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20.01.2003 18:53

"Legalisierter Raub" - Ausstellung zur fiskalischen Ausplünderung jüdischer Bürger in der Nazi-Zeit

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    "Legalisierter Raub - Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945" - Eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts und des Hessischen Rundfunks im Georg-Büchner-Saal der Justus-Liebig-Universität Gießen

    Mit der fiskalischen Ausplünderung jüdischer Bürger in der Nazi-Zeit beschäftigt sich eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts und des Hessischen Rundfunks (hr), die unter dem Titel "Legalisierter Raub - Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945" ab dem 5. Februar 2003 im Georg-Büchner-Saal der Justus-Liebig-Universität Gießen (Alte UB, Bismarckstraße 37) präsentiert wird. Anhand zahlreicher Dokumente, Fotografien und Exponate stellt sie die Geschichte des gesetzlich legalisierten Raubzuges und seiner Opfer sowie die zentrale Rolle des Fiskus in dem Geschehen dar. Zur Eröffnung der Ausstellung am Dienstag, den 4. Februar, um 19 Uhr und zum Begleitprogramm der Ausstellung laden wir Sie herzlich ein. Die Ausstellung, die von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Hessischen Landesregierung gefördert wurde, ist bis zum 12. März 2003 von montags bis freitags täglich von 9 bis 18.00 Uhr geöffnet. Eine Hörstelle, Lesemappen und Filme ergänzen die Präsentation.

    Bei der Eröffnung der Ausstellung "Legalisierter Raub - Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 bis 1945" am Dienstag, 4. Februar, um 19 Uhr sprechen der Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen, Prof. Dr. Stefan Hormuth, Prof. Dr. Micha Brumlik, Direktor des Fritz Bauer Instituts, und Dr. Thomas Wurzel, Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen. Karl Starzacher, Finanzminister a.D., führt ins Thema der Ausstellung ein. Im Anschluss liest Helge Heynold, Hessischer Rundfunk, ausgewählte Dokumente und Erinnerungen. Die Ausstellung, die von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und der Hessischen Landesregierung gefördert wurde, ist bis zum 12. März 2003 von montags bis freitags täglich von 9 bis 18.00 Uhr geöffnet. Für Schulklassen öffnet sie auf Anfrage bereits um 8.00 Uhr.

    Die Gießener Präsentation wird unterstützt von der Stadt Gießen, der Justus-Liebig-Universität, dem Oberhessischen Geschichtsverein, der Chambré-Stiftung, der Geschichtswerkstatt Gießen-Wetzlar, der Arbeitsstelle Holocaustliteratur, dem Verein Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gießen-Wetzlar. Begleitet wird sie von einem Veranstaltungsprogramm, das unter anderem Stadtspaziergänge zu Gießener Stätten der Ausplünderung und Verfolgung vorsieht.

    Die Ausstellung

    1998 wies das Hessische Finanzministerium die Finanzbehörden des Landes an, in ihren Aktenbeständen nach Unterlagen über die fiskalische Ausplünderung als Juden Verfolgter zu suchen. Die Übergabe der in Hessen aufgefundenen Dokumente an das Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden gab Anlass zu einem Dokumentations- und Forschungsprojekt, das vom Fritz Bauer Institut durchgeführt wurde. Die gesichteten Devisenakten, Steuerakten, Vermögenskontrollakten und Handakten jüdischer Rechtsanwälte belegen eindrücklich die fiskalische Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung Hessens im "Dritten Reich".

    Die Akten zeigen, dass die sogenannte Arisierung jüdischer Unterneh-men nur die "Spitze des Eisberges" gewesen ist: In enger Kooperation zogen unterschiedliche Dienststellen in Finanzbehörden, Zollfahndung und Devisenstellen gemeinsam mit der Gestapo und anderen Organisationen in gesetzlich legalisierten Aktionen Sparbücher, Devisenguthaben und Wertpapierdepots jüdischer Bürger ein. Sie belegten ihre Opfer mit Sondersteuern und Strafkontributionen und versteigerten öffentlich das Hab und Gut der aus Deutschland Geflohenen oder Deportierten. Diese Ausplünderung war ein wichtiger Teil der Vernichtungsmaschinerie und zugleich Bestandteil der NS-Kriegswirtschaft.

