idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.03.2003 09:13

Gewappnet gegen unsichtbare Angreifer

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Die Angst vor Viren ist begründet - Schrecken des Bioterrorismus - Risiko Fernreisen - Schnelle Nachweisverfahren mindern das Epidemie-Risiko deutlich

    HAMBURG. Sie sind für das bloße Auge unsichtbar und dringen unbemerkt in den Körper ein: krankheitserregende Viren. Mit dem drohenden Angriff der USA auf den Irak wächst auch in Deutschland die Angst vor Vergeltungsschlägen durch Bioterroristen, die absichtlich Krankheiten verbreiten, um die Bevölkerung und damit auch die Regierung verfeindeter Länder an einer Stelle zu treffen, die nicht mit Panzern und Abfangjägern geschützt werden kann. Gefährliche Erre-ger gelangen aber auch auf "zivilem" Weg nach Europa. Der Massentourismus in exotische Länder ist zum Risikofaktor Nummer eins geworden. Tropenmediziner im Bernhard-Nocht-Institut arbeiten an der Entwicklung eines speziellen Diagnostik-Sets, mit dem Viren schnell und sicher nachgewiesen werden können - und das nicht nur in Spezialkliniken und -instituten, sondern direkt dort, wo eine Infektion auftritt. Das Projekt wird vom Bundesgesundheitsministerium im Rahmen des Programms zur Terrorbekämpfung unterstützt.

    Die meisten der in unseren Breiten früher tödlichen Krankheiten sind ausgerottet oder mit ein paar Pillen und drei Tagen Bettruhe ohne schwerwiegende Folgen zu behandeln. Dafür scheinen immer neue oder besiegt geglaubte Krankheiten bedrohlich in unser keimfreies Leben einzudringen. Realer als die Bedrohung durch einen bioterroristischen Angriff ist derzeit allerdings ein häufig unterschätztes Phänomen: Durch Massentourismus in Länder, die noch vor 50 Jahren als exotische Bilderbuchorte unerreichbar waren, werden Krankheiten eingeschleppt, die schwer zu behandeln sind, weil sie die westliche Welt bisher nicht betrafen und damit auch wenig erforscht sind. Andererseits haben sich auch Krankheiten, wie etwa die Kinderlähmung, die erst durch Reisende in andere Länder eingeschleppt wurden, dort erhalten und können für Europäer jetzt wieder eine Bedrohung sein, wenn der Impfschutz nachlässt. "Der letzte Poliofall in Deutschland wurde 1992 nachgewiesen. Es handelte sich um einen aus dem Ausland eingeschleppten Erkrankungsfall. Wenn man in ein asiatisches oder afrikanisches Land reist, in dem es noch häufig Polioerkrankungen gibt, sollte man auf jeden Fall seine Impfung auffrischen," rät Professor Herbert Schmitz, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg. Ein aktuelles Thema sind für ihn auch die tropischen Viren: "2001 hatten wir in Europa sogar mehr als einen Fall mit Verdacht auf Lassafieber." Die Krankheit, an der im Januar 2000 eine deutsche Studentin verstorben war, ist hochinfektiös, kommt aber nur in ländlichen Gegenden Westafrikas vor. Sie ist - ähnlich wie Ebola - mit schweren inneren Blutungen verbunden und lässt sich nur in der Frühphase therapieren. Eine Impfung existiert nicht. Hiesige Mediziner sind nun meist nicht dazu ausgebildet, solche Krankheiten rechtzeitig zu erkennen oder zu behandeln, deshalb bedarf es Referenzzentren, die auf diese Krankheiten spezialisiert sind.

