Institut Arbeit und Technik untersuchte Situation älterer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt
Wenn alle Wege in den Vorruhestand verstopft werden, steigt in der gegenwärtigen Wirtschaftslage nur die offizielle Arbeitslosigkeit. Die erwünschte Kehrtwende weg von der Vorruhestandspraxis zu wieder längerer Lebensarbeitszeit kann kurzfristig nicht eingeleitet werden. Denn die durch die Bevölkerungsentwicklung bedingte Verknappung von Arbeitskräften ist erst in zehn Jahren zu erwarten. Zu diesen Schlussfolgerungen kommt der Arbeitsmarktexperte Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen), in einer Studie für die Europäische Union zur Situation älterer Arbeitnehmer.
Der Vorruhestand, ursprünglich geschaffen, um die geburtenstarken Jahrgänge in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Beschäftigungsabbau bei Unternehmenskrisen sozial abzufedern, ist zu einer der populärsten Formen der Lebensarbeitszeitverkürzung geworden. Fast alle Großbetriebe - wachsende wie schrumpfende, notleidende und hochprofitable Betriebe - machten kräftig von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Belegschaften mit öffentlicher Hilfe zu verjüngen. Gegenüber den frühen siebziger Jahren hat sich die Erwerbsquote der Älteren halbiert. Nur 37,7 Prozent der 55- bis 64-jährigen Männer sind noch beschäftigt. Unter den Arbeitslosen über 55 Jahren beabsichtigten Mitte der 90er Jahre nur 13,9 Prozent, in Zukunft wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.
Die Finanzprobleme der Rentenkassen leiteten die Wende ein: der sogenannte Altersquotient, also das Verhältnis der Bevölkerung über 65 Jahre zu der Bevölkerung im Erwerbsalter, ist von 1990 noch 21,6 Prozent auf heute 24,5 Prozent gestiegen, bis 2010 werden 30,3 Prozent erwartet. Der Politikwechsel zu einer höheren Erwerbsbeteiligung Älterer ist jedoch schwierig angesichts der ausgeprägten Frühpensionierungsmentalität und der Situation am Arbeitsmarkt. Die immer wieder vorausgesagten demographisch bedingten Engpässe am Arbeitsmarkt sind bislang nicht aufgetreten und die Arbeitslosigkeit bleibt nach Prognosen von Experten weiter hoch mit 8,9 Prozent für 2010 und immer noch 6,6 Prozent im Jahr 2020.
In allen Prognosen wird zwar langfristig mit einem Trendumbruch in der Erwerbstätigkeit Älterer gerechnet. Die Abschläge beim vorzeitigen Bezug einer Rente und die Heraufsetzung des Mindestalters könnte jeden fünften Erwerbstätigen zwischen 60 und 65 dazu bringen, weiter zu arbeiten. Damit verschiebt sich auch die Altersstruktur des Erwerbspersonenpotenzials. Das Durchschnittsalter steigt von heute 39,6 auf 41,7 Jahre im Jahr 2020. Die Altersgruppe der über 55-Jährigen wird dabei um über 50 Prozent zunehmen. Was langfristig als sicher gilt, erreicht die Akteure am Arbeitsmarkt nur zögerlich:. Erst 4 Prozent der Betriebe sehen die Überalterung ihrer Belegschaften als personalpolitisches Problem in den nächsten Jahren.
Die Politik handelt hier widersprüchlich: Zum einen wird die Verlängerung der Lebensarbeitszeit angestrebt, gleichzeitig allerdings auch die Alterstteilzeit gefördert, die keine Teilzeit sondern ein vorgezogener Ruhestand ist. "In der Krise bleibt der Politikwechsel schwierig. Deutschland wird noch einige Jahre das Ventil Vorruhestand brauchen", so Bosch. Der nächste Aufschwung wird die Chancen zur Trendwende verbessern. Die Übergangsfristen bei der Erhöhung des Rentenalters sind fast alle abgelaufen, die neuen Vorschriften des "Job-Aqtiv-Gesetzes" und der Gesetze "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" sowie das Programm "50 plus" der Bundesanstalt für Arbeit können greifen. "Vieles wird davon abhängen, ob die Politik nicht wieder rückfällig wird. Da der Vorruhestand so populär ist und Politiker wiedergewählt werden müssen, ist das nicht auszuschließen".
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