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21.02.2003 09:44

Gemeinsam gegen die "Bronzekrankheit"

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Spitzenarbeit ohne High-Tech - Der Chef-Restaurator des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz verleiht den ältesten erhaltenen Großplastiken des Alten Ägypten neuen Glanz

    MAINZ/KAIRO. Christian Eckmann ist auf dem Sprung. Noch einmal geht es nach Kairo in das Ägyptische Museum. Ultraschallmeißel, Skalpell und Pinsel hat der Restaurator nicht im Reisegepäck, sondern eine Kamera. Zum Abschluss einer sechsjährigen, aufwändigen Restaurierung will Eckmann die Ergebnisse im Bild dokumentieren. Und die dürften eindrucksvoll werden. Denn der Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz (RGZM), ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft, hat den ältesten erhaltenen Großplastiken, die man überhaupt kennt, neuen Glanz verliehen. Vor kurzem wurden sie in Kairo ausgestellt. 4.300 Jahre alt sind die beiden Kupferstatuen, die vermutlich den Pharao Pepi I. darstellen.

    Zumindest bei der größeren Figur, die 1,74 Meter Höhe misst, gehen Wissenschaftler davon aus, dass es sich um den König der 6. Dynastie handelt, der circa von 2285 bis 2235 vor Christus regierte. Die kleine, 78 Zentimeter hohe Plastik fanden Archäologen im Torso der größeren Statue. Ob der "kleine" Pepi den Sohn des Pharaos oder aber den Herrscher selbst in jungen Jahren darstellt, ist noch nicht geklärt. Beide Figuren sowie ein aus Goldblech getriebener Falkenkopf wurden bereits vor über hundert Jahren aus der Tempelstadt Hierakonpolis geborgen. Seither konnten Besucher diese einzigartigen Zeugnisse pharaonischen Kunsthandwerks aus frühester Zeit im Ägyptischen Museum Kairo betrachten. Doch das, was sie sahen, waren Bildnisse, die immer mehr durch Korrosion verfielen und Archäologen nur wenig über ihre Geschichte verrieten. "Solange die Funde im Boden lagerten, waren sie vor all zu raschem Verfall geschützt. Zwar drangen Salze in die Objekte, aber im Laufe der Zeit hatte sich ein chemisches Gleichgewicht eingestellt", erläutert Restaurator Eckmann. Mit der Freilegung der Statuen und des Falkenkopfes erhielt die schleichende "Bronzekrankheit" einen neuen Schub. Die Objekte zeigen Ausblühungen, die durch Kupferchloride verursacht werden. Am Ende dieses Prozesses bleibt vom Metall nur noch grünliches Pulver übrig. Das durfte nicht passieren. Deshalb kam es 1996 zu einer Zusammenarbeit zwischen dem Mainzer Museum und dem Supreme Council of Antiquities in Kairo, um die Objekte zu sichern.

    Antike Oberfläche als Informationsträger

    Was Eckmann und sein Team in den vergangenen sechs Jahren in Kairo leisteten, war Handarbeit auf höchstem Niveau. "Mit High-Tech-Geräten kann man an solche absoluten Unikate nicht herangehen", so der Restaurator. Auch chemische Mittel sind tabu, weil sie zu größeren Schäden führen können. Also befreiten die Wissenschaftler mit Hilfe von Meißel und Skalpell die Statuen Quadratzentimeter für Quadratzentimeter von den Spuren des Verfalls. Von der Originalsubstanz Kupfer ist kaum etwas geblieben, der "Zahn der Zeit" hat es in Kupferoxide verwandelt. Entstanden ist ein Konglomerat aus uneinheitlichen grünen, rötlichbraunen und schwarzen Mineralien. "Uns ging es ja nicht nur darum, den Objekten wieder Glanz zu verleihen", erklärt Eckmann. "In erster Linie interessierte uns die ursprüngliche Oberfläche, weil dort wichtige Informationen verborgen sein können wie etwa Inschriften, Verzierungen, spezifische Techniken." Auffällig ist die Herstellungstechnik der Figuren. Sie wurden nicht gegossen, sondern aus Kupferblechen "getrieben". "Das ist eine technologische Besonderheit. Vermutlich konnten solche großformatigen Objekte zu jener Zeit noch nicht gegossen werden", so der Mainzer Restaurator. Die freigelegte antike Oberfläche brachte zwar keine Inschriften, aber zahlreiche interessante Details zutage: vergoldete Finger- und Fußnägel, anatomische Feinheiten des Gesichts, der Hände und Füße in einer fast naturalistischen Gestaltung, eine Kappe, die den Kopf des "kleinen" Pepi ziert, sowie Hinweise auf einen hölzernen königlichen Lendenschurz, den so genannten Schendit, den der "große" Pepi vermutlich aus statischen Gründen trug. Auch den Falkenkopf aus Goldblech restaurierte Eckmann. Im Archiv des Kairoer Museums fand er zudem die Fragmente des Körpers und konnte das gesamte Objekt wieder herstellen. Es ist ein Kultbild des Falkengottes von Hierakonpolis. Eckmann: "Ein Meisterwerk plastischer Kunst des Alten Reiches."
    (Abbildungen zum Thema über: eckmannrgzm@hotmail.com oder Tel. 06131/9124-0)

    Kontakt:
    Dr. Frank Stäudner
    Tel.: 0 30/20 60 49 42
    Fax: 0 30/20 60 49 55
    E-Mail: staudner@wgl.de

    Das Römisch-Germanische Zentralmuseum Mainz (RGZM) gehört zu den 80 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Forschungsmuseen. Die Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 950 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter: www.wgl.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.wgl.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Musik / Theater, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

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