Von den Professoren Edgar Radtke und Christof Weiand am Romanischen Seminar der Universität Heidelberg ins Leben gerufen
Zu welch munteren Spaziergängen, dieses Mal durch die Räume des kulturellen Gedächtnisses, durch ein sprachideologisch verklärtes Heidi-Land und durch das dialektale Interieur ligurischer Chatrooms eine Runde profilierter Gäste anregen kann, zeigte ein weiteres Mal die von den Romanistikprofessoren Edgar Radtke und Christof Weiand im Wintersemester 2000/2001 am Romanischen Seminar der Universität Heidelberg ins Leben gerufene Giornata di Italianistica am 30. Januar 2003.
Durch das Labyrinth der italienischen Gedächtnisorte führte der Regensburger Romanist Hermann H. Wetzel in seinem Vortrag I luoghi della memoria - zur Problematik italienischer Gedächtnisorte. Die verbindliche Funktion solcher "luoghi della memoria" erweist sich als brandaktuell, zeigt doch die unter dem Schlagwort "patchwork-Identität" gefasste Problematik die gegenwärtige Brüchigkeit nationaler Identitätsmuster auf. In Frankreich scheinen nationale Gedächtnisstätten, wie etwa der Louvre oder das Panthéon, noch zu "funktionieren", das heißt ihre Bedeutung ist Teil französischen Selbstbewusstseins. Italien kann zwar ebenfalls eine Fülle kultureller Denkmäler vorweisen, doch diese sind bereits von einem europäischen, wenn nicht gar globalen Anspruch vereinnahmt: europäisch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur griechisch-römischen Antike, global als Ziele eines realen und eines virtuellen Tourismus.
Eine gewissermaßen unreflektierte und letztlich naive Konzeption des kommunikativen Raumes, wie sie der traditionellen Dialektologie zugrunde liegt, erläuterte der Münchner Romanist Thomas Krefeld in seinem Vortrag Variation im AIS - Über die Ideologie der Sprachgeographen anhand des von Karl Jaberg und Jakob Jud verfassten Einführungsbandes zum Atlante italo-svizzero. Ideologische Voreinstellungen, insbesondere das Prinzip der "Bodenständigkeit", stehen dem modernen Anspruch eines Atlanten auf synchronische Erfassung der aktuellen Sprachwirklichkeit entgegen, verhindern sie geradezu.
Sprachlich gestiftete Identität stand - nun nicht national, sondern regional - im Mittelpunkt des Beitrags des Heidelberger Romanisten Andreas Michel zu Dialektaler Sach- und Gebrauchsprosa im Internet. Seit der 2. Hälfte des 90er Jahre haben sich zahlreiche dialektale Web-Zeitungen etabliert. Auch Newsgroups und Chat-rooms, in denen regionale Dialekte fröhliche Urstände feiern, erfreuen sich einer wachsenden Surfgemeinde. Bislang ist allerdings nicht abzusehen, ob es sich um eine kurzfristige Modeerscheinung oder aber um eine weitreichende Entwicklung handelt. So bleibt offen, inwieweit Dialekte im Internet als Merkmale eines Identitätsstrebens langfristig gelten können.
Trotz aller Themenvielfalt entspann sich eine fächerübergreifende Diskussion, in der die allen Vorträgen gemeinsame Identitätsproblematik zu einer lebhaften Zusammenschau fand.
Elke Waiblinger/Christine Ott
Rückfragen von Journalisten bitte an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).