Tagung zu bürgerlichen Werten um 1800 startet morgen (23.01.) an der Universität Jena
Jena (22.01.03) Ordnung, Pünktlichkeit, Fleiß - dieses Begriffstrio steht seit Jahrhunderten für Werte der alten bürgerlichen Welt. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts formierte sich ein neues Bürgertum, das im 19. Jahrhundert zur gestaltenden sozialen und kulturellen Macht aufstieg. Verbindende Klammer dieses Bürgertums war nicht mehr die rechtlich definierte Zugehörigkeit zu einem Stand, sondern ein Ensemble von gemeinsamen Werten, Normen und Verhaltensweisen. In das neue, von der Aufklärung bestimmte Bürgerideal ging ein Teil der traditionellen Werte ein, wirkungsmächtig aber waren neue Leitideen wie Bildung, Toleranz und Individualität. Diesen epochalen Wandlungen und Veränderungen spürt die Tagung "Bürgerliche Werte und Wertevermittlung um 1800" nach, die vom 23.-25. Januar an der Friedrich-Schiller-Universität Jena stattfindet. Der Jenaer Sonderforschungsbereich "Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800" hat namhafte Referenten aus verschiedenen Disziplinen gewonnen. Historiker, Pädagogen, Theologen, Literatur- und Kulturwissenschaftler werden in den interdisziplinären Diskurs über das "Bürgertum" und seine "Werte" eintauchen.
"Transzendentale Obdachlosigkeit verlangte nach einem neuen Wertehimmel", sagt der Germanist Prof. Dr. Klaus Manger von der Universität Jena. Der Sprecher des Sonderforschungsbereichs hat sich mit den Schriftstellern auseinander gesetzt, die um 1800 schreibender Weise neue Werte produzierten. Neben den "Werteproduzenten", zu denen auch die Professoren, Pfarrer und Kaufleute zählen, wird es im weiteren Verlauf der Tagung um die Werte selbst, ihre Vermittlung und Rezipienten gehen. "Zum Beispiel wurden um 1800 Vereine gegründet, die bereits regelrecht demokratisch strukturiert waren", erläutert Tagungsleiter Prof. Dr. Hans-Werner Hahn. Ohne gesellschaftlichen Zwang, wie das bei der Zunftzugehörigkeit der Handwerker der Fall war, entstanden so Treffpunkte Gleichgesinnter. Diese trugen zur Vermittlung neuer Werte bei, verdeutlicht der Historiker von der Uni Jena. Zeitschriften- und Verlagswesen blühten und legten den Grundstein für das breit gefächerte kritische Angebot, wie wir es heute kennen.
Dass der Wertewandel auch nicht vor der privaten Sphäre halt machte, lässt sich am besten an der veränderten Einstellung zur Ehe nachweisen. "In literarischen Texten wird die Liebesheirat propagiert", so Hahn. Die standesgemäße Zweckverbindung schien nicht mehr zeitgemäß. Der untersuchte Zeitraum 1770-1830 und der geographische Raum Weimar-Jena mit seinen einzigartigen kulturellen Verflechtungen bieten vielfältige Möglichkeiten, die Anfänge des Wertewandels zu erforschen. Ob sich der Wandel der bürgerlichen Werte mehr aus der Stadt heraus durch die eingesessenen Bürger oder von außen, durch die zugezogenen 'neuen Bürgerlichen' ergab, darüber besteht noch keine Einigkeit bei den Wissenschaftlern. Die Jenaer Tagung wird sich bemühen, hier einen 'Mittelweg' aufzuspüren und zugleich die Diskrepanz, die zwischen der historischen Bedeutung des "Ereignisraumes Weimar-Jena" und seiner unzureichenden Erforschung besteht, zu überbrücken, erläutert Prof. Hahn das Ziel der Tagung.
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Werner Hahn
Historisches Institut der Universität Jena
Humboldtstr. 34, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944440
Fax: 03641 / 944032
E-Mail: hawe.hahn@uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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