IWH-Forschungsreihe 5/1998
Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Finanzkrise in Rußland treten soziale Spannungen zu Tage, die in den Bergarbeiterstreiks kulminierten. Sie sind nach Auffassung des IWH eine Folge verfehlter Lohn- und Einkommenspolitik der russischen Regierung.
Der anhaltende Rückgang der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung und fallende Realeinkommen gingen seit Beginn der Transformation in Rußland mit einer überaus starken Einkommensdifferenzierung einher. Die realen Geldeinkommen sanken seit Reformbeginn 1990 bis 1997 auf etwa 70 vH, die Löhne sogar auf nur noch 46 vH. Rußland unterscheidet sich im Tempo und im Niveau der Einkommensungleichheit von fast allen mittel- und osteuropäischen Tranformationsländern.
Die 10 vH der Bevölkerung mit den geringsten Pro-Kopf-Einkommen verfügten 1997 nur über 2,4 vH der Gesamteinkommen, während die 10 vH mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen das 13fache erhielten. Bei den Löhnen unterschieden sich 1996 die Einkommen beider Gruppen sogar um das 24-fache. In einzelnen Branchen erhielten 1996 mehr als die Hälfte der Beschäftigten einen Monatslohn unterhalb der Armutsgrenze. Die soziale Lage der Lohnempfänger wurde noch dadurch verschärft, daß in den letzten Jahren die Summe der nicht ausgezahlten Löhne unablässig stieg. Die Lohnrückstände erreichten Anfang Juni 1998 etwa 66,6 Mrd. Rubel (ca. 11 Mrd. US-Dollar). Verschiedene Zusagen seitens der Regierung, die ausstehenden Löhne zu zahlen, wurden nicht erfüllt.
Der Anteil der bezogenen Sozialleistungen an den Geldeinkommen blieb relativ gering und reichte nicht aus, die Armut wirksam zu mildern. Das Armutsniveau lag nach der offiziellen Statistik bei über 20 vH der Bevölkerung. Nach Maßstäben der UNO, die ein Pro-Kopf-Einkommen von 4 US-Dollar pro Tag (nach Kaufkraftparität) für Länder mit mittleren Einkommen zugrunde legt, war das Armutsniveau 1997 sogar fast doppelt so hoch.
Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle kommt in seiner Studie zu dem Schluß, daß die Hauptrichtung der weiteren Wirtschafts- und Einkommenspolitik in erster Linie in der grundlegenden Veränderung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen bestehen muß. Bedingungen für eine wettbewerbs- und leistungsgerechte Entlohnung der Arbeitnehmer gehören ebenso wie die Einschränkung direkter staatlicher Eingriffe in die Preis- und Einkommensbildung dazu. Große Bedeutung haben die Stärkung der Tarifautonomie und die Verringerung der gravierenden sektoralen und regionalen Einkommensdisparitäten. Unaufschiebbar schließlich sind die Aufgaben zu Gewährleistung sozialer Mindeststandards.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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