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08.01.2003 16:07

Historisches psychologisches Labor im Film

Dipl.-Ing. Kerstin Baldauf Presse- und Informationsstelle
Hochschule Wismar, University of Technology, Business and Design

    Am kommenden Donnerstag, dem 16. Januar 2003, um 18:00 Uhr, wird auf dem Campus der Hochschule Wismar, im Haus 7a, Hörsaal 1106, der Film aus dem Jahre 1925 "Mechanik des Gehirns" zum wahrscheinlich ersten Mal in Deutschland aufgeführt. Im Anschluss wird Frau Margarete Voehringer vom Max Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin zum Thema " Vsevolod Pudovkins "Mechanik des Gehirns" - Film als reflexologisches Experiment" referieren.

    Das experimentelle Werk von Vsevolod Pudovkin liegt als Originalkopie von Gosfilmofonds, Moskau, mit zusätzlich gesprochener deutscher Synchronisation vor. Pudovkin zählt neben Sergeij Eisenstein zu den bedeutendsten Filmemachern der 20ger und 30er Jahre. Sein Stummfilm "Das Ende von St. Petersburg" (1927) ist ein Klassiker der Filmgeschichte. Von Pudovkin stammt auch ein noch heute viel gelesenes Regielehrbuch, in dem es um die Frage geht, wie der moderne Film mit den menschlichen Reaktionen rechnen kann und das Publikum erreicht. Bis heute weitgehend unbekannt war, dass Pudovkin für seine Reflexionen über die Wirkungsweise der modernen Medien auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurückgriff. Die aufsehenerregenden Forschungen von Margarete Voehringer in den Archiven der ehemaligen Sowjetunion haben Material dazu zutage gefördert.

    Der Vortrag wird versuchen zu skizzieren, wie Pudovkins Filmpraxis sich hin und her bewegte zwischen den technischen Bedingungen seiner Apparatur und dem physiologischen Wissen, mit dem er sich konfrontiert sah. 1925 begann Vsevolod Pudovkin nach einem abgebrochenen Studium der physikalischen Chemie und einigen Lehrjahren in Lev Kuleshovs Experimental-Filmstudio mit den Dreharbeiten für "Mechanik des Gehirns", einer Dokumentation aus Ivan Pavlovs physiologischem Labor. Ein Jahr zuvor erst hatte die sowjetische Partei eine Kampagne zur "Kinofizierung des gesamten Landes" ins Leben gerufen. Schriftsteller, Photographen und Filmemacher begannen, Propagandafilme für die noch überwiegend analphabetische Landbevölkerung zu entwickeln. In aufklärerischem Geist setzte Pudovkin sich das Ziel, Pavlovs physiologische Erkenntnisse den Massen ebenso nahezubringen, wie das Funktionieren seines neuen Mediums Film. So verspricht er in seiner ersten Presseäußerung zur "Mechanik des Gehirns", "die ,Lehre von den Reflexen' filmisch zu erschließen, [...], Momente wissenschaftlich wertvoller Experimente aufzunehmen, die nur mit Hilfe des Objektivs einer Filmkamera fixiert werden können", und postuliert damit für seine Apparatur Funktionen, die weit über die Aufgabe der Dokumentation hinausgehen. Pudovkin fasst die Filmtechnik nicht nur als Möglichkeitsbedingung auf, experimentelles Wissen zu vermitteln, sondern als ein der wissenschaftlichen Methode entsprechendes Verfahren, experimentell gewonnenes Wissen zu ermitteln.

    Die Referentin Margarete Voehringer, geboren 1973 in Nowomoskowsk/UDSSR, ist Stipendiatin und Mitarbeiterin des Forschungsprojekts "Die Experimentalisierung des Lebens. Konfigurationen von Wissenschaft, Kunst und Technik" am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin. Von 1993 bis 2000 studierte sie Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Ihr Dissertationsprojekt trägt den Titel "Avantgarde und Psychotechnik - über die Konvergenz von Wissenschaft, Kunst und Technik in den Wahrnehmungsexperimenten im Russland der 20er Jahre".

    Betreut wird diese Veranstaltung von Frau Prof. Dr. Susanne Deicher und Prof. Michael Rudnik, welche am Fachbereich Design/Innenarchitektur unserer Hochschule Kultur/Kunstgeschichte bzw. Neue Medien lehren. Sie möchten sich mit diesem Angebot nicht nur an das studentische und akademische Publikum wenden. Sie möchten zusätzlich zu den bisherigen Angeboten der Hochschule Wismar ein weiteres Forum schaffen, in dem ganz konkret wissenschaftliche Perspektiven von Kunst, Architektur und Gestaltung sowie neue Entwicklungen in der Kunst und in der Wissenschaft diskutiert werden können.

    Interessenten sind herzlich zu dieser kostenlosen Veranstaltung eingeladen. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte direkt an Prof. Dr. Susanne Deicher, Tel.: (03841) 753 355 bzw. E-Mail: s.deicher@di.hs-wismar.de. Im Internet (http://www.hs-wismar.de/pressemedien.php3) finden Sie das Einladungsplakat mit auszugsweisem Bildmaterial.

    Kerstin Baldauf
    Pressesprecherin


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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