idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
12.03.2003 18:24

Langstreckenzieher unter den Zugvögeln sind durch Klimaveränderung stark bedroht

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben festgestellt, dass Anzahl und Anteil der Langstreckenzieher bereits dramatisch zurückgegangen sind. Eine weitere Abnahme steht zu erwarten.

    Die Langstreckenzieher unter den Zugvögeln, die Europa im Herbst verlassen und südlich der Sahara im tropischen Afrika überwintern, sind durch die globale Klimaveränderung stark bedroht. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben festgestellt, dass infolge der wärmeren Winter in der Bodenseeregion sowohl Anzahl als auch Anteil der Langstreckenzieher wie Rauchschwalbe, Wendehals oder Gartenrotschwanz dramatisch abgenommen haben. Gleichzeitig nahmen Zahl und Anteil von Kurzstreckenziehern, die im Mittelmeerraum überwintern, und Standvögeln zu. "Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die zunehmend wärmeren Winter für die Langstreckenzieher eine größere Bedrohung darstellen als für andere Vogelgruppen", schreiben Nicole Lemoine und Katrin Böhning-Gaese in der neuen Ausgabe von "Conservation Biology" (Conservation Biology 17: 1-11).

    Ihre Ergebnisse, die die Wissenschaftlerinnen auch bei dem Workshop "Bird migration in relation to climate change" vom 13. bis 16. März in Konstanz vorstellen, zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und Veränderungen bei den Vogelgemeinschaften. "Die Langstreckenzieher scheinen eine der Gruppen im Tierreich zu sein, die besonders unter der globalen Erwärmung leiden", erklärt Böhning-Gaese. "Und der erwartete weitere Temperaturanstieg wird voraussichtlich noch einen weiteren Rückgang bei den Langstreckenziehern verursachen."

    Warum diese Vogelgruppe besonders unter der Klimaerwärmung leidet, lässt sich vermutlich mit dem Futterangebot erklären. "Standvögel müssen mit den hiesigen Bedingungen im Winter auskommen", erläutert Böhning-Gaese. Die Hälfte bis drei Viertel der Population stirbt über den Winter. Im Frühjahr können die überlebenden Tiere das dann reichliche Futterangebot nicht nutzen, so dass Zugvögel, die aus ihrem Winterquartier zurückkommen, ein ausreichendes Nahrungsangebot vorfinden. Durch höhere Wintertemperaturen haben Standvögel eine größere Überlebenschance, dadurch verringert sich das Futterangebot im Frühjahr und für die zurückkehrenden Zugvögel steht weniger zur Verfügung. Dies erklärt auch, weshalb Südosteuropa mit seinen kalten Wintern viele Langstreckenzieher beherbergt, während im Nordwesten unseres Kontinents, etwa in Irland, nur wenige zu finden sind.

    Bei ihren Untersuchungen haben Lemoine und Böhning-Gaese auf die Klimadaten für die Zeiträume 1979-1981 und 1989-1992 im Bodenseeraum zurückgegriffen. Dabei zeigte sich für den jeweils kältesten Wintermonat ein Temperaturanstieg um 2,4 Grad, während Temperatur und Niederschläge im Frühjahr nahezu unverändert blieben. Berechnungen, wie sich die Vogelpopulationen aufgrund des Temperaturanstiegs verändert haben könnten, stimmten mit den tatsächlich vorliegenden Daten zu den Bestandsveränderungen überein. "Der dramatische Rückgang bei den Langstreckenziehern lässt sich perfekt mit den beobachteten Klimaveränderungen erklären", so Böhning-Gaese. "Und anhand weiterer Untersuchungen für die Periode 2000-2002 gehen wir davon aus, dass sich der negative Trend fortgesetzt hat", sagt Lemoine. Auch wenn sich die Untersuchungen bislang auf die Bodenseeregion beschränken - insbesondere weil Hobbyornithologen hier eine hervorragende Datenbasis geschaffen haben -, so ist das festgestellte Muster auf ganz Europa zu übertragen.

    Dass die Langstreckenzieher, die bis zu ihrem Winterquartier 3.000 oder 4.000 Kilometer zurücklegen, auch durch andere Ereignisse in ihrer Zahl dezimiert werden, schließen die Forscherinnen nicht aus. "Die Jagd im Mittelmeerraum ist sicherlich ein Problem, vor allem für die größeren Vögel", sagt Böhning-Gaese. In Afrika wird der Lebensraum durch die höhere Bevölkerungsdichte und Überweidung eingeschränkt, die Bekämpfung von Heuschreckenplagen verringert das Nahrungsangebot zusätzlich. Um so wichtiger wäre es, dass die Vögel bei ihrer Rückkehr nach Europa eine intakte Kulturlandschaft vorfinden, die ihnen eine größere Überlebensrate sichert. "Streuobstwiesen wären für diese Vögel sicherlich sehr viel besser als eine intensive landwirtschaftliche Nutzung der Flächen mit Düngemittel- und Pestizideinsatz", so Böhning-Gaese.

    Kontakt und Informationen:
    Institut für Zoologie/Abteilung Ökologie
    Nicole Lemoine
    Tel. 06131/39-23950, -23856
    Fax 06131/39-23731
    E-Mail: lemoine@oekologie.biologie.uni-mainz.de

    Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese
    Tel. 06131/39-23949, -23856
    Fax 06131/39-23731
    E-Mail: boehning@oekologie.biologie.uni-mainz.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).