Köln. Die Herausbildung des Schlaf- oder Chronotyps zeigt sich bereits im Kindesalter. Einige Studien diskutieren hierbei genetische Einflüsse. „So zeigen diese, dass Eltern mit einer Morgenorientierung, mit höherer Wahrscheinlichkeit Kinder bekommen, die eine Morgenorientierung aufweisen als Eltern, die dem Abendtyp zuzuordnen sind“, erklärt Prof. Dr. Angelika Schlarb, Kinder- und Jugendpsychologin an der Uni Bielefeld. Während des Erwachsenwerdens verändert sich jedoch meist diese Präferenz, so sind in der Regel Jugendliche eher abendorientiert und oftmals spät abends noch hellwach während ihre Eltern bereits müde oder sogar schon schlafen gegangen sind.
„Diese jugendliche Abendorientierung ergibt sich bei vielen durch die körperliche Umstellung, bei der im Jugendalter das Schlafhormon Melatonin erst später ausgeschüttet wird und somit werden die Jugendlichen dann auch erst später müde und schläfrig. Dies gilt besonders für Jungen“, erzählt Angelika Schlarb. Mit ca. 20 Jahren kehrt dann meist die ursprüngliche Tendenz wieder zurück und diejenigen, die zuvor Morgentypen waren, werden dies dann auch wieder.
Doch die Zeit als „nachtaktive Eule“ birgt Risiken: Kinder und Jugendliche mit einer ausgeprägten Abendorientierung weisen oftmals eine geringere Stresstoleranz sowie einen höheren Reizbarkeitsgrad auf als ihre morgenorientierten Altersgenossen. Zudem sind die Schulleistungen meist schlechter als bei den Morgentypen. Das überrascht nicht, wenn man überlegt, dass diese Kinder und Jugendlichen in der Regel später ins Bett gehen, jedoch am nächsten Morgen wieder früh aufstehen müssen, um in die Schule zu gehen. „Dieser dadurch hervorgerufene „social jetlag“ bewirkt bei nicht wenigen eine emotionale Instabilität mit höherer Reizbarkeit und mehr emotionaler Belastung sowie geringeren Konzentrations- und Schulleistungen. Darüber hinaus „lungern“ Jugendliche mit ausgesprochener Abendorientierung eher herum, rauchen und konsumieren auch eher Alkohol oder Drogen als diejenigen, die eine solche ausgeprägte Orientierung nicht aufweisen“, sagt die Bielefelder Schlafforscherin. Jugendliche mit Schlafstörungen und einer solchen Abendorientierung weisen deutlich mehr psychische Symptome auf als Jugendliche ohne diese zusätzliche Orientierung. Somit kann insgesamt eine ausgeprägte Abendorientierung ein Risikofaktor für die weitere Entwicklung des Jugendlichen sein.
In der Regel findet man zwischen Schlafstörungen und psychiatrischen Erkrankungen einen Zusammenhang: Es zeigen sich Verbindungen von Schlafstörungen zu emotionalen und Verhaltensauffälligkeiten. Darüber hinaus ist bei auftretenden Schlafschwierigkeiten das Risiko für weitere psychische, soziale und medizinische Risiken zu erwarten. „In bisherigen Studien zeigte sich unter anderem ein erhöhtes Risiko für Verhaltensprobleme bei Kindern mit Schlafschwierigkeiten“, erläutert die psychologische Psychotherapeutin Julia Grünwald, die sich in ihren Untersuchungen an der Universität Tübingen, mit der Frage beschäftigt, ob Kinder mit Störung des Sozialverhaltens ein individuelles Muster an Schlafschwierigkeiten aufweisen. Als Studienkollektiv wurde eine Gruppe von Kindern gewählt, die sich aufgrund einer diagnostizierten psychischen Störung in psychotherapeutische Behandlung begaben. „Entsprechend bisherigen Befunden zeigte sich am Gesamtkollektiv der untersuchten Kinder, dass diese im Vergleich zu gesunden Stichproben ein erhöhtes Maß an verschiedenen Schlafbeschwerden aufwiesen“, konnte Julia Grünwald feststellen. Auch zeigte sich, dass Kinder mit einer Störung des Sozialverhaltens oder ADHS insgesamt weniger zu schlafen schienen und mehr Schwierigkeiten mit dem Schlafen hatten. In einer weiteren Studie, an der 2000 Studenten an einer Online-Befragung zu Schlaf, Aggression und psychischer Belastung teilnahmen, wurde der Zusammenhang zwischen Chronotyp, ADHS-Symptomatik, Aggression und Impulsivität untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Studenten mit einer Abendorientierung eine erhöhte Neigung zu einer ADHS-Symptomatik aufweisen.
Die Schlafmedizin hat in den vergangenen Jahren eine Reihe erstaunlicher Zusammenhänge zwischen Schlafverkürzung, Schlafstörung und Schlaf zum falschen Zeitpunkt einerseits sowie Störungen des circadianen Systems und deren Konsequenzen für die allgemeine Gesundheit andererseits vorgestellt. Damit ergeben sich neue Perspektiven für eine Vielzahl von Erkrankungsbildern, auch bei denen Schlaf bislang nicht im Fokus stand. Die 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) befasst sich mit den Auswirkungen von unzureichendem und nicht erholsamem Schlaf auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen. Vom 4. bis 6. Dezember 2014 werden im Congress-Centrum Ost Koelnmesse in Köln unter dem Leitthema „Schlaf und Rhythmus“ zur größten europäischen Tagung dieses Fachgebietes über 2000 Mediziner und Wissenschaftler erwartet. Das gesamte Programm der Jahrestagung ist ersichtlich auf der Homepage www.dgsm-kongress.de. Medienvertreter sind herzlich eingeladen die 22. Jahrestagung der DGSM im Dezember in Köln zu besuchen.
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