idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
02.04.2003 10:38

Kündigungsschutz nicht "abfinden" sondern Transfer in neue Beschäftigung einbeziehen

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Anmerkungen aus dem Institut Arbeit und Technik zur aktuellen Diskussion

    Wenn mit der Reform des Kündigungsschutzes künftig sich jeder Unternehmer mit mehr oder weniger dicken Abfindungen vom Kündigungsschutz freikaufen kann, gehen wichtige Errungenschaften der letzten 20 Jahre verloren. "Das Kündigungsschutzgesetz in Deutschland muss nicht aufgeweicht, sondern mit anderen, zukunftsorientierten Politikansätzen verknüpft und auf die Vermeidung von Entlassungen bzw. auf den Transfer in eine neue Beschäftigung ausgerichtet werden", fordert der Arbeitsmarktexperte Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). "Durch die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes und die Gesetze für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hat man den Präventiv- und den Transfergedanken gestärkt. Hieran sollte man anknüpfen".

    Zwischen negativen und positiven Auswirkungen des Kündigungsschutzes auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ist zu unterscheiden: negativ auf die Beschäftigung wirkt sich ein vorsichtigeres Einstellungsverhalten der Unternehmen aus, wenn sie deshalb auf Aufträge verzichten oder die Zahl der Überstunden erhöhen. Die positiven Effekte liegen darin, dass die Unternehmen aufgrund der Entlassungskosten an einer längeren Vertragsperspektive interessiert sind. Sie investieren in die Qualifikation ihrer Beschäftigten und in neue Formen der Arbeitsorganisation. Das stärkt das Wachstum. Zudem werden Beschäftigte in der Krise nicht so leicht entlassen und die Unternehmen bemühen sich um Alternativen zur Kündigung wie Kurzarbeit oder zeitweise Arbeitszeitverkürzungen. Die Beschäftigten wiederum sind besser motiviert und produktiver als nur temporär Beschäftigte, von denen der Betrieb keinen vollen Einsatz erwarten kann.

    Untersuchungen zur Entwicklung der Beschäftigungsstabilität zeigen, dass in den letzten Jahren in allen Industrieländern die durchschnittliche Dauer der Betriebszugehörigkeit zugenommen hat. Eine Untersuchung des IAT belegt, dass die Beschäftigungsstabilität selbst in kleinen und mittelständischen Unternehmen zugenommen hat. Ein Grund ist die zunehmende Qualifikation der Beschäftigten, deren Einstellungs- und Entlassungskosten so hoch sind, dass die Unternehmen versuchen, sie länger zu halten. Zudem haben die Unternehmen ihre funktionale und zeitliche Flexibilität erhöht. Was früher eine mitbestimmungspflichtige Versetzung war, ist heute z.B. ein normaler Aufgabenwechsel. Die deutschen Unternehmen haben in Europa bei weitem die höchste Arbeitszeitflexibilität, die ihnen ermöglicht, über den Konjunkturzyklus zu "atmen".

    "Wenn man die Entlassungskosten senkt, steigen die Anreize, auf solche Systeme zu verzichten" warnt Bosch. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes wird negative Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen und ihre Innovationskraft hinsichtlich neuer Formen der funktionalen und temporalen Flexibilität haben.

    In der Praxis ist es mit "aktiven Sozialplänen" teilweise gelungen, den Übergang in eine neue Beschäftigung für die von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer in den Kündigungsschutz einzuführen. Das Betriebsverfassungsgesetz ermöglicht inzwischen "kleine Sozialpläne": In vielen deutschen Betrieben konnten so im Vorfeld von Entlassungen auf Initiative der Unternehmensleitung, die teure Sozialpläne vermeiden will, oder des Betriebsrates, der Entlassungen verhindern will, beschäftigungssichernde Maßnahmen vereinbart werden, durch die die öffentlichen Kassen geschont wurden. "Wenn man, wie heute vorgeschlagen, den Kündigungsschutz vom Bestandsschutz zu einer reinen individuellen Abfindungsregelung ausbaut, dann kann man 20 Jahre Diskussion über Transfersozialpläne und Arbeitsförderung im Kündigungsfall ad acta legen", so Bosch. Beschäftigte, die eine Abfindung wollen, werden dann dem Betriebsrat sagen: "Lass die Finger von meiner Abfindung".

    Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht ist eine stärkere Förderung von Transfersozialplänen geboten. Die frühere Meldepflicht beim Arbeitsamt infolge der Hartz-Reform ist ein richtiger Schritt. In dieser Richtung muss die Reformdebatte um den Kündigungsschutz weiter geführt werden. Bosch: "Der traditionelle Kündigungsschutz ist nur vergangenheitsorientiert. Der Schutz der Beschäftigten muss aber stärker zukunftsorientiert sein und auf die Vermeidung von Entlassungen bzw. auf den Übergang in eine neue Beschäftigung ausgerichtet sein".

    Für weitere Fragen steht
    Ihnen zur Verfügung:
    Prof. Dr. Gerhard Bosch
    Durchwahl: 0209/1707-142

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen
    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


    Weitere Informationen:

    http://iat-info.iatge.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).