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28.02.2003 11:53

24. bis 27. September 2003: Tagung der Uni-Kanzler in Chemnitz - Interview mit dem Bundessprecher

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Ein Treffen in stürmischen Zeiten
    Vom 24. bis 27. September 2003 tagen die Kanzler der deutschen Universitäten in Chemnitz

    In Vorbereitung dieser Jahrestagung sprach Mario Steinebach, Leiter der Pressestelle der TU Chemnitz, mit Thomas A. H. Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Bundessprecher der Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Universitäten.

    Der Sprecherkreis der Universitätskanzler hat sich entschieden, die nächste Kanzlertagung in Chemnitz durchzuführen. Was gab dafür den Ausschlag?

    Wir veranstalten unsere Tagung traditionsgemäß dort, wo es ein Jubiläum zu feiern gilt. Die Chemnitzer Universität feiert 2003 den 50. Jahrestag der Gründung der Hochschule für Maschinenbau. Der hiesige Kanzler Herr Alles bot an, die Tagung ausrichten zu wollen. Dem entsprachen wir gern.

    In Deutschland ändern sich die Rahmenbedingungen für Hochschulen nahezu jährlich. So fallen im Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung nun Schlagworte wie "Ranking", "Wissenschaftstarifvertrag" und "familienfreundliche Gestaltung der Hochschulen". Wie beurteilen sie diese Vorhaben?

    Ranking ist ein öffentliches Thema, dem wir uns nicht entziehen können. Problematisch waren bisher die Methoden, mit denen Hochschulvergleiche betrieben wurden. Das Forschungs-Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung zeigt jedoch, dass man damit arbeiten kann. In meiner eigenen Universität werden wir beispielsweise bei allen Sitzungen des Hochschulrates mit Ranking-Ergebnissen konfrontiert. Deren Bedeutung - insbesondere aus der Sicht der Industrie auf Hochschulen - wächst. Mit dem Thema Wissenschaftstarifvertrag werden sich die Universitätskanzler zunehmend beschäftigen. Dies wird voraussichtlich ein Schwerpunkt der Tagung in Chemnitz sein. Die familienfreundliche Gestaltung der Hochschulen ist ein wiederkehrendes Thema: Kinderbetreuung ist bisher, insbesondere im Westen, nicht als die Aufgabe der Universitäten betrachtet worden. Ich meine, man sollte in ganz Deutschland an Universitäten gerade für junge Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit schaffen, deren Kinder gut unterzubringen und zu betreuen, damit sich die jungen Frauen weiterhin der Wissenschaft widmen können.

    Stichwort Drittmittel. Hauptquelle der deutschen Universitäten ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft, gefolgt von Stiftungen und der Wirtschaft. Doch der Drittmittelfluss wird eingeschränkt. So beschloss die Bundesregierung, die Haushalte der Forschungsorganisationen, darunter auch den der Deutschen Forschungsgemeinschaft, mit einer "Nullrunde" auf dem Stand des Jahres 2002 einzufrieren. Was bedeutet das für die Universitäten?

    Das ist eine Katastrophe. Unsere Universität hat das unlängst am eigenen Leib gespürt, als ein hervorragend begutachteter Sonderforschungsbereich in der letzten Runde abgelehnt wurde. Ich denke, dass man jetzt ganz genau aufzeigen muss, welche langfristigen Folgen die Reduzierung der Forschungsfinanzierung Deutschlands haben wird.
    Wenn wir unsere Forschungsförderung, die ohnehin im internationalen Vergleich nicht Spitze ist, weiter reduzieren, werden wir einen weiteren "braindrain" erleiden, genau das, was die Politik eigentlich vermeiden will.

    In Niedersachsen erhalten die ersten Stiftungshochschulen mehrere Millionen Euro zum Aufbau von Strukturen zur Einwerbung privaten Kapitals. Zieht sich damit der Staat nach und nach aus seiner Verantwortung für den Bildungsbereich zurück, ist dies ein Signal für ganz Deutschland?

    Die Überlegungen in Niedersachsen sind sicherlich am weitesten fortgeschritten. Sie werden aber auch in anderen Ländern angestellt. Es gab unlängst im Bayerischen Landtag eine Anhörung, die sich speziell dem Thema alternative Finanzierungsquellen gewidmet hat. Erkennbar ist, dass der Staat zunehmend an seine finanziellen Grenzen stößt und versucht, andere in die Finanzierung wichtiger Aufgaben einzubinden. Weiterhin muss es jedoch ganz klar sein, dass die Finanzierung der Hochschulen eine staatliche Aufgabe ist, der sich der Staat nicht entziehen kann und nicht entziehen darf, wenn er nicht die Zukunft des Landes gefährden will. Beim PISA-Spitzenreiter, in Finnland liegt beispielsweise der Anteil der Forschungsausgaben von Staat und Wirtschaft am Bruttoinlandsprodukt bei 3,6 Prozent - in Deutschland sind es lediglich 2,4 Prozent.

    Sind Studiengebühren der Ausweg aus der Hochschulfinanzmisere?

