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14.01.2003 12:56

Schlüsselmolekül für chronische Erkrankungen und das Altern

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Heidelberger Wissenschaftler entwickeln neues Tiermodell / Zellschäden werden über Rezeptorprotein in der Zellwand vermittelt

    Wenn unser Körper altert und chronische Erkrankungen sich einstellen, dann kommt ein Schlüsselmolekül, das fast alle Körperzellen aufweisen, zum Zuge, das "RAGE". Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg haben gemeinsam mit Kollegen des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Columbia University, New York, ein Tiermodell entwickelt, das die überragende Bedeutung von RAGE für das Altern und die Entstehung chronischer Krankheiten belegt. Sowohl bei Patienten als auch im Tiermodell konnten sie zeigen: Wer kein oder wenig RAGE hat, genießt partiellen Schutz vor chronischen Krankheiten, z.B. Spätschäden durch Zuckerkrankheit.

    Sein vielsagender Name kennzeichnet RAGE als Rezeptormolekül für "Advanced Glycation Endproducts", da es fortgeschrittene Stoffwechselprodukte der Glykierung bindet. "Dabei handelt es sich um eine komplexe chemische Reaktion zwischen Zucker- und Eiweißmolekülen," erklärt Dr. Angelika Bierhaus, die sich als Biologin in der Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel der Medizinischen Universitätsklinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Peter Nawroth) mit den Altersmolekülen befasst. Was man beim Anbrennen der Milch und Rösten von Hähnchen riecht und sieht, findet ständig mit geringerer Intensität in unserem Körper statt: Eiweißmoleküle werden dauerhaft verändert, vor allem wenn chronische Erkrankungen wie Diabetes, Harnvergiftung oder Alzheimer Demenz aufgetreten sind.

    Bindung von AGE-Molekülen an RAGE-Rezeptor führt zu dauerhafte Schäden

    "Beim zuckerkranken Patienten nutzen wir die Glykierung des roten Blutfarbstoffes seit langem als Gradmesser für eine erfolgreiche Behandlung", sagt Prof. Peter Nawroth. "Je besser der Blutzucker eingestellt ist, desto niedriger ist der HbA1c-Wert, der den Glykierungsgrad des Hämoglobins anzeigt." Mittlerweile geht das Wissen der Ärzte tiefer. Es liegen Erkenntnisse vor, wie AGE-Moleküle ihre bleibenden Spuren in den Zellen hinterlassen. An der Zelloberfläche werden sie an das RAGE-Molekül gebunden, das diese Information ins Innere der Zelle weiterleitet. Aktivierte Sauerstoffmoleküle stimulieren wiederum bestimmte Enzym-Moleküle dazu, Phosphatgruppen auf andere Moleküle zu übertragen. Auch die sogenannten "Transkriptionsfaktoren" werden bei diesem Stafettenlauf in Gang gesetzt. Sie wandern in den Zellkern und rufen in der Erbsubstanz Informationen ab, die zur Produktion bestimmter Eiweißmoleküle führen. Besonders aktiv ist der Transkriptionsfaktor NF-kappaB, der Entzündungs- und Abwehrreaktionen im Körper auslöst und unterhält. Er wird sowohl durch Verletzung der Zelloberfläche und Bakterien- oder Viren-Angriff auf die Zelle stimuliert, als auch durch die Bindung von AGE an RAGE - und dies über mehrere Wochen.

    Was passiert, wenn die Signalkaskade durch RAGE abgeschaltet wird? Die Heidelberger Wissenschaftler und ihre New Yorker Partner verabreichten Mäusen RAGE-Moleküle, die im Blut zirkulierten. Dort fingen sie AGE und andere Substanzen ab, die ansonsten ihre verhängnisvolle Wirkung auf den RAGE-Rezeptor ausgeübt hätten. In der Tat kann lösliches RAGE den Gesundheitszustand von Mäusen bessern, die an Diabetes, Gefäßverkalkung, Alzheimer Demenz und chronischen Entzündungen leiden. "Den endgültigen Beweis für die Bedeutung von RAGE haben uns die Untersuchungen an sogenannten Knock-out-Mäusen gebracht, die Dr. Bernd Arnold am Deutschen Krebsforschungszentrum mit uns gezüchtet hat", sagt Prof. Nawroth. Diesen Mäusen fehlt das Gen, das zur Ausbildung des RAGE-Proteins erforderlich ist. "Die Mäuse erkranken zwar an Diabetes, haben aber weniger Spätschäden an Blutgefässen und Nerven."

    Knock-out-Mäuse sind geschützt / Welchen Effekt hat die Psychotherapie?

    Wie sieht es nun beim chronisch kranken Patienten aus? "Bisher konnten wir nachweisen, dass der NF-kappaB-Faktor in Blutzellen von Diabetikern und Patienten mit chronischer Darmentzündung dauerhaft aktiv ist", sagt Prof. Nawroth. Weitere Hinweise kommt von einer Personengruppe, die ein verändertes RAGE-Gen geerbt hat. Wie die Knock-out-Mäuse sind sie gegen Folgeschäden des Diabetes an der Niere geschützt. Die These, dass RAGE eine zentrale Rolle für viele chronische Erkrankungen spielt, wird von einer dritten Beobachtung gestützt: Bestimmte Veränderungen am RAGE-Gen prädestinieren vermutlich für die Entwicklung einer chronischen Gelenkentzündung.

    Dabei ist der RAGE-Mechanismus nur ein Faktor beim komplexen Alterungs- und Krankheitsprozess. Studien haben nicht nur die schützende Wirksamkeit von Arzneimitteln, sondern auch von Entspannung und seelischem Wohlbefinden auf zerstörerische Aktivitäten in den Zellen bewiesen, ablesbar an der geringeren Aktivität von NF-kappaB. "Wir glauben, dass psychischer Stress bislang unterschätzt wurde" sagt Prof. Nawroth. In einer klinischen Studie möchte er den Zusammenhang zwischen psychischem Befinden und molekularbiologischen Messgrößen herstellen: Kann Psychotherapie die Aktivierung von NF-kappaB vermindern und damit Komplikationen des Diabetes vermeiden? "Ziel unserer Untersuchungen ist nicht nur die Entwicklung neuer Medikamente, sondern auch von wissenschaftlich fundierten Ratschlägen zur Veränderung des persönlichen Lebensstils."

    Eine ausführliche Darstellungen des Forschungsstandes zur RAGE-Hypothese von Dr. Angelika Bierhaus und Prof. Peter Nawroth ist im aktuellen Forschungsmagazin RUPERTO CAROLA 3/2002 der Universität Heidelberg erschienen und einzusehen unter http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/ruca3_2002/bierhaus.html.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Peter Nawroth
    Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik
    Ärztlicher Direktor Abteilung Innere Medizin I
    Schwerpunkt Endokrinologie und Stoffwechsel
    Bergheimer Str. 58, 69115 Heidelberg
    Tel.: 06221 / 56-8601
    E-Mail: Peter_Nawroth@med.uni-heidelberg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/ruca3_2002/bierhaus.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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