Um sich im Körper ihres Wirts auszubreiten, haben krankmachende Erreger einige Strategien parat: Das Bakterium Yersinia pseudotuberculosis befällt zum Beispiel erst den Darm und gelangt anschließend über das Lymphsystem in Leber und Milz. Biotechnologen der Saar-Uni um Professor Christoph Wittmann und René Bücker haben den Mikroorganismus in einer aktuellen Studie näher untersucht. Sie haben nun erstmals gezeigt, dass auch Stoffwechselprozesse darüber entscheiden, ob der Keim uns krank machen kann. Ihre Arbeit wurde gerade in der renommierten Fachzeitschrift „The Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht.
Das Bakterium Yersinia pseudotuberculosis kann unter anderem schwere Darmerkrankungen hervorrufen. Es ist eng verwandt mit dem Erreger der Pest (Yersinia pestis), der auch heute noch zu Infektionen und Todesfällen führt. Die Saarbrücker Wissenschaftler um Professor Christoph Wittmann und René Bücker vom Institut für Systembiotechnologie der Saar-Uni erforschen, wie und warum sich Yersinia pseudotuberculosis im Körper ausbreiten kann. Das pathogene Bakterium durchdringt die Wand des Darms, um über das Lymphsystem tiefere Gewebe und sogar innere Organe zu befallen. Dabei ist es stets in der Lage, sich schnell an die ändernden Bedingungen im Körper anzupassen.
„Wir möchten die grundlegenden Mechanismen des gefährlichen Erregers verstehen, um dabei möglichst Schwachstellen in seiner Verteidigung für zukünftige Therapieansätze aufzudecken“, erklärt René Bücker. Der promovierte Biotechnologe ist Erstautor der aktuellen Studie. Der Ansatzpunkt der Wissenschaftler: Sie beschäftigen sich mit dem Stoffwechsel der Mikroorganismen.
Zusammen mit Forscherkollegen um Professorin Petra Dersch vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig haben sie nun untersucht, was passiert, wenn sie gezielt in den Stoffwechsel des Keims eingreifen. „Mit Hilfe neuartiger systembiologischer Analysen unserer Arbeitsgruppe konnten wir das Bakterium in seiner ganzen Komplexität studieren“, sagt Christoph Wittmann. Dabei zeigte sich, dass der Zitronensäure-Zyklus im Stoffwechsel von Yersinia eng mit dessen Virulenz-Programm verzahnt ist. „Der Zyklus spielt eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung der Zelle“, ergänzt Bücker.
Aufbauend auf ihren Erkenntnissen haben die Wissenschaftler den Zitronensäure-Zyklus bei den Bakterien an verschiedenen Stellen manipuliert und anschließend in Tierversuchen untersucht, welche Folgen dies mit sich bringt. „Varianten des Bakteriums mit einem gestörten Zyklus waren deutlich weniger infektiös. Mäuse, die mit den veränderten Bakterien infiziert wurden, erkrankten wesentlich seltener“, so Bücker weiter.
Die Ergebnisse zeigen, dass es bei Yersinia pseudotuberculosis einen Zusammenhang zwischen dem Stoffwechsel und der Pathogenität gibt. Die Forscher können dies nutzen, um etwa maßgeschneiderte Therapien gegen den Mikroorganismus zu entwickeln. Darüber hinaus können die Erkenntnisse der Studie zum Teil auf den Pest-Erreger übertragen werden.
Das Forschungsprojekt fand im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1316 „Wirtsadaptierter Metabolismus von bakteriellen Infektionserregern“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft statt. Die Studie wurde gerade in der renommierten Fachzeitschrift „The Journal of Biological Chemistry“ veröffentlicht: „The pyruvate - tricarboxylic acid cycle node: a focal point of virulence control in the enteric pathogen Yersinia pseudotuberculosis”
DOI: 10.1074/jbc.M114.581348
Hintergrund
Die Wissenschaftler des Instituts für Systembiotechnologie an der Universität des Saarlandes arbeiten an mikrobiologischen Verfahren, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe Chemikalien und Wirkstoffe produzieren. Darüber hinaus erforschen sie medizinisch relevante Mikroorganismen, um neue Therapiemöglichkeiten zu entwickeln.
Fragen beantworten:
Professor Christoph Wittmann
Institut für Systembiotechnologie
E-Mail: christoph.wittmann(at)uni-saarland.de
Tel.: 0681 302 71971
Dr.-Ing. René Bücker
Institut für Systembiotechnologie
E-Mail: rene.buecker(at)uni-saarland.de
Tel.: 0681 302 71979
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