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06.03.2003 12:43

"Den Nagel auf den Kopf treffen." Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache

Dr. Annette Trabold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Deutsche Sprache

    Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim vom 11.-13. März 2003 behandelt das Thema "Wortverbindungen".

    Friede, Freude, ... ? Normalerweise fügen Sprecher spontan "Eierkuchen" hinzu, weil sich diese Wortkombination über die Jahre im deutschen Sprachraum eingebürgert hat und deshalb ganz automatisch immer dieselbe Assoziation hervorruft. Die Gebräuchlichkeit erlaubt aber ebenso, sprachspielerische Abwandlungen dieser Redewendungen wie "Friede, Freude, Freibier" oder "Friede, Freude, Kinderglück" "richtig" zu verstehen bzw. einzusetzen.
    Am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) gehen Sprachwissenschaftler auch solchen Phänomenen der deutschen Sprache auf den Grund. Die kommende 39. Jahrestagung des IDS (11.-13. März 2003) trägt das Motto "Den Nagel auf den Kopf treffen - Wortverbindungen mehr oder weniger fest". In den vergangenen Jahren haben sich die Jahrestagungen des IDS als international viel beachtete Expertenrunden fest etabliert. Auch in diesem Jahr werden wieder über 400 Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler aus über 20 Ländern erwartet.

    Man "trifft" eine Entscheidung, führt sich auf wie "Hund und Katze" - und wenn man zu spät kommt, dann "bestraft" einen halt das Leben. Hunde werden allerdings nicht an der "Schnur" geführt, auch "wäscht" man sich nicht die Zähne und man schüttet nicht die Oma mit dem Bade aus. Es wird deutlich: Wir verwenden beim Sprechen nicht einfach nur einzelne Wörter, die wir zu sinnvollen Sätzen oder Texten zusammenfügen. Zu einem Großteil benutzen wir, meistens unbewusst, allgemein übliche Wortkombinationen. Solche Mehrwortverbindungen werden schon von Kindheit an als zusammenhängende Einheiten erlernt und eingesetzt. Daher stellen Muttersprachler "richtige" und stimmige Verbindungen zumeist intuitiv her. Nicht-Muttersprachler hingegen stoßen hier auf Probleme: Es besteht stets die Gefahr, Kombinationsregeln zu verletzen, da diese von Sprache zu Sprache sehr unterschiedlich sind, sich selten 1:1 entsprechen. Wer also eine Fremdsprache lernt, muss auch Wortverbindungen lernen, vor allem, um eine angemessene Wortwahl zu treffen. Daher interessieren sich insbesondere Übersetzer und Fremdsprachenlehrer, aber auch professionelle Texter und Journalisten für die Forschungsergebnisse aus Mannheim.

    Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler an Methoden, um herauszufinden, welche Einheiten auf welche Weise in unseren Köpfen abgespeichert werden und damit in der Kommunikation einsetzbar sind. Im Zentrum der Sprachforschung stehen Fragen wie "Welche Wortverbindungen sind üblich, welche sind veraltet?", "Was bedeuten sie?", "Wie und in welchem Kontext werden sie verwendet?" und: "Sollten sie in ein Wörterbuch oder Lehrwerk aufgenommen werden?". Mit Befragungen nach dem Bekanntheitsgrad von Wortverbindungen oder psychologischen Assoziationstests können Antworten gefunden werden. Die stürmische Entwicklung der Computertechnologie - insbesondere beim Aufbau elektronischer Textdatenbanken - macht es mehr und mehr möglich, Sprachgebrauch anhand von Massendaten zu analysieren. Man kommt zu Aussagen zu aktuellen sprachlichen Phänomenen, z.B. darüber, wie häufig Wortverbindungen auftreten, wo und wann sie zum ersten Mal schriftlich auftauchen, in welcher Periode sie am häufigsten benutzt werden und ab welchem Zeitpunkt ihr Gebrauch wieder abnimmt.

    Am Institut für Deutsche Sprache wurden dafür neuartige mathematisch-statistische Methoden entwickelt, die für die Analyse der IDS-Korpora, der weltweit größten elektronischen Datenbank schriftlicher deutschsprachiger Texte, eingesetzt werden. Sie ermöglichen neue Einsichten in die Spezifik von Wortkombinationen und Redewendungen des Deutschen, vor allem von gebräuchlichen Verbindungen zwischen Wörtern, den so genannten "Kollokationen". Auf diese Weise findet man beispielsweise für das Wort "Kopf" typische Partnerwörter wie "schütteln", "gesenkt", "hochrot", "klug" und "führend". Mit diesen Methoden, so erklärt Dr. Kathrin Steyer, die am IDS Wortverbindungen erforscht, könne man sehr viel über die "Verwendungsumgebung" (den Kontext) eines Wortes und damit indirekt über das Wort selbst erfahren. Zum Kollokationsfeld von "Globalisierung" gehören beispielsweise Partnerwörter wie "Zeitalter", "Wirtschaft", "Folgen", "Märkte", "Herausforderungen", "Deregulierung", "Liberalisierung", "Angst", "Chance" oder "weltweite". Diese Wörter bilden thematische Cluster, die Auskunft darüber geben können, auf welche Weise Sprecher z.B. über "Globalisierung" reden.
    Bei der Datenbank-Analyse finden sich aber auch Partnerwörter, die auf Redewendungen hinweisen, wie "Mauer" - "Mauer in den Köpfen", "Sand" - "Kopf in den Sand stecken" oder "Nagel" - "den Nagel auf den Kopf treffen". Analysiert man zum Beispiel die Kollokationen des Substantivs "Hund", dann stößt man nicht nur auf den "dicken ...", "bunten ..." oder "krummen ...", sondern auch auf den "harten Hund", eine Bezeichnung, die oft für Sporttrainer und Führungskräfte verwendet wird. Kathrin Steyer: "Dabei können wir beobachten, dass die Bewertungen, die mit dieser Wendung verbunden werden, durchaus sehr unterschiedlich ausfallen. Wenn jemand als harter Hund bezeichnet wird, kann damit gemeint sein, dass er ohne Rücksicht auf seine Umgebung seine Ziele eiskalt durchsetzt, es wird aber auch als Anerkennung für konsequentes und erfolgsorientiertes Handeln verwendet."

    Mehr Informationen zur Entwicklung der deutschen Sprache und zur geplanten Jahrestagung erhält man beim IDS in Mannheim und im Internet unter http://www.ids-mannheim.de.

    Kontakt:
    Dr. Annette Trabold
    Tel.: 06 21/15 81-1 19
    Fax: 06 21/15 81-2 00
    E-Mail: trabold@ids-mannheim.de

    Das IDS gehört zu den 79 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.000 Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 820 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorien-tiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Inte-resse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.
    Näheres unter: http://www.wgl.de.


    Weitere Informationen:

    http://www.ids-mannheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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