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03.08.1998 00:00

512 Prozessoren gegen Schach-Großmeister

Peter Schäfer Unternehmenskommunikation
Forschungszentrum Jülich

    Neue Runde im Wettkampf zwischen Mensch und Maschine

    Vom 30. Juli bis 9. August findet in Lippstadt ein Großmeister-Schachturnier statt. Via Datenleitung mit von der Partie: Ein Parallel-Hochleistungsrechner, der vom Forschungszentrum Jülich betrieben wird. Für den Supercomputer eine nicht alltägliche Aufgabe, berechnet er doch sonst beispielsweise, wie sich Schadstoffe im Grundwasser verteilen oder wie sich Werkstoffe verformen.

    Der Jülicher Hochleistungsrechner - eine Cray T3E - ist der einzige Computer im Feld der Spieler und wird in Kombination mit dem Programm "Zugzwang" versuchen, im Spielmodus "jeder gegen jeden" insgesamt elf Großmeister und Internationale Meister mattzusetzen. Für seine Gegner hängen Plazierung und Preisgelder auch davon ab, wie sie sich gegen die Maschine behaupten können. Der Computer und seine Betreuer erhalten dagegen im Falle eines Sieges kein Geld.

    Das Programm "Zugzwang" wurde an der Universität-Gesamthochschule Paderborn von Dr. Rainer Feldmann, Dr. Peter Mysliwietz und Prof. Burkhard Monien entwickelt. 1997 nahm es auf einem relativ langsam arbeitenden Computer an einem Turnier im niederländischen Den Haag teil und verlor in sechs Spielen nur einmal gegen den späteren Gesamtsieger, den Internationalen Großmeister Yona Kosashvili.

    Normalerweise läuft "Zugzwang" auf den Rechnern des "Paderborn Center for Parallel Computing". Durch seine Übertragung auf den Jülicher Supercomputer konnte seine Leistungsfähigkeit erhöht werden: Es betrachtet jetzt in jeder Sekunde bis zu
    2 Millionen Schachstellungen und ist damit etwa zehnmal schneller als auf den Paderborner Rechnern. Wird die im Schach übliche Meßlatte angelegt, bedeutet das eine Verbesserung um etwa 300 ELO-Punkte. Dadurch ist seine Spielstärke nach ersten Testeindrücken von der eines Internationalen Meisters auf die eines Großmeisters gestiegen.

    Wie leistungsfähig Maschinen heute Schach spielen können, hat das legendäre Duell zwischen dem IBM-Computer "Deep blue" und Weltmeister Garry Kasparov im letzten Jahr gezeigt, bei dem Kasparov unterlag. Der IBM-Computer enthielt Prozessoren und Schaltungen, die speziell für das Schachspiel entwickelt wurden - ohne sie wäre der Einsatz des dazugehörigen Programmes undenkbar gewesen. Dagegen benötigt "Zugzwang" keinen Computer, der eigens für die Aufgabe "Schachspiel" konstruiert wurde.

    Normalerweise werden auf dem Jülicher Supercomputer wissenschaftliche Berechnungen und Simulationen durchgeführt. Er gehört zur Gruppe der Parallelrechner: Während ein handelsüblicher Personalcomputer (PC) eine einzige Verarbeitungseinheit hat, besitzt er 512 extrem schnelle Prozessoren. Große Aufgaben kann er in Teilaufgaben zerlegen, die er parallel abarbeiten kann. Die Folge ist meist ein erheblicher Zeitgewinn.

    Allerdings lassen sich nicht alle Aufgaben in einer Weise formulieren und programmieren, die für die Parallelverarbeitung geeignet ist. Bis vor zehn Jahren galt es beispielsweise als unmöglich, die Geschwindigkeit eines Schachprogramms durch die Übertragung von einem herkömmlichen auf einen Parallelrechner um mehr als das Sechsfache zu erhöhen - egal wieviele Prozessoren zur Verfügung standen. Für die Wissenschaftler aus Paderborn ist die Teilnahme des Jülicher Parallelrechners am Lippstädter Schachturnier daher mehr als Spielerei: Sie erproben im sportlichen Wettkampf Rechenverfahren, die möglichst effektiv parallelisiert werden und mit denen die Zeiten für aufwendige Rechnungen wesentlich verkürzt werden können.

    Das mathematische Vorgehen, das sich hinter Schachprogrammen verbirgt - die "Spielbaumsuche" - kann auch zur Lösung wissenschaftlicher oder technischer Fragestellungen, beispielsweise in der Hochenergiephysik, in der Logistik oder bei der Fertigung elektronischer Schaltkreise, herangezogen werden. Wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung hat der wissenschaftliche Rat des Höchstleistungsrechenzentrums (HLRZ) dieses Projekt bewilligt.

    Das HLRZ wurde bereits 1987 von den Forschungszentren DESY, GMD und Jülich gegründet, um der Forschung in Deutschland das Instrument der Computersimulation verfügbar zu machen: Universitäten und andere Forschungseinrichtungen können so an Problemen arbeiten, die zu umfangreich sind, um auf eigenen Rechnern gelöst zu werden. Betrieben werden die Supercomputer vom Jülicher Zentralinstitut für Angewandte Mathematik (ZAM).


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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