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11.04.2003 11:40

Ken - das künstliche Kind

Dr. Bernhard Wiedemann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)

    Piloten trainieren ungewöhnliche und gefährliche Situationen in Simulatoren, die ihnen eine nahezu perfekte Flugrealität vorgaukeln - die Anästhesisten lassen sich zu diesem Zweck künstliche Menschen bauen, die auf dem OP-Tisch ebenso reagieren wie ein echter Patient.

    Fliegen ist eine sichere Angelegenheit, kaum eine Passagiermaschine gerät ins Trudeln. Falls es doch einmal vorkommen sollte, muss der Pilot routiniert mit der Gefahr umgehen - deswegen trainiert er solche Situationen am Simulator. Den Anästhesisten geht es ebenso: Sie haben einen derart hohen Sicherheitsstandard erreicht, dass sie echte Narkosezwischenfälle nur noch selten erleben - sie trainieren deshalb an künstlichen Menschen, ausgefeilten Simulatoren, die praktisch so reagieren wie ein echter Patient. Entsprechende Trainingskurse während des Deutschen Anästhesiecongresses in München sind von früh bis spät restlos ausgebucht.
    Das neueste Modell unter den künstlichen Menschen ist Ken, der ein etwa acht Jahre altes Kind simuliert. Bisher gibt es in Deutschland nur nur einen einzigen derartigen Kindersimulator. Stationiert ist er an der Universität Mainz, derzeit steht er aber den Anästhesisten während des Deutschen Anästhesiecongresses in München zur Verfügung. "Jünger" geht es im Moment übrigens noch nicht. Angesichts der notwendigen, immer noch ziemlich voluminösen Elektronik und Mechanik, benötigen die Simulatoren ein gewisses Mindestvolumen.
    Ken hat die bisherige Palette an Simulatoren ergänzt, weil Kinder auch für Anästhesisten etwas Besonderes sind. Das hängt nicht nur mit den anderen Größenverhältnissen zusammen. Auch der Stoffwechsel der Kinder reagiert anders als der eines kleinen Erwachsenen, was natürlich bei Narkosen berücksichtigt werden muss.
    Diese Wesen mit Haut und Adern aus Plastik, einem Skelett aus Metall, motorischen Muskeln, einer Gummilunge und einem elektronischen Hirn reagieren auf die Arbeit des Anästhesisten fast wie echte Patienten - sie bewegen beispielsweise ein wenig den Arm, wenn die Narkose nicht tief genug ist, die neuesten Modelle klappen sogar mit den Augenlidern und verfügen im Auge über eine Blende, die Pupillenreaktionen simuliert: Leuchtet man ins Auge, dann verkleinert sich die Pupille, bei Dunkelheit weitet sie sich (siehe Bild). Medikamente, die in das künstliche Kreislaufsystem gespritzt werden, beeinflussen die Pupillenreaktion ebenfalls.
    Die Simulatoren bilden auch die Lungenphysiologie ab. Sind sie intubiert, können sie mit und ohne volatile Anästhetika beatmet werden. Bei der Expiration ist dann selbstverständlich auch der CO2-Gehalt in der Atemluft höher
    Darüber hinaus beherrschen die Simulatoren aber auch die Pathophysiologie, vor allem eine Reihe seltener Narkosezwischenfälle, die sogar manch ein erfahrener Anästhesist in der Realität noch nie erlebt hat.Dazu zählt beispielsweise die so genannte maligne Hyperthermie, ein plötzlich einsetzender und lebensbedrohlicher Anstieg der Körpertemperatur. So etwas passiert im Schnitt bei einer von 30.000 Narkosen - und dann muss der Anästhesist zügig eine Reihe von Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge einleiten, auch wenn er nie zuvor eine solche Situation erlebt hat. Denn zum geruhsamen Nachdenken oder gar zum Nachschlagen im Lehrbuch bleibt da keine Zeit. Wenn die Gefahr abgewandt werden soll, darf der Anästhesist nicht lange zögern. Das gleiche gilt für etliche weitere seltene Zwischenfälle.
    In der Realität geht dem Anstieg der Körpertemperatur ein kräftiger Anstieg des Kohlendioxid in der Atemluft voraus - er ist das erste Zeichen der drastisch erhöhten Stoffwechselaktivität, die so viel Wärmeenergie freisetzt, dass sich der Körper lebensbedrohlich erhitzt. Auch dieser CO2-Anstieg ist in der "Atemluft" der Simulatoren zu beobachten. Dass EKG und Blutdruck ebenso verlaufen, wie dies bei einem echten Patienten der Fall wäre, versteht sich von selbst. Wer am Simulator trainiert, kommt sich also schnell vor wie im richtigen OP, zumal das Training auch in OP-Kleidung stattfindet. Da kommt beim Training so mancher Anästhesist ins Schwitzen, obwohl kein lebender Patient vor ihm liegt.
    Natürlich kann der Simulator auch dem Nachwuchs der Anästhesisten oder den Studenten in höheren Semestern Grundlegendes über Narkosen, Intensivmedizin und Notfallbehandlung beibringen und so einen erheblichen Beitrag zu Sicherheit der Patienten leisten. Deshalb haben die Anästhesisten ein großes und finanzschweres Programm in Angriff genommen: Nicht nur an den Universitäten