschläge zur Fortentwicklung des Rechts vorzulegen", aber auch auf "Rechtsmissstände" hinzuweisen. So geschehen beim 64. Juristentag Mitte September in Berlin, der sich zum Beispiel mit der Stellung des Kindes im Recht befasste.

    Wenn der Rechtsgelehrte davon spricht, Kinder sollten nicht "an die Peripherie gedrängt" werden, dann geht es ihm um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die dem Kind das Recht auf Familie belässt. Statt Kinderkrippen zu fördern, sollte man den Eltern Gelder für die individuelle Kinderbetreuung direkt zufließen lassen oder ihre Lebensbedingungen durch Steuererleichterungen verbessern. Kleinkinder sollten das Recht haben, die ersten Jahre in oder nahe ihrer häuslichen Umgebung zu verbringen. Eine zu frühe Trennung der Kinder von den Eltern sei schädlich für ihre weitere Entwicklung. Leider gelte momentan die Gleichberechtigung eher für Frauen als für Mütter.

    Bis ins 19. Jahrhundert hätten sich Arbeits- und Familienleben in den meisten Fällen am gleichen Ort abgespielt. Die Dezentralisierung der Arbeit - etwa durch Computer-Arbeitsplätze zu Hause - sieht er deshalb durchaus als Chance. Viele Betriebe seien schon heute bemüht, Frauen nach Erfüllung des Erziehungsauftrags die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern. Nach ihrer Erfahrung rechne sich das auch betriebswirtschaftlich. Ein Unternehmer, der für sein familienfreundliches Konzept mit einem Preis ausgezeichnet wurde, habe mit Blick auf Frauen in Halbtagstätigkeit gesagt: "Zwei halbe Frauen sind für uns mehr als ein ganzer Mann...".

    Beim jüngsten Juristentag ging es um Wirtschaftlichkeit auch in einer anderen Perspektive: Eine Abteilung widmete sich der Leistungsfähigkeit privatwirtschaftlicher Unternehmen der öffentlichen Hand und der Frage, wie wirtschaftlich diese arbeiten und wie sie dabei ihrer Verpflichtung für das Allgemeinwohl gerecht werden. Noch ein wichtiges Thema der Tagung: Die Vielfalt der Medien. Sie muss nach Meinung von Kirchhof verfassungsrechtlich als Instrument der Vielfalt und Grundlage der Demokratie garantiert sein. Doch bei "Kultur und Stil" bleibe das Recht weitgehend außen vor, weil es sich um Qualitäten handle, die sich nicht rechtlich erzwingen ließen.

    Professor Paul Kirchhof investiert derzeit etwa einen Tag pro Woche in die Aufgaben, die ihm sein neues Amt auferlegt. In der Anfangsphase sei das erforderlich. Schließlich ist er derjenige, bei dem die Fäden zur Vorbereitung des 65. Deutschen Juristentages zusammenlaufen, der im September 2004 in Bonn stattfindet. Dabei soll in Fachkreisen etwas zur Sprache kommen, das in der Politik immer wieder heiß diskutiert wird: der Finanzausgleich und die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Laut Kirchhof ein bislang ungerechtes und lähmendes Verfahren, für das aber "Chancen auf Änderung" vorbereitet werden müssen. Für wirtschaftlich schwache Länder, die finanziell von den stärkeren profitierten, müssten neue Anreize zur Selbsthilfe, für finanzstarke Länder Anerkennungssysteme für finanzwirtschaftlichen Erfolg geschaffen werden. Besondere Zuwendungen für die neuen Bundesländer seien nach wie vor sinnvoll.

    Auch mit Änderungen in der privaten Altersvorsorge wird sich der nächste Juristentag beschäftigen. Für alle diese Reformvorhaben registriert er in Deutschland einen ausgeprägten Willen zur demokratischen Erneuerung und eine große Aufgeschlossenheit für ein verbessertes Recht in der Gesellschaft. Das gilt auch für das Steuerrecht, bekanntlich das Spezialgebiet von Professor Paul Kirchhof. Seine Reformvorschläge, die voraussichtlich im nächsten Frühjahr publiziert werden, sind bereits mit dem Parlament vorerörtert worden. Die Steuerlast sei jeweils nach dem individuellen wirtschaftlichen Erfolg zu bemessen. Der Bürger werde sie akzeptieren, wenn sie maßvoll und gleichmäßig sei. Und auch wenn ihm seine Aufgabe als Vorsitzender des Deutschen Juristentages zurzeit viel Arbeit beschert, spricht er vom "Reiz des Amtes", der darin liege, aktuelle Rechtsfragen zu entwickeln, zu sichten, ins Gespräch zu bringen und damit eine rechtspolitische Erneuerung unseres Staates zu fördern.
    Karin Katzenberger-Ruf

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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