Dresden – Notwendigkeit und Nutzen von Eingriffen an der Wirbelsäule, etwa an der Bandscheibe, werden immer wieder in Frage gestellt. Sofern keine neurologischen Ausfälle wie Lähmungen vorliegen, sind konservative Therapien beim Bandscheibenvorfall die Methode der ersten Wahl, stellen Experten im Vorfeld der 65. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) in Dresden klar. Studien zeigen aber auch, dass operierte Patienten sich etwa dreimal schneller erholen als nicht operierte.
In diesem Zusammenhang warnen die Ärzte vor einer unnötigen Verunsicherung von Patienten: Sowohl bei der operativen als auch der konservativen Behandlung von Bandscheibenvorfällen sei die Rate ernsthafter Komplikationen gering. Wichtig sei jedoch eine individuelle Beratung. „Die Leitlinie der DGNC zum Bandscheibenvorfall der Lendenwirbel sieht vor, dass konservative Behandlungsansätze immer das Mittel der ersten Wahl sind“, sagt Professor Dr. med. Bernhard Meyer, Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Technischen Universität München am Klinikum rechts der Isar. Doch mitunter ist ein chirurgischer Eingriff unerlässlich: „Eine Operation ist beim Bandscheibenvorfall immer dann angezeigt, wenn Lähmungserscheinungen auftreten oder Blase oder Darm nicht mehr kontrolliert werden können“, so der Neurochirurg. „In allen anderen Fällen kann man operieren, muss aber nicht.“ Diese Entscheidung gelte es für jeden Patienten einzeln abzuwägen.
Leider würden viele Betroffene im Hinblick auf die richtige Behandlung verunsichert. „Dabei gibt es zur Therapie des Bandscheibenvorfalls zwei hervorragende Studien, die klare Fakten geschaffen haben und bei der Beratung von Patienten maßgebend sein sollten“, so Meyer. Bei der SCIATICA-Studie von 2007 verglichen Wissenschaftler zwei Gruppen von Patienten mit schwerem Bandenscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule: Eine Gruppe wurde konservativ behandelt, die andere frühzeitig operiert. Nach einem Jahr ging es 95 Prozent der Patienten aus beiden Gruppen vergleichbar gut. Allerdings hatten sich die Operierten schneller erholt und waren früher schmerzfrei. Die Arbeit bestätigte die sogenannte SPORT-Studie, die ein Jahr zuvor erschienen war: Hier zeigten sich in Bezug auf den Gesundheitszustand nach zwei Jahren kaum Unterschiede zwischen den frühzeitig operierten und den nicht operierten Patienten. Doch verlief der Genesungsprozess bei den Operierten rascher ab, auch die körperlichen Funktionen verbesserten sich schneller.
„Jedes Jahr erleiden fünf von 1000 Menschen in den Industriestaaten einen Bandscheibenvorfall“, sagt Professor Meyer. „Bei vielen helfen Schmerzmittel und Physiotherapie – doch etwa ein Drittel der Patienten erreicht mit diesen konservativen Methoden langfristig keine ausreichende Schmerzfreiheit und muss doch operiert werden.“ Wie lange vor einer eventuellen Operation konservativ therapiert werden sollte, hänge immer auch vom Willen und der Lebenssituation des einzelnen Patienten ab, betont Meyer.
„Bei der Behandlung von Bandscheibenvorfällen kommt es weder durch langfristige konservative Therapien vermehrt zu irreversiblen Nervenschäden, noch ist die operative Behandlung überdurchschnittlich riskant“, so der DGNC-Experte. Die Rate geringfügiger Komplikationen liegt laut SCIATICA- und SPORT-Studie bei zwei bis vier Prozent. „Wer sich unsicher ist, sollte sich von einem zweiten Arzt beraten lassen,“ ergänzt Professor Dr. med. Gabriele Schackert, Direktorin der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Dresden und Präsidentin der 65. Jahrestagung der DGNC.
Ein Bandscheibenvorfall ist meist eine Folge von Überlastung beziehungsweise altersbedingten Abbauprozessen der Bandscheiben. Diese liegen als eine Art „Stoßdämpfer“ zwischen den Wirbeln. Verlieren sie an Elastizität, kann sich ihr innerer Kern nach außen wölben und auf den Wirbelkanal oder Nervenwurzeln drücken. Dies kann starke Schmerzen oder Lähmungen verursachen. Am häufigsten kommt ein Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule vor, er kann aber auch an jedem anderen Wirbel auftreten.
Literatur:
Wilco, C. et al.: Surgery versus Prolonged Conservative Treatment for Sciatica, N Engl J Med 2007; 356:2245-2256, DOI: 10.1056/NEJMoa064039,
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa064039
Weinstein, J.N. et al: Surgical vs Nonoperative Treatment for Lumbar Disk Herniation, JAMA, Nov 22, 2006; 296(20): 2451–2459, DOI: 10.1001/jama.296.20.2451
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17119140
Terminhinweis:
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC)
11. bis 14. Mai 2014, ICD – Internationales Congress Center Dresden
Kongresspressekonferenz
Termin: Montag, 12. Mai 2014, 12.30 bis 13.30 Uhr
Ort: ICD – Internationales Congress Center Dresden, Seminarraum 3-4
Kontakt für Journalisten:
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65. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC)
Juliane Pfeiffer
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