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07.11.2014 11:00

Wegen starrem Panzer atmen Schildkröten mit Muskelkraft

Bettina Jakob Kommunikation
Universität Zürich

    Der Panzer der Schildkröten ist einmalig im Tierreich. Um in dieser unbeweglichen Schale atmen zu können, besitzen Schildkröten eine am Panzer befestigte Muskelschlinge. Ein Forscherteam, dem der Paläontologe Torsten Scheyer von der Universität Zürich angehört, kann nun zeigen, dass bereits der Schildkröten-Vorläufer Eunotosaurus africanus mit Hilfe einer solchen Schlinge atmete – obschon er noch keinen festen Panzer besass. Die Muskelschlinge war somit die anatomische Voraussetzung, damit der starre Schildkröten-Panzer entstehen konnte.

    Die ausgestorbenen Vorfahren der heutigen Schildkröten hatten einen beweglichen Brustkorb und atmeten so wie wir, indem sich Lunge und Brustkorb abwechselnd ausdehnten und zusammenzogen. Mit der Entwicklung einer festen Panzerschale an Rücken und Bauch wurde ein solcher Atmungsvorgang unmöglich. Die heutigen Schildkröten atmen nun mit Hilfe einer Muskelschlinge, die am Panzer befestigt ist und durch deren Kontraktion und Entspannung die Lungen belüftet werden. Ein internationales Forscherteam von nordamerikanischen, afrikanischen und europäischen Instituten und Museen hat nun den Ursprung dieser Muskelschlinge gefunden: Bei Eunotosaurus africanus, einem fossilen Reptil, das vor rund 260 Millionen Jahren in der mittleren Permzeit in Südafrika gelebt hatte. Das zeigt die Studie, die nun in Nature Communications publiziert ist.

    Eunotosaurus besass noch keinen starren Bauch- und Brustpanzer wie moderne Schildkröten, sondern lediglich stark verbreitete, sich teilweise überlappende T-förmige Rippen. «Diese schränkten die Bewegungsfähigkeit des Brustkorbs aber bereits stark ein», erklärt Torsten Scheyer vom Paläontologischen Institut der Universität Zürich, der an der Studie mitbeteiligt ist. Anhand der inneren und äusseren Knochenstrukturen der Rippen sei ersichtlich, dass Eunotosaurus nur noch eine reduzierte Rückenmuskulatur, dafür aber bereits eine der Atmung dienende Muskelschlinge besessen hatte. «Das kleine fossile Reptil liefert somit die Erklärung, wie es zur lebensnotwendigen Anpassung des Atmungsapparates in der Schildkrötenevolution kommen konnte», so der UZH-Paläontologe.

    Muskelschlinge ermöglicht Entwicklung der Panzerung

    «Eunotosaurus ist ein morphologisches Bindeglied zwischen dem Körperbauplan früher Reptilien und dem hoch modifizierten Bauplan der heute lebenden Schildkröten» erläutert Scheyer. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten die Rippenplatten von Schildkrötenpanzern sowie die Rippen verschiedenster fossiler und heute lebender Wirbeltiergruppen untersucht, darunter Säugetiere, Krokodile und auch Dinosaurier. Der Studienleiter Tyler Lyson von der Smithsonian Institution in Washington D.C., und dem Naturhistorischen Museum in Denver, Colorado, ergänzt, dass «feste Panzerschalen nach heutigem Kenntnisstand erst 50 Millionen Jahre nach Eunotosaurus bei fossilen Stammschildkröten erstmals aufgetreten sind».

    Die Studie zeigt, dass das kontinuierliche Versteifen der Körperwand eine Funktionsteilung der Rippen und der abdominalen Atmungsmuskulatur eingeleitet hat: Die zunehmende Verbreiterung und Versteifung des Rumpfes führte dazu, dass die Rippen weniger am Atmungsvorgang beteiligt waren, während die Muskeln diese Rolle immer mehr übernahmen. «Damit wurden die Rippen frei und später komplett in die Panzerschale der Schildkröten integriert», so Torsten Scheyer.


    Literatur:
    Lyson, T. R., E. R. Schachner, J. Botha-Brink, T. M. Scheyer, M. Lambertz, G. S. Bever, B. Rubidge, and K. de Queiroz.Origin of the unique ventilatory apparatus of turtles. Nature Communications. November 7, 2014. 5:5211. doi:10.1038/ncomms6211


    Kontakt:
    Dr. Torsten M. Scheyer
    Universität Zürich
    Paläontologisches Institut und Museum
    8006 Zürich
    Tel. +41 44 634 23 22
    E-Mail: tscheyer@pim.uzh.ch

    Bettina Jakob
    Media Relations
    Universität Zürich
    Tel. +41 44 634 44 39
    E-Mail: bettina.jakob@kommunikation.uzh.ch


    Weitere Informationen:

    http://www.mediadesk.uzh.ch


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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