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25.08.1998 00:00

Stiftungsprofessur zu Hannah Arendt in Oldenburg

Gerhard Harms Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

    Oldenburg. Dem Werk einer der größten Denkerinnen dieses Jahrhunderts, der Politologin und Philosophin Hannah Arendt (1906-1975), wird sich eine Stiftungsprofessur an der Universität Oldenburg widmen. Die Stiftung Niedersachsen stellte dafür 420.000 DM zur Verfügung. Die Professur soll schon zum Herbst besetzt werden. Ein weiterer größerer Betrag ist von der Hamburger Körber-Stiftung zugesagt, um Kopien des Nachlasses, der in der Library of Congress (Washington D.C.) lagert, nach Oldenburg holen zu können.

    Als eine große Chance, sich auch international im Bereich der Sozialwissenschaften zu profilieren, wertete Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Daxner die Einrichtung der Stiftungsprofessur. Der Erwerb des Nachlasses und die Einrichtung eines Hannah-Arendt-Archivs werde zudem dazu beitragen, Spuren des zerstörten deutsch-jüdischen kulturellen Erbes zu sichern und einen lebendigen Ort wissenschaftlicher Auseinandersetzung für ForscherInnen aus aller Welt zu schaffen.

    Der Politologe und Mitherausgeber der Gesamtausgaben Ossietzkys und Tucholskys, Prof. Dr. Gerhard Kraiker, sagte, das geplante Hannah-Arendt-Archiv und die damit verbundene Forschung verbänden sich hervorragend mit den Oldenburger Editionen politischer Publizistik des 20. Jahrhunderts und der sozialwissenschaftlichen Biographieforschung, zu der auch das Adorno-Projekt des Soziologen Stefan Müller-Doohm gehöre.

    Der Nachlaß Hannah Arendts umfaßt 28.000 archivalische Einheiten, die in 90 Containern aufbewahrt werden, sowie weitere 10 Regalmeter mit Materialien ihrer Arbeit. Im Gegensatz zu vielen anderen hat die Wissenschaftlerin ihren Nachlaß nicht "gereinigt". In einem ersten Schritt sollen von Oldenburg aus die noch unveröffentlichten Teile des Nachlasses in enger Kooperation mit der New Yorker News School publiziert werden, die das gleiche für den englischsprachigen Raum plant.

    Hannah Arendt (1906 - 1975)

    Hannah Arendt gilt als eine der bedeutendsten Vertreterinnen der politischen Theorie des 20. Jahrhunderts. Während ihr Ansehen in den USA seit Beginn der 50er Jahre ständig wuchs, woran letztlich auch die Irritationen nichts änderten, die dort ihre These von der Banalität des Bösen in Verbindung mit dem Eichmann-Prozeß auslösten, blieb die Rezeption ihrer Arbeiten in Europa lange verhalten. Allzusehr schienen die "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" der im Kalten Krieg instrumentell genutzten Gleichsetzung von Faschismus und Stalinismus das Wort zu reden. Erst mit dem Ende der Blockordnung 1989 hat das Denken Arendts größte Bedeutung gewonnen. Zur starken Resonanz ihres Werks in den letzten zehn Jahren tragen auch noch zwei andere Momente bei: das gesteigerte Interesse an der Holocaust-Forschung und Fragen des Judentums sowie eine ideengeschichtliche Schwerpunktverlagerung in der politischen Theorie: nicht mehr Hegel und Marx, sondern die politische Philosophie Kants ist Bezugsmittelpunkt, und Kant war neben den griechischen Klassikern auch für Hannah Arendt der wichtigste Denker.

    Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 in Hannover geboren und in Königsberg (Ostpreußen) aufgewachsen, studierte von 1924 bis 1928 Philosophie, protestantische Theologie und griechische Philologie an den Universitäten Marburg, Heidelberg und Freiburg. Ihre Lehrer waren u.a. Martin Heidegger, Karl Jaspers und Rudolf Bultmann. Bei Jaspers schrieb sie 1928 ihre Dissertation zum "Liebesbegriff bei Augustin". Danach beschäftigte sich die einer jüdischen Familie entstammende junge Wissenschaftlerin erstmals mit dem Problem der deutsch-jüdischen Assimilation.

    1933 wurde sie für kurze Zeit verhaftet und floh nach der Freilassung nach Paris, wo sie sich in der zionistischen Politik engagierte und wissenschaftlich mit dem Antisemitismus beschäftigte. Nach den Novemberprogromen in Deutschland kümmerte sie sich verstärkt um jüdische Emigranten, die sich dem deutschen Faschismus durch Flucht entziehen konnten. Nach Ausbruch des Krieges wurde die Emigrantin von den Franzosen inhaftiert, konnte jedoch über Lissabon nach Amerika fliehen und entging so - zusammen mit ihrem Mann Heinrich Blücher - der drohenden Auslieferung an Deutschland.

    In New York betätigte sich Hannah Arendt zunächst als Journalistin und Lektorin. Ihr wohl wichtigstes Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" erschien 1951. Seitdem war sie eine in den USA viel gefragte Wissenschaftlerin, die an allen großen amerikanischen Universitäten, u.a. Harvard, Columbia und Berkeley, lehrte. Ein ähnliche Bedeutung erlangte ihr 1959 erschienenes Werk "On Revolution" über die Entstehung der amerikanischen Verfassung. Mit ihren analytischen Berichten vom Eichmann-Prozeß 1961 im "New Yorker" löste sie eine weltweit heftige Kontroverse aus, die bis heute nicht beendet ist.

    Die Beziehung zu Europa und speziell zur Bundesrepublik Deutschland nahm Hannah Arendt, die 1951 amerikanische Staatsbürgerin geworden war, bereits 1949 wieder auf. Hier besuchte sie auch ihre alten Lehrer Heidegger und Jaspers. Dem ersten Aufenthalt folgten zahlreiche weitere Vortragsreisen in den 50er, 60er und 70er Jahren auf den alten Kontinent. Die vielfach geehrte Wissenschaftlerin, die in der Bundesrepublik mit dem Lessing-Preis der Stadt Hamburg (1959) und dem Sigmund-Freud-Preis der Akademie für Sprache und Dichtung (1967) ausgezeichnet wurde, starb am 4. Dezember 1975 in ihrer New Yorker Wohnung.

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    Kontakt: Prof. Dr. Gerhard Kraiker, Fachbereich 3 Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaften II, Tel. 0441/798-2048
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    Pressestelle, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
    Pressemitteilung 240/98
    verantw.: Wolf Hertlein
    Tel.: 0441/9706-539, Fax: 0441/9706-545
    http://www.uni-oldenburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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