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11.04.2003 09:41

Der Irak nach dem Krieg. Wie geht es weiter?

Dr. Andreas Archut Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift UNIVERSITAS (Schwerpunkt "Krieg im Irak") äußert sich der Soziologe Professor Dr. Michael Opielka, Professor an der FH Jena und Lehrbeauftragter für Soziologie an der Universität Bonn, unter anderem zu den Chancen für eine positive regionale und globale Entwicklung im Irak nach dem Krieg.

    Professor Opielka betrachtet die sozialistische Matrix der irakischen Gesellschaft als eine möglicherweise günstige Voraussetzung für eine nachholende Modernisierung. Bis zum Iran-Krieg, so betont er, waren Infrastruktur und Sozialwesen im Irak so gut ausgebaut wie in keinem anderen arabischen Land. Zudem leben drei Viertel der irakischen Bevölkerung in Städten, sind Frauen zumindest formal weitgehend gleichberechtigt und besteht trotz der erheblichen Analphabetenquote (43,2 Prozent) ein beachtliches akademisches Potenzial (acht Universitäten, eine TU und 19 technische Institute). Nach Angaben der "Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit" (ISSA, Genf) verfügt der Irak über ein beachtliches System an Sozialversicherungen für Alter, Invalidität, Krankheit und Elternschaft. So übertreffen die Sicherungsleistungen für Mütter bei weitem die entsprechenden relativen Niveaus in den USA. Selbst wenn man dies als "national-sozialistisches Kredo" einer anfangs vom deutschen Nationalsozialismus beeinflussten Baath-Ideologie abtun will, muss ein "Kulturkampf" um das "westliche" Wohlfahrtsstaatsmodell im Irak nicht mehr geführt werden. Auch in dieser Hinsicht könnten die optimistischen Kalkulationen der US-Regierung also aufgehen.

    Anstelle eines "Kampfs der Kulturen" zeitigt die Invasion in den Irak möglicherweise tatsächlich für die regionale wie globale Entwicklung positive Folgen. Professor Opielka plädiert dafür, die Risiken des Übergangs zwar zu bedenken, jedoch vor dem Hintergrund der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus alle Optionen zu prüfen. Seiner Auffassung nach bildet das religiöse Schwächegefühl der Islamisten gegenüber den Versuchungen der liberal-säkularen Moderne den geistigen Boden für die politischen Selbstmordattentäter. Die zivilreligiöse Begründung der Bush-Regierung für eine Irak-Invasion - ganz anders noch als bei früheren imperialistischen Abenteuern wie in Vietnam - könnte sich insoweit als ein historisch einmaliger Augenblick erweisen, der eine Verständigung über eine zweite Moderne ermöglicht, die nicht einfach von hedonistischem Individualismus geprägt sein wird.

    Die geistigen Eliten gerade in der islamischen Welt müssen glaubwürdig als Partner gewonnen werden. Die westliche Reflexion auf Toleranz, Differenz und Pluralismus darf das Verhältnis von "Glauben und Wissen" nicht als Widerspruch, sondern muss es als ureigene und zugleich universale Herausforderung begreifen. Das ist natürlich "Idealismus", jedenfalls im Sinne Hegels.

    Es könnte aber sein, dass nur eine solch "idealistische" Haltung ein friedliches Zusammenleben der Menschheit sichert. Die neuere Religionssoziologie plädiert dafür, nicht nur den weltweiten Trend hin zu einer "impliziten" oder "unsichtbaren Religion" zu erkennen, sondern auch den Zusammenhang von Globalisierung und Religion so wahrzunehmen, dass hier nicht nur das Partikulare, Regionale und Heterogene, sondern durchaus Züge des Universellen sichtbar werden.

    Professor Opielka fragt nach einer Alternative zum Krieg - Und antwortetet mit Michael Walzer, der nur einen "richtigen Weg" sah, gegen den Krieg zu sein: einen "Internationalismus", in dem nicht nur die USA, sondern auch andere Staaten reale - und das heißt notfalls auch: militärische - Verantwortung für die Durchsetzung internationalen Rechts übernehmen. Das wäre der Beginn der Weltinnenpolitik eines Weltstaates.

    Das Schwerpunktheft der UNIVERSITAS "Krieg im Irak" (4/2003) kann im Rahmen eines kostenloses Probeabonemments (2 Hefte) angefordert werden. Es kann gewählt werden zwischen Heft 3 "Schwerpunkt Familie und Erziehung" oder Heft 5 "Schwerpunkt "Lehren und Lernen".

    Bestellungen beim Verlag:
    UNIVERSITAS, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart
    E-Mail: universitas@hirzel.de
    Tel.: 0711/2582/240


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    regional
    Personalia, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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