idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.12.2014 12:11

Was Wachteln über den Gang von Dinosauriern verraten

Dr. Ute Schönfelder Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Bewegungswissenschaftler und Zoologen der Uni Jena ergründen den Gang von Vögeln

    Dinosaurier taten es. Menschen und Affen tun es. Und Vögel tun es auch – sie laufen auf zwei Beinen. Auch wenn der Mensch als „Zweibeiner“ eine Sonderstellung unter den Säugetieren einnimmt, ist der aufrechte Gang keineswegs nur ihm vorbehalten. Im Laufe der Evolution hat sich die bipedale Fortbewegung – der Gang auf zwei Beinen – bei vielen Tieren entwickelt.

    „Auch Vögel bewegen sich auf zwei Beinen fort, allerdings nutzen sie dafür eine ganz andere Technik als wir Menschen“, sagt Dr. Emanuel Andrada von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Während der Mensch beim Gehen den Oberkörper weitgehend senkrecht hält und den Körperschwerpunkt so direkt über den Beinen positioniert, ist der Körper der Vögel waagerecht nach vorn ausgerichtet, was auf den ersten Blick höchst unvorteilhaft erscheint. Gemeinsam mit Kollegen hat der Bewegungswissenschaftler daher untersucht, wie sich diese Körperorientierung der Vögel beim Laufen auf die Funktionsweise ihrer Beine und die Stabilität beim Gehen auswirkt. Die erste detaillierte Analyse dieser Art hat das Jenaer Team jetzt in den „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht (DOI: 10.1098/rspb.2014.1405).

    Dazu haben die Forscher Wachteln in einer Hochgeschwindigkeitsröntgenanlage in unterschiedlicher Geschwindigkeit laufen lassen. Während die Anlage die Bewegung der Tiere minutiös aufzeichnete, haben die Forscher zeitgleich die Kräfte gemessen, die bei der Fortbewegung an ihren Beinen wirken. Aus diesen Daten konnte das Forscherteam schließlich ein Computermodell des Bewegungsablaufs erstellen, mit dem sich Stabilität und Energiebilanz bei unterschiedlichen Gangarten simulieren und analysieren lassen.

    Wie sich zeigte, nutzen die Vögel zur schnellen Fortbewegung vorwiegend das sogenannte „grounded running“, einen Laufstil, bei dem immer mindestens ein Bein Bodenkontakt hält. „Selbst beim schnellen Gehen kommt so nur äußerst selten eine kurze Flugphase zwischen den einzelnen Schritten vor“, erläutert Prof. Dr. Reinhard Blickhan, Inhaber des Lehrstuhls für Bewegungswissenschaft der Uni Jena. Das sei für die Tiere aber extrem energieaufwendig, auch weil – bedingt durch die waagerechte Körperhaltung – der Körperschwerpunkt der Vögel beim Gehen deutlich vor den Beinen liegt. „Die Tiere müssen den eigenen Körper ständig ausbalancieren, um zu vermeiden, nach vorn zu fallen“, so Blickhan.

    Doch, so haben die Forscher anhand ihres Computermodells herausgefunden, dieser Kraftakt lohnt sich. „Anders als die Beine des Menschen, die wie zwei Sprungfedern Energie aufnehmen und direkt für die Vorwärtsbewegung nutzen, wirken die Beine der Vögel eher wie Stoßdämpfer.“ Denn um nicht nach vorn zu fallen oder beim Gehen permanent zu beschleunigen, muss der Vogel praktisch ständig abbremsen. Dies geschieht, indem das Vogelbein wie ein Federdämpfer arbeitet: Dem Bein wird dabei Energie entzogen. Zusätzliche Energie wird in ein Drehmoment im Hüftgelenk investiert, das den Körper stabilisiert. „Diese scheinbare Energieverschwendung ist der Preis für eine sehr stabile Körperhaltung bei der Fortbewegung, insbesondere auf unebenem Terrain“, bringt Prof. Blickhan das Ergebnis dieser Studie auf den Punkt.

    Nach den nun vorgelegten Ergebnissen wird es für die Jenaer Forscher erst richtig interessant: Sie wollen das entwickelte Computermodell auch am Gang anderer Vogelarten testen und damit sogar die Fortbewegung von Dinosauriern analysieren – den direkten Vorfahren der heutigen Vögel. „Bislang ist nicht klar, wie sich zweibeinige Vertreter wie Allosaurus oder Tyrannosaurus Rex tatsächlich fortbewegt haben“, so Dr. Andrada. Man gehe inzwischen aber davon aus, dass auch sie – aufgrund biomechanischer Vorteile – mit weit nach vorn gestrecktem Oberkörper gelaufen sind.

    Original-Publikation:
    Andrada E. et al.: Trunk orientation causes asymmetries in leg function in small bird terrestrial locomotion. Proceedings of the Royal Society B 2014, DOI: 10.1098/rspb.2014.1405

    Kontakt:
    Dr. Emanuel Andrada
    Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Erbertstraße 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 949174
    E-Mail: emanuel.andrada[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Dr. Emanuel Andrada von der Uni Jena hat untersucht, wie sich die Körperorientierung der Vögel beim Laufen auf die Funktionsweise ihrer Beine und die Stabilität beim Gehen auswirkt.
    Dr. Emanuel Andrada von der Uni Jena hat untersucht, wie sich die Körperorientierung der Vögel beim ...
    Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
    None

    Bewegungswissenschaftler der Uni Jena haben Wachteln in einer Hochgeschwindigkeitsröntgenanlage laufen lassen und dabei die Kräfte gemessen, die an ihren Beinen wirken.
    Bewegungswissenschaftler der Uni Jena haben Wachteln in einer Hochgeschwindigkeitsröntgenanlage lauf ...
    Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Informationstechnik, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Dr. Emanuel Andrada von der Uni Jena hat untersucht, wie sich die Körperorientierung der Vögel beim Laufen auf die Funktionsweise ihrer Beine und die Stabilität beim Gehen auswirkt.


    Zum Download

    x

    Bewegungswissenschaftler der Uni Jena haben Wachteln in einer Hochgeschwindigkeitsröntgenanlage laufen lassen und dabei die Kräfte gemessen, die an ihren Beinen wirken.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).