    Das Forschungsprojekt des Fritz Bauer Instituts bildete die Grundlage für die gemeinsam mit dem Hessischen Rundfunk konzipierte und realisierte Ausstellung sowie den Film "Der große Raub" (hr, 2002). Die Ausstellungstafeln beschäftigen sich mit den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen sowie den entscheidenden Ereignissen ("Reichskristallnacht", "Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz 1941"). Sie stellen den Aufbau der Reichsfinanzverwaltung und die Verantwortlichen auf den unterschiedlichen bürokratischen Ebenen vor. Ein weiterer Block beschäftigt sich mit den kooperierenden Interessengruppen in Politik und Wirtschaft, aber auch mit dem "deutschen Volksgenossen" als Profiteur. Schließlich wird nach der sogenannten Wiedergutmachung gefragt: Wie ging die Rückerstattung in Hessen vor sich, wie erfolgreich konnte sie angesichts der gesetzlichen Ausgangslage und der weitgehend ablehnenden Haltung der Bevölkerungsmehrheit sein?

    Weitere Recherchen der Ausstellungsmacher und des Filmteams beschäftigten sich mit den Lebensgeschichten der betroffenen Menschen, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen - etwa der Freundinnen Tilly Cahn und Gertrud Landsberg. 1941 erfuhr Tilly Cahn von der bevorstehenden Versteigerung des Eigentums ihrer jüdischen Freundin, die zwei Jahre zuvor aus Deutschland geflohen war. Sie reiste nach Hamburg und ersteigerte, was Gertrud besonders am Herzen lag, unter anderem eine Partitur von Verdis "Maskenball", die neben weiteren Dokumenten in einer Vitrine zu sehen ist.

    Das Begleitprogramm

    Dienstag, 11. Februar, 20.15 Uhr:
    Alte UB, Bismarckstraße 37, 35390 Gießen
    "Legalisierter Diebstahl: Der Fiskus und der Raub 'jüdischen Vermögens' in Stadt und Landkreis Gießen 1933 - 1945"
    Vortrag von Dr. Susanne Meinl

    Sonntag, 16. Februar, 15.00 Uhr:
    Treffpunkt: Finanzamt Gießen, Goethestraße
    "Legalisierter Raub - Stationen der Ausplünderung der Gießener Juden"
    Stadtrundgang mit Dr. Susanne Meinl

    Dienstag, 18. Februar, 20.15 Uhr:
    Alte UB, Bismarckstraße 37, 35390 Gießen
    "Die obsessive Gegenwart der Vergangenheit: Die verwertete Nachbarin auf Besuch"
    Lesung mit Charlotte Opfermann

    Dienstag, 25. Februar, 20.15 Uhr:
    Alte UB, Bismarckstraße 37, 35390 Gießen
    "Die gewaltsame Verschleppung der Juden aus den Städten und Dörfern Oberhessens"
    Vortrag von Dr. Monica Kingreen

    Dienstag, 11. März, 20.15 Uhr:
    Alte UB, Bismarckstraße 37, 35390 Gießen
    Ernst P. Katz: Erinnerungen eines Juden aus Hungen
    Szenische Lesung der Theatergruppe Liebigschule/Junge Bühne

    Anmeldungen zu kostenpflichtigen Führungen durch die Ausstellung werden unter der Telefonnummer 0641/19433 entgegengenommen.

    Bei frühzeitiger Anmeldung besteht die Möglichkeit zu einem Workshop über ausgewählte Themen der Ausstellung. Dieses Angebot richtet sich insbesondere an Schülerinnen und Schüler, die an Wettbewerben zur Geschichte teilnehmen, studentische Arbeitsgruppen, Geschichtsvereine oder Finanzbeamte.

    Zur Vor- und Nachbereitung eines Ausstellungsbesuches steht eine Mappe mit Arbeitsmaterialien und Bearbeitungsvorschlägen zur Verfügung. Schulen aus der Stadt und dem Landkreis Gießen können diese kostenfrei bei der Ernst-Ludwig-Chambré Stiftung anfordern (c/o Dr. Konrad Tromsdorf, Birkenstraße 37, 35428 Langgöns, e-mail: Dr.Konrad-Tromsdorf@t-online.de, Fax: 06403-928704). Einzelexemplare können zum Preis von 8.50 Euro vom Verlag bezogen werden (Booxpress, Verlag der Druckwerkstatt Fernwald, Hauptstraße 26, 35463 Fernwald, Fax:06404-90491).

    Rückfragen bitte an:

    Dr. Bettina Hindemith
    Hessischer Rundfunk
    Tel.: 069/155-4038
    Bhindemith@hr-online.de

    Dr. Susanne Meinl
    Fritz Bauer Institut
    Tel.: 069-798322-40


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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