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20.03.2003 10:06

Zwischen Pisa-Auftrag und Ganztagsbetreuung für alle

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Dienstleistungen für Kinder - Fachtagung am Institut Arbeit und Technik erörterte Handlungsfelder und Perspektiven - Neuer IAT-Forschungsschwerpunkt "Bildung und Erziehung im Strukturwandel" stellt sich vor

    Mit der Einführung von Bildungs- und Erziehungsplänen kommen auf Kindergärten und Tagesstätten in Deutschland erhebliche neue Anforderungen zu. Nach dem "Pisa-Schock" steht der Bildungsauftrag im Mittelpunkt, gleichzeitig sollen längere und flexiblere Betreuungszeiten helfen, dass Mütter Familie und Beruf besser vereinbaren und erwerbstätig sein können. "Dienstleistungen für Kinder" - von der Betreuung in KiTa oder Schule über (vor)schulisches Lernen und Kompetenzvermittlung, Begleitung des Kindes, "das sich die Welt erschließt" bis zur Arbeit am sozialen Brennpunkt - waren Themen einer Fachtagung im Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen. Veranstaltet wurde die Tagung von der Hans-Böckler-Stiftung und dem neu gegründeten Forschungsschwerpunkt "Bildung und Erziehung im Strukturwandel (BEST)" am IAT, der damit gleichzeitig ein zentrales Arbeitsfeld seiner Forschungsaktivitäten vorstellte.

    Mit der These, dass der forcierte Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen nicht im Interesse der Kinder, sondern vielmehr ihrer Eltern erfolge, provozierte der Erziehungswissenschaftler Dr. Hans Rudolf Leu vom Deutschen Jugendinstitut (München). Die Institutionalisierung grenze die Kinder eher aus, um das Leben der Erwachsenen nicht zu stören, in der Spielzeugwelt blieben wichtige Erfahrungen der Erwachsenenwelt außen vor. Deshalb müsse sich der Kindergarten öffnen als "Nachbarschaftszentrum", stärker mit den Eltern zusammenarbeiten, Bildungsförderung nicht für sondern mit den Kindern betreiben, seine geleistete Arbeit qualitativ überprüfen. Für diese Anforderungen müssten aber auch die Erzieher/innen besser qualifiziert werden, "die bisherige Ausbildung in Deutschland reicht nicht aus, insbesondere im Vergleich mit anderen EU-Staaten", so Leu.

    Die Kinder stundenweise "abgeben" zu können und "in guten Händen zu wissen" steht für manche Eltern im Vordergrund einer Betreuung in Kindergarten oder Tagesstätte. Um dem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht zu werden, schlägt das IAT "Kernzeiten" für die Betreuung vor. Denn weder der klassische Kindergarten noch "Standardangebote" zur Ganztagsbetreuung von Kindern berufstätiger Eltern decken den Bedarf hinreichend ab: Die Arbeitszeiten werden immer vielfältiger, Wochenend-, Abend- und Nachtarbeit nehmen zu, Teilzeitjobs beschränken sich immer weniger auf den Vormittag, sondern finden in mehr als der Hälfte der Fälle zu unterschiedlichen Zeiten statt. "Die Betreuungsangebote müssen flexibler werden und auch Randarbeitszeiten und wechselnden Bedarf während der Woche einschließen", stellte Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Leiterin des Forschungsschwerpunktes BEST, fest. Das klassische Muster einer reinen Vormittagstätigkeit trifft nur für ein gutes Drittel der Teilzeitbeschäftigten zu. 71 Prozent der westdeutschen und immerhin 55 Prozent der ostdeutschen Mütter wünschen sich flexiblere Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Somit ist es dringend notwendig, zusätzliche Angebote zu entwickeln, insbesondere für die "Randzeiten", etwa am späten Nachmittag/frühen Abend bis ca. 19.00/20.00 Uhr und am Samstag. Bei der Gestaltung solcher Angebote ist besonders wichtig, dass sie zeitlich flexibel genutzt werden können. Wenn etwa eine Mutter zweimal wöchentlich bis 18.30 Uhr im Einzelhandel arbeitet, gibt es keinen Grund dafür, dass ihr Kind an allen Wochentagen so lange in der Einrichtung bleibt. Gebraucht wird vielmehr die Möglichkeit, Betreuung für bestimmte Tage und Zeiten zu "buchen". Für die Kindergartengesetze in vielen Bundesländern erfordert dies eine Umorientierung.

    Ein weiterer Themenkomplex befasste sich mit der Frage, wie Kindern und Familien bei sozialen Problemen zu helfen ist? Die IAT-Wissenschaftlerin Karin Esch plädierte hier für eine "neue Kompensatorik": "Ungleiches ungleich behandeln". Anders als die gescheiterten kompensatorischen Bildungsmaßnahmen Ende der 70er Jahre, die wenig nachhaltig wirkten und auf Chancengleichheit auf Mittelschichtsniveau zielten, sollen die Maßnahmen das Individuum befähigen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen, unabhängig vom sozialen Hintergrund. Sozial Benachteiligte sollen nach Zielgruppen und ihren Bedürfnissen gefördert werden. Das bedeutet auch erhöhte Fördermittelzuweisungen in Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf. Um Defizite zu beheben und gar nicht erst aufkommen zu lassen, müssen Vorbeugung und Behandlung gleichzeitig beginnen. Durch Vernetzung der Akteure aus Bildungs-, Jugend- und Familienbereich können Synergieeffekte gewonnen werden. Eine offensive Integrationspolitik - mit Sprachförderung für alle nicht-deutsch-sprachigen Mitbürger -, Qualitätssicherung und Frühwarnsysteme in allen Bildungssegmenten sind weitere Vorschläge und Handlungsempfehlungen.

    Die Beiträge der Fachtagung sollen in einem Buch beim Verlag Leske und Budrich veröffentlicht werden und im zweiten Halbjahr 2003 im Buchhandel erhältlich sein.

    Für weitere Fragen stehen
    Ihnen zur Verfügung:
    Karin Esch
    Durchwahl: 0209/1707-283
    Dr. Sybille Stöbe
    Durchwahl: 0209/1707-130

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen
    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


    Weitere Informationen:

    http://www.iatge.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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