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16.12.2002 09:28

Kieferchirurgen operierten kostenlos in Indien

Frank Luerweg Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Zehn Tage standen sie im OP, neun Stunden täglich ohne längere Pause, und operierten dabei unentgeltlich 73 Patienten, meist Jugendliche und Kinder. Und dennoch musste das 11köpfige Team aus plastischen Chirurgen, Anästhesisten und Schwestern, das soeben aus der indischen Stadt Mangalore zurückgekehrt ist, mehr als 300 Hilfesuchende abweisen. An der Hilfsaktion, die vom gemeinnützigen Verein INTERPLAST organisiert wurde, nahmen auch drei Mediziner und eine Anästhesie-Schwester der Universität Bonn teil. Ihr Resümee: "Jederzeit wieder."

    Dr. Bernd Niederhagen war bereits zum vierten Mal mit INTERPLAST unterwegs. Für die Einsätze opfert er alle zwei Jahre zwei bis drei Wochen Urlaub. Für Flug, Unterkunft und Verpflegung kommt der Verein auf, ebenso wie für Operationsmaterial und Medikamente. "Eine halbe Tonne Gepäck kommt da schnell zusammen", erzählt der Bonner Kieferchirurg.

    Die Teams behandeln Patienten, die sich ansonsten keinen Arztbesuch leisten könnten. "Manchen fehlt sogar für die Anreise per Bus das Geld; sie gehen dann halt die hundert Kilometer oder mehr zu Fuß." In Mangalore, einer Industriestadt mit etwa 500.000 Einwohnern an der indischen Westküste, kooperierten die Mediziner mit dem "Father Muller's University Hospital" - "ein auch für deutsche Verhältnisse sehr gut ausgestattetes Haus mit hohen Hygiene-Standards", so Dr. Niederhagen. Dennoch sei so ein zehnstündiger Arbeitstag, nur unterbrochen von ein paar kurzen Teepausen, im tropischen Indien doppelt anstrengend: "Im OP blies uns die Klimaanlage kalte Luft in den Nacken, im Vorraum traf uns die Schwüle wie ein Schlag. Dazu kommt das ungewohnte Essen." Dennoch seien sie in Mangalore von Infektionen verschont geblieben. "Ich habe schon Einsätze gehabt, bei denen ich mit 39 Grad Fieber operieren musste."

    Das Team bestand aus Fachärzten für Plastische Chirurgie und für Mund-, Kiefer-, Gesichts-Chirurgie, darunter von den Bonner Universitätskliniken noch Dr. Torsten Erdsach, Anästhesist Dr. Günter Fromm und Anästhesie-Schwester Irene Hertweck. "Bei den Einsätzen dürfen nur Mediziner mit großer praktischer Erfahrung teilnehmen", betont Dr. Niederhagen - keine Chance für Berufsanfänger, die sich unter dem Mäntelchen der Nächstenliebe die nötige OP-Praxis holen wollen. "Wir haben größtenteils Kinder und Jugendliche mit Fehlbildungen wie der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte behandelt", erklärt Dr. Erdsach. Seine Kollegen von der Plastischen Chirurgie operierten dagegen hauptsächlich Patienten mit Verätzungen oder Brandverletzungen. Häusliche Unfälle mit Feuer sind aufgrund der großen Verbreitung von Petroleumlampen in Indien nicht selten. Außerdem kommt es noch immer regelmäßig zu brutalen Misshandlungen durch enttäuschte Mitgiftjäger, die ihre Ehefrauen mit Batteriesäure verätzen oder mit Petroleum überschütten und anzünden.

    Rund 400 Patienten hatten sich bei der Ankunft der elf Mediziner im Krankenhaus von Mangalore eingefunden - viel zu viele, um alle in den zwei Wochen vor Ort zu behandeln. Das Team musste daher zunächst selektieren. "Die ganz kleinen Säuglinge haben wir nicht operiert; das Risiko war einfach zu groß", erklärt Dr. Niederhagen. "Generell haben wir aber eher die Jüngeren behandelt: Ein Einjähriger mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte hat natürlich größere Chancen auf komplette Rehabilitation als ein 30-Jähriger, der wahrscheinlich nicht mehr lernen wird, normal zu sprechen oder zu essen."

    Sein Fazit ist sehr positiv: "Von dem ganzen Schreibkram, mit dem Ärzte in Deutschland zu kämpfen haben, erlöst zu sein und endlich einmal das zu tun, für das man als Chirurg ausgebildet wurde, nämlich zu operieren, ist ungemein befriedigend." Auch Dr. Erdsach würde "jederzeit wieder" fahren: "Die Gesichter, das Lächeln, die Dankbarkeit motiviert genug, das erlebt man in Deutschland nicht mehr so häufig."

    INTERPLAST-Germany e. V. ist ein gemeinnütziger Verein für kostenlose Plastische Chirurgie in Entwicklungsländern. Weltweit organisiert der Verein, der sich aus industriellen und privaten Spenden finanziert, jährlich 30 bis 40 Einsätze. Weitere Informationen gibt's im Internet unter http://www.interplast-germany.de.

    Ansprechpartner für die Medien:
    Priv.-Doz. Dr. Dr. Bernd Niederhagen
    Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Bonn
    Telefon: 0228/287-6385 oder -5203
    E-Mail: niederhagen@uni-bonn.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Pressemitteilungen/413_02.html


    Bilder

    Bilder zu dieser Pressemitteilung sind heute ab 14 Uhr unter http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Pressemitteilungen/413_02.html aus dem Internet abrufbar.
    Bilder zu dieser Pressemitteilung sind heute ab 14 Uhr unter http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Presse ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches
    Deutsch


     

    Bilder zu dieser Pressemitteilung sind heute ab 14 Uhr unter http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Pressemitteilungen/413_02.html aus dem Internet abrufbar.


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