Berlin – Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich das Gedächtnis und Denken, Orientierung, Auffassungsgabe, aber auch die Lern- und Entscheidungsfähigkeit. In Deutschland leben gegenwärtig etwa 1,1 Millionen Menschen mit diesen Symptomen – Demenzkranke. Diese Zahl soll sich bis 2040 verdreifachen. Methoden der klinischen Neurophysiologie und Bildgebung ermöglichen es, die Hirnaktivität zu beobachten, die diesen Symptomen zugrunde liegt.
Welche Erkenntnissen sich daraus ergeben und mit welchen Mitteln man dem Gedächtnisschwund vorbeugen kann, erklärte heute der Kongresspräsident Professor Dr. med. Otto W. Witte auf der Pressekonferenz anlässlich des 30. International Congress of Clinical Neurophysiology (ICCN) sowie der 58. wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) in Berlin.
Bisher gibt es keine Medikamente, die eine Demenz vorbeugen. „Etwa die Hälfte ließe sich aber vermeiden oder zumindest beeinflussen, indem Risiken wie starkes Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck im mittleren Lebensalter, Rauchen, körperliche Inaktivität, Depression oder ein niedriger Bildungsstand verhindert würden“, sagt Professor Witte, Direktor der Klinik für Neurologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Eine bis zu 25-prozentige Reduktion dieser beeinflussbaren Risikofaktoren würde weltweit die Zahl der dementen Patienten um etwa drei Millionen reduzieren. Auf der heutigen Pressekonferenz anlässlich des ICCN gab er folgende Tipps:
Körperliche und geistige Aktivität nicht vernachlässigen
Körperliche Inaktivität verursacht weltweit wahrscheinlich jede achte Demenzerkrankung. Durch Sport werden im Gehirn trophische Faktoren freigesetzt, die die Lernfähigkeit erhöhen. Gleiches gilt auch für geistige Aktivität: Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass Videospiele im Alter die kognitive Flexibilität verbessern. „Digitale Medien müssen daher nicht zur Verdummung beitragen, sondern können auch positive Effekte haben“, so Witte.
Gesunder Nachtschlaf verankert Gedächtnisinhalte
Es gilt inzwischen als sicher, dass der Schlaf eine Funktion in der Verankerung neuer Gedächtnisinhalte hat. Inwieweit der häufig bei älteren Menschen gestörte Schlaf zu Gedächtnisstörung beiträgt, ist jedoch noch unklar.
Ein zufriedenes und glückliches Leben beeinflusst das Gedächtnis
Dieses wurde bisher nicht systematisch untersucht. „Bekannt ist allerdings, dass chronische Depression einen negativen Einfluss auf die Gedächtnisleistung hat“, sagt Witte auf dem ICCN in Berlin. Bei einer Depression verringert sich die Anzahl neuer Nervenzellen im Gehirn. Auch die entzündliche Aktivität im Gehirn steigt an, was das Gedächtnis beeinträchtigt.
Eine vielseitige Bildung verbessert das Gedächtnis im Alter
Vielfältige Untersuchungen zeigen, dass kognitive Reserven im Alter – und damit die Dauer eines guten Gedächtnisses – umso besser sind, je besser die multidimensionale Ausbildung in der Jugend ist. „Das Humboldtsche Bildungsideal einer umfassenden Bildung – nicht nur von Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch von Musik und Literatur kann daher für das Gedächtnis im Alter von Vorteil sein“, sagt Witte.
Altern beginnt im Mutterleib
Starker Stress für die schwangere Mutter beeinträchtigt die Gedächtnisleistung des Kindes – besonders im Alter. Es gibt aber eine Möglichkeit, die spätere Gedächtnisleistung zu verbessern: „Vor allem in der frühen Entwicklung sollten Säuglinge und Kleinkinder viel Zuwendung erfahren. Das hat einen bleibenden positiven Effekt auf die spätere Gedächtnisleistung“, so Witte.
Quellen:
Redemanuskript Professor Witte (http://www.dgkn.de/die-dgkn/pressestelle/pressematerial/)
Reimers et al.: „Demenz und Bewegung – Inwieweit wirkt körperliche Aktivität demenzpräventiv?“ klinikarzt 2013; 42 (9): 412–415
Weitere Informationen/Tipps für Patienten unter:
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Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEK, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zu Gute.
http://www.dgkn.de/patienten/krankheitsbilder/alzheimer-und-demenz/
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