Von CATI läßt sich jeder gerne ausfragen
Neues Umfragesystem an Chemnitzer Uni erleichtert Sozialstudien
Welcher Partei würden Sie Ihre Stimme geben, wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären? Waschen Sie mit Persil, mit Ariel oder mit Spee? Wie oft schlafen Sie mit Ihrem Partner? Welche Sendung haben Sie sich gestern abend im Fernsehen angesehen? Sollte Berti Vogts als Bundestrainer abdanken?
Wenn Sie solche Fragen am Telefon hören, ist am anderen Ende wahrscheinlich ein Markt- oder ein Meinungsforschungsinstitut. Aber auch zu den Sozialwissenschaften und zur Betriebswirtschaft gehören Umfragen wie die Butter aufs Brot. So wollten Forscher der Chemnitzer Uni in den letzten Jahren etwa wissen, wie ihre Mitbürger mit dem Wechsel von der DDR-Mark zur D-Mark zurechtkamen, wie sich das Leben der Bewohner im deutsch-tschechischen Grenzgebiet seit der Wende verändert hat, warum das Radiohören bei Jugendlichen so beliebt ist oder welche Sprachkenntnisse Firmen heutzutage von ihren Mitarbeitern erwarten.
Eine solche Umfrage ist häufig sehr aufwendig. Da müssen zunächst Fragebogen entworfen werden und die Fragen sodann penibel auf Verständlichkeit getestet werden - mißverständliche Fragen können eine Untersuchung so gut wie wertlos machen. Oft gliedern sich die Fragebogen weiter auf und verzweigen sich - "Bei 'Ja' bitte mit Frage 17 weitermachen, bei 'Nein' mit Frage 27" - was mitunter ein Quelle von Fehlern sein kann. Die sind auch bei der eigentlichen Umfrage nicht auszuschließen; wie leicht kann da aus Unachtsamkeit ein Kreuzchen verrutschen. Anschließend müssen dann die Fragen in einen Computer eingegeben werden. Wie leicht man sich dabei vertippen kann, liegt auf der Hand.
Immer stärker müssen die Sozialforscher auch darauf achten, daß sie die Datenschutzgesetze nicht verletzen. So werden etwa Namen und Adressen grundsätzlich von den eigentlichen Fragebogen getrennt. Zudem ist niemand verpflichtet, sich - anders als etwa bei den vom Staat durchgeführten Volkszählungen - an Umfragen zu beteiligen. Andererseits ist eine Umfrage natürlich um so aussagekräftiger, je mehr Menschen daran teilnehmen.
Daß derartige Irrtümer nicht mehr vorkommen oder zumindest unwahrscheinlicher werden, dafür sorgt an der Chemnitzer Uni neuerdings das computergestützte Umfragesystem CATI (Computer Aided Telephone Interviewing). Solche Systeme werden bei den großen Meinungsforschungsinstituten, etwa bei INFAS oder der Forschungsgruppe Wahlen, schon seit einigen Jahren eingesetzt. Das Chemnitzer CATI-System ist eines der ersten an einer deutschen Uni. Es befindet sich bei dem Sportsoziologen und Gesundheitsforscher Prof. Alfred Rütten, der auch für das Projekt "Gesunde Region Westsachsen" verantwortlich ist, und seiner Mitarbeiterin, der Erziehungswissenschaftlerin Jana Schröder M. A.
Das System besteht aus fünf Computer-Interviewerplätzen und einem Platz für eine Aufsicht, die sich jederzeit in die Gespräche einschalten kann. Aus Gründen des Datenschutzes sind die Computer erst gar nicht ans Uninetz angeschlossen - selbst der gewiefteste Hacker ist da völlig chancenlos. Weitere Vorteile: Die Fragebogen erscheinen direkt auf dem Bildschirm, sie müssen nicht mehr eigens gedruckt und können, falls dies nötig sein sollte, auch schnell verändert werden. Da die Daten direkt in den Computer eingegeben werden, treten viele Fehlerquellen erst gar nicht auf, zudem kann das Programm offensichtliche Widersprüche sofort entdecken und gibt dann eine Warnmeldung aus. Der Computer denkt auch sonst mit: im Beispiel oben mit dem verzweigten Fragebogen würde er auf die Antwort "Nein" sofort bei Frage 27 weitermachen und die Zwischenfragen erst gar nicht anzeigen. Am wichtigsten ist jedoch, daß auch die Auswertung einer Untersuchung wesentlich schneller vor sich geht als bisher.
Mittlerweile hat das System seine Feuertaufe bestanden: Im Rahmen des internationalen Projekts MAREPS (Methodologie zur Analyse der Rationalität & der Effektivität von Präventions- und Gesundheitsförderungs-Strategien), an dem sieben Universitäten aus sechs Ländern beteiligt sind, wurden in Chemnitz über 900 Telefoninterviews durchgeführt. Die Leitung des Gesamtprojekts liegt übrigens bei der Chemnitzer Uni, die auch hier wieder einmal zeigt, daß sie zu den deutschen Spitzenunis zählt. Dabei ging es um den Zusammenhang zwischen Brustkrebs einerseits und Faktoren wie dem Rauchen, dem Sporttreiben und den allgemeinen Arbeits- und Lebensbedingungen auf der anderen Seite.
Das CATI-Labor steht aber auch anderen Chemnitzer Uni-Instituten kostenlos für Studien, Untersuchungen und Umfragen zur Verfügung - nur die Telefongebühren und die Arbeitszeit für Interviewer und Aufsicht müssen diese Institute dann tragen. Aber auch das ist immer noch wesentlich billiger als eine Umfrage auf herkömmliche Art. Und auch für die Ausbildung künftiger Sozialforscher ist das System bestens geeignet.
(Autor: Hubert J. Gieß)
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Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Philosophische Fakultät, Thüringer Weg 11, 09107 Chemnitz, Prof. Alfred Rütten, Tel. 0371/531-4536, Fax 0371/531-2935, E-mail: alfred.ruetten@phil.tu-chemnitz.de oder Jana Schröder, Tel. 0371/531-2937, E-mail: jana.schroeder@phil.tu-chemnitz.de
Antje Jauernig bei einer Telefon-Umfrage. Die 23jährige aus Glauchau studiert in Chemnitz im 8. Seme ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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