    2002 wurde das zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende BNI in Hamburg vom Bundesgesundheitsministerium zum Nationalen Referenzzentrum für tropische Infektionserreger erklärt. Das Traditionsinstitut, das seit mittlerweile 100 Jahren die Erforschung und Behandlung tropischer Krankheiten zur Aufgabe hat, ist Ansprechpartner für Ärzte und Betroffene, berät aber auch die Bundesregierung in der Einschätzung der Bedeutung solcher Krankheiten. Um auf Bedrohungsszenarien, wie sie speziell im Zusammenhang mit dem Stichwort "Bioterrorismus" immer wieder gezeichnet werden, angemessen reagieren zu können, muss vor allem Information in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Regierungen sind darauf angewiesen, dass solche Informationen zentral gesammelt und weiter bearbeitet werden.

    Ein Angriff beispielsweise mit Pocken ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Die Krankheit zeigt sehr spezifische Symptome und würde deshalb wahrscheinlich schnell erkannt und bekämpft werden können. Bei rechtzeitiger Isolierung und Behandlung der Betroffenen, wie es auf der Isolierstation des BNI geschehen könnte, sowie schneller Impfung aller Kontaktpersonen wäre die Krankheit wahrscheinlich rasch unter Kontrolle zu bringen. Eine Erkrankung würde außerdem nicht mit einem großen, medienwirksamen Knall, sondern schleichend einsetzen, da von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit im Fall von Pocken ein Zeitraum von 7 bis 19 Tagen liegt. Damit wäre auch ein Eingrenzen der Infektion auf Gebiete, die Terroristen mit einem Anschlag besonders treffen möchten, praktisch unmöglich. Für eine Infektion mit dem Milzbranderreger Anthrax gilt Ähnliches. Die schnelle Identifizierung der Krankheit ist in jedem Fall eine entscheidende Voraussetzung dafür, eine ernsthafte Bedrohung zu verhindern.

    Die Wissenschaftler des BNI können deutschlandweit die größte Zahl von Erregern nachweisen, insbesondere seltene wie Pocken-, Ebola- oder Lassaviren. Das Institut hat sich aber auch auf die Entwicklung neuer, schnellerer Nach-weisverfahren, insbesondere für eventuell bioterroristisch nutzbare Infektionserreger, spezialisiert. Dieses Projekt wird vom Bundesgesundheitsministerium im Rahmen eines Programms zur Terrorbekämpfung gefördert. So hat das BNI beispielsweise nach den Milzbrandattentaten in den USA im Herbst 2001 schnell ein molekulares Nachweisverfahren entwickelt.

    Aber auch für durch Touristen oder Migranten nach Deutschland kommende Krankheiten, wie etwa das Dengue-, das West-Nil-Fieber oder besonders häufig Malaria, müssen Nachweisverfahren und Behandlungsmethoden bereitgestellt werden. Mit seinem Hochsicherheitslaboratorien und der Isolierbettenstation bietet das BNI ideale Vorraussetzungen für genaueste Untersuchungen. Eine schnelle und sichere Diagnose sollte aber im Ernstfall nicht nur an spezialisier-ten Instituten gelingen sondern auch dort möglich sein, wo eine Erkrankung auftritt, sei es in Deutschland oder im Ausland. Deshalb entwickelt das BNI in Kooperation mit der artus GmbH Diagnostik-Sets, so genannte PCR-Kits. Die PCR oder Polymerasekettenreaktion ist eine molekulare Technik, mit deren Hilfe schon geringste Mengen von Erbsubstanz entdeckt werden können. Zurzeit arbeiten die BNI-Wissenschaftler an einem Set für den Nachweis von Ebola-Viren.

    Kontakt im BNI:
    Dr. Barbara Ebert
    Tel.: 040 / 42818-525
    Fax: 040 / 42818-400
    barbaraebert@bni-hamburg.de

    Fragen zur Leibniz-Gemeinschaft:
    Dr. Frank Stäudner
    Tel.: 0 30/20 60 49 42
    Fax: 0 30/20 60 49 55
    Mobil: 0174/318 90 36
    staudner@wgl.de


    Das Bernhard-Nocht-Institut Hamburg (BNI) gehört zu den 80 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und For-schungsmuseen. Die Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 950 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.


    Weitere Informationen:

    http://www.bni.uni-hamburg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).