Erziehungsforscher der Universität Jena begreift Bildung als protestantisches Modell
„Bildung ist ein zutiefst protestantisches Modell“, so lautet die These von Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz, der an der Universität Jena den Lehrstuhl für Historische Pädagogik und Erziehungsforschung innehat. Dass Bildung auf protestantischen Ideen beruht, bedeutet für ihn im Umkehrschluss auch, dass diese eben nicht einem katholischen oder orthodoxen Denken entspringt. Vielmehr, so betont Koerrenz, sei Bildung „eine Geburt aus dem Geist des Protestantismus“.
Entsprechend eindeutig nimmt sich auch der Titel einer kürzlich von Koerrenz herausgegebenen Publikation aus. „Bildung als protestantisches Modell“ möchte einerseits klären, inwieweit das Modell „Bildung“ von seinen religiösen Wurzeln aus weit mehr als ein „protestantisches“ Modell zu verstehen sei, denn als ein „deutsches“ Deutungsmuster. Andererseits wird „Bildung“ nach Koerrenz‘ Auffassung für Theologie und Kirche zu einem hermeneutischen Schlüssel, mit dem der Protestantismus selbst unter anthropologischen Vorzeichen gelesen werden kann. Dabei, so der Herausgeber vom Institut für Bildung und Kultur der Jenaer Universität, enthalte der hier gemeinte Begriff von „Bildung“ gerade in seiner religiösen Grundierung ein kritisches Potenzial gegen seine eigene Rezeptionsgeschichte, in der Bildung zu einem bloßen Besitzstand verkommen sei.
„Bildung“ – so der Leitgedanke des neuen Bandes – sei in anthropologischer Perspektive mit der Frage nach der Selbstdeutung des Menschen auf das Engste verknüpft. „Dabei spielt das Verständnis von Freiheit eine entscheidende Rolle“, erklärt Prof. Koerrenz. „Die Tradition, in der in eigener Weise eine Verknüpfung des Motivs ,Freiheit‘ mit wesentlichen Wertvorstellungen der Aufklärung wie Autonomie oder Mündigkeit zu einer neu verstandenen Anthropologie geführt hat, war der Protestantismus“, erläutert er.
Mit jener neuen Form von Freiheit, die im 18. Jahrhundert zwischen Naturbeobachtung und Erkenntnisphilosophie kontrovers diskutiert wurde, sei im Protestantismus die Erfahrung des Zurückgeworfenseins des Einzelnen auf sich selbst verbunden gewesen. Einem so verstandenen Freiheitsgedanken sei zum einen eine universal gedachte Vernunft eigen, zum anderen aber auch der Beigeschmack von Verlassenheit und Einsamkeit, da sich der Mensch vor die Unausweichlichkeit der Wahl und der je individuellen Entscheidung gestellt sah. Dieses Aufeinandertreffen von Freiheit und Einsamkeit erfolgte in einem Rahmen, in dem kein höchstes Lehramt und keine festgefügte Sozialordnung mehr eine tragende Entlastung versprach. Bildung als Modell für den Umgang des Menschen mit sich selbst sei letztlich eine Bewältigungsstrategie dieser Freiheit, ist Koerrenz überzeugt.
Mit ihrer Publikation stellen sich Koerrenz und seine acht Mitstreiter aus Theologie und Pädagogik nicht zuletzt auch gegen den unscharfen Bildungsbegriff unserer Zeit. Wer sich an die „Vermessung“ von Bildung mache oder Bildung auf den Besitz bestimmter „Güter“ reduziere, wie es dem heutigen Zeitgeist oft entspreche, der verkehre den Bildungsgedanken in sein Gegenteil, so Koerrenz. „Bildung ist in der öffentlichen Kommunikation zu einer Chiffre ohne Inhalt geworden“, kritisiert der Erziehungsforscher. Die im Band „Bildung als protestantisches Modell“ unternommenen Klärungen reichen von Analysen zum Kontext der Aufklärung bis hin zu aktuellen Fragen der Menschenrechte, der globalen Bildung oder der Popkultur.
Bibliografische Angaben:
Ralf Koerrenz (Hg.): Bildung als protestantisches Modell, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2013, 179 Seiten, Preis: 24,90 Euro, ISBN: 978-3-506-77689-1
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz
Institut für Bildung und Kultur der Universität Jena
Am Planetarium 4
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945331
E-Mail: Ralf.Koerrenz[at]uni-jena.de
Das Cover der neuen Publikation.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Pädagogik / Bildung, Religion
überregional
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Deutsch
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