    In den USA liegt der Anteil der Einnahmen aus den Studiengebühren am Gesamtbudget bei etwa 20 Prozent. Selbst wenn man in Deutschland hohe Studiengebühren ins Auge fassen würde, könnte man niemals die Universitäten voll finanzieren. Studiengebühren ohne eine soziale Absicherung sind für mich ebenso unvorstellbar. Diejenigen, die begabt sind, aber die Mittel für ein Studium nicht aufbringen können, müssen auch studieren können. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie man so etwas machen könnte. BAföG allein ist sicherlich nicht ausreichend. Bildungsgutscheine oder staatlich abgesicherte Darlehen könnten geeignete Wege sein.

    Der Hamburger Senat will Langzeit-Studenten und Meldemuffel zur Kasse bitten. Nur wer in der Metropolregion lebt, bleibt verschont. Was halten Sie von solch einem Vorschlag?

    Die Regionalisierung der Universitätsfinanzierung auf diese Weise ist bei Finanznot sicher nachvollziehbar, aber nicht besonders glücklich. Dass Langzeitstudenten zur Kasse gebeten werden, halte ich jedoch generell für einen richtigen Ansatz. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass dies zu einer Reduzierung der Studenten mit überlangen Studienzeiten führt, weil sich Studierende dann doch mehr bewusst sind, dass das, was sie während des Studiums in Anspruch nehmen, auch mit Kosten verbunden ist, und sich deshalb bemühen, das Studienziel zügig zu erreichen.

    Immer mehr Hochschulen führen einen Globalhaushalt ein - rechnen Sie mit einer bundesweiten Einführung?

    Die Länder sind unterschiedlich weit. Der Bund hat nicht die Kompetenz, den Ländern vorzuschreiben, dass sie einen Globalhaushalt für ihre Universitäten einführen müssen. Die Diskussion gibt es in unterschiedlichen Formen, man muss zwischen zwei Ansätzen unterscheiden: Der revolutionäre Ansatz, nämlich zu sagen, wir führen einen Globalhaushalt ein, der dann jedoch vom Staat immer mehr reduziert wird, so etwas kann man in einigen Ländern beobachten. Oder der evolutionäre Ansatz, wo man sagt, wir wollen keinen Globalhaushalt auf die Schnelle einführen, aber wir lockern die Restriktionen des Haushaltsrechts, machen die Mittel übertragbar zwischen den verschiedenen Titeln oder zwischen den Jahren. Solche Modelle gibt es auch, insbesondere dann, wenn man an die Begehrlichkeiten der Finanzminister denkt, die gern den Globalhaushalt mit globalen Kürzungen oder so genannten Effizienzdividenden verbinden. Da bietet der klassische Haushalt etwas mehr Schutz gegen derartige Zugriffe. Manche Universitäten haben auch schon schmerzliche Erfahrungen gesammelt. Wenn einen Globalhaushalt, dann nur mit ganz klaren Vereinbarungen zwischen Staat und Universitäten, wie in Baden-Württemberg.

    Welchem Reformansatz stehen sie näher: dem, Universitätsleitungen zu fördern, oder dem, den Lehrstühlen mehr Autonomie zu verleihen?

    Beides schließt sich nicht aus. Für mich liegt die Lösung darin, dass eine starke Hochschulleitung die Strategie bestimmt. Im täglichen Geschäft sollte man jedoch den Einrichtungen, ob das Lehrstühle oder Institute sind, eine möglichst große Freiheit im Wirtschaften geben. Vor 15 Jahren habe ich die Idee einer Universitäts-AG mit Fakultäts-GmbHs ins Spiel gebracht, also eine starke Zentrale, umgeben von starken Töchtern. Dies sind Überlegungen, die man heute häufig hört.

    Welche Aufgaben sollten in diesem Zusammenhang Kuratorien bzw. Hochschulräte übernehmen?

    Hochschulräte und Kuratorien sind im Hochschulgesetz verankerte Gremien mit bestimmten Zuständigkeiten und zugleich sehr effiziente Einrichtungen. Was nicht passieren darf, dass sich ein Kuratorium oder ein Hochschulrat intensiv in die akademischen Angelegenheiten einmischt. Dass diese Gremien jedoch darauf achten, wie ihre Universität im Wettbewerb steht, ist notwendig und legitim. Dies hilft oft auch der Hochschulleitung, Dinge auf den Weg zu bringen oder vielleicht etwas zu beschleunigen, um im Wettbewerb bestehen zu können. An manchen Standorten kann man derzeit ein Hineinregieren dieser Gremien in die Universität, möglichst noch unter Beteiligung der Presse, beobachten. Das ist nicht das, was man sich von solchen Gremien wünscht.

    Sind Zielvereinbarungen in Hochschulverwaltungen mittlerweile ein zunehmend angewandtes Management-Instrument?

    Wir befinden uns in einer Phase des Übergangs. Es gibt vielerorts Zielvereinbarungen sowohl zwischen Ministerien und Universitäten als auch zwischen Universitäten und ihren Einrichtungen. Je mehr man die Mittel budgetiert, desto mehr werden Zielvereinbarungen als ein vernünftiges Führungsinstrument eingesetzt.

    Vielen Dank für das Gespräch.


    Bilder

    Thomas A. H. Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Bundessprecher der Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Universitäten. Foto: Mario Steinebach
    Thomas A. H. Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Bundesspreche ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Thomas A. H. Schöck, Kanzler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Bundessprecher der Kanzlerinnen und Kanzler der deutschen Universitäten. Foto: Mario Steinebach


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