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22.01.2003 09:57

Schöne neue Arbeitsmarktpolitik...

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Statt grundlegender Reform der Bundesanstalt für Arbeit trügerische Wundermittel, konsensfähige "Hartz-Rosinen" und einschneidende Kürzungen? - Thesen aus dem Institut Arbeit und Technik

    Die knappen Energien zur dringenden Reform der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland werden zur Zeit auf Nebenschauplätzen verschwendet. "Der ursprüngliche Auftrag der Hartz-Kommission für mehr Qualität und Wirksamkeit von Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung durch eine Neuorganisation der Bundesanstalt für Arbeit ist längst in den Hintergrund getreten", kritisiert der Arbeitsmarktexperte Dr. Matthias Knuth, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts Arbeit und Technik (IAT/ Gelsenkirchen). "An Stelle von im Wahlkampf wenig werbewirksamen Verwaltungsreformen wurden angebliche Wundermittel zum raschen Abbau der Arbeitslosigkeit präsentiert".

    Der grundlegende Ansatz der Hartz-Kommission, Arbeitslosigkeit durch raschere Vermittlung senken zu wollen, ist zumindest rechnerisch richtig. Funktionieren kann er allerdings nur bei dem Teil der Arbeitslosen, die überhaupt auf Wiederbeschäftigung orientiert sind, und nur in dem Maße, wie überhaupt Arbeitsplätze zu besetzen sind, so Knuth. Viele der letztlich im Gesetz verarbeiteten Vorschläge sind nicht wirklich neu und stehen teilweise in Konkurrenz zu bereits vorhandenen Instrumenten (z.B. Existenzgründungszuschuss (" "Ich-AG") im Verhältnis zum Überbrückungsgeld). Mit dem ursprünglichen Anlass und Auftrag der Kommission, die bisherige Bundesanstalt für Arbeit grundlegend neu zu konzipieren, haben diese Neuerungen zum Teil wenig bis gar nichts zu tun.

    Die Diskussion über technische Einzelaspekte der vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente hat sich verselbständigt, und es wurde zunehmend unklar, zu welchem Zweck sie dienen sollen. Im Ergebnis der jüngsten Gesetzgebung ist die BA, die schon im vergangenen Jahr mit der Vielzahl ihrer Aufgaben überfordert war, nun mit noch mehr Förderinstrumenten und Anforderungen konfrontiert, ohne dass sich an ihren Rahmenbedingungen und Strukturen grundsätzlich etwas geändert hätte.

    "Auch wenn weitere Reformen zu erwarten sind, die von den Vorschlägen der Hartz-Kommission beeinflusst sein werden, so ist doch nach den jetzt erfolgten Weichenstellungen klar, dass es "Hartz 1:1" niemals geben wird", stellt Knuth fest. Die aktuellen Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt enthalten einige "Hartz-Rosinen" - das, was gesetzestechnisch leichter umsetzbar und politisch konsensfähig war - , sowie strukturelle Leistungskürzungen, die mit "Verwaltungsvereinfachung" und "Vorbereitung der Harmonisierung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe" wenig überzeugend begründet wurden und eher dem Diktat der öffentlichen Finanzkrise entspringen.

    "Die durch die jüngste Gesetzgebung eingeleiteten Reformen sind zum größeren Teil durchaus vernünftig, zu einem weiteren Teil stellen sie soziale Härten dar, die aber zumindest in ihrer fiskalischen Logik nachvollziehbar sind, und zu einem kleineren Teil sind sie zwar wenig erfolgsversprechend, aber u. a. wegen ihrer befristeten Geltung auch nicht besonders gefährlich", schätzt der Arbeitsmarktexperte. Die Nachwirkungen des Wahlkampfes führten zu einer Verschwendung der knappen Reformenergien auf Nebenschauplätzen und für offenbar nicht wirklich ernst gemeinte Vorhaben, die nur kurzzeitig befristet eingeführt werden. "Die Öffentlichkeit bleibt fixiert auf symbolische Politik, während die Leistungskürzungen mit vermutlich langfristiger struktureller Wirkung kaum wahrgenommen und diskutiert werden", wundert sich Knuth.

    Aber auch die grundsätzlich vernünftigen und sogar innovativen Elemente der jüngsten Gesetze wie z.B. die Einführung einer "Gleitzone" zwischen geringfügiger und voll versicherungspflichtiger Beschäftigung werfen Fragen auf: Was hat das mit dem ursprünglichen Problem einer unbefriedigenden Dienstleistungsqualität der BA und einer zu langen durchschnittlichen Arbeitslosigkeitsdauer zu tun? Und aufgrund welcher neuen Einsichten verfolgt die Koalition heute bei geringfügiger Beschäftigung, Dienstleistungen im Haushalt und kleinen Selbständigen teilweise entgegengesetzte Strategien im Vergleich zu vor vier Jahren?

    Der Hauptteil der erforderlichen arbeitsmarktpolitischen Reformen steht noch bevor: (1) die Vereinfachung der gesetzlichen Bestimmungen zur aktiven Arbeitsförderung, und damit weitere Erhöhung des Handlungsspielraums und der Verantwortlichkeit der Arbeitsämter, (2) die Reform der Ausbildung in der BA: vom Verwaltungsvollzug zum Arbeitsmarkt-Management, (3) der Brückenschlag zwischen Arbeitslosenhilfe und dem (kleineren!) Teil der Sozialhilfe, die an Beschäftigungsfähige gezahlt wird, ohne dass zwischen Arbeits- und Sozialämtern ein neuer Verschiebebahnhof entsteht, sowie (4) die Zusammenführung von aktiver Arbeitsförderung der BA und "Hilfe zur Arbeit" der Sozialhilfeträger unter Bewahrung vorhandener erfolgreicher Ansätze, Netzwerke und Kompetenzen der lokalen Arbeitsmarktpolitik.

    Für weitere Fragen stehen
    Ihnen zur Verfügung:

    Dr. Matthias Knuth
    Durchwahl: 0209-1707-186

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen
    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


    Weitere Informationen:

    http://iat-info.iatge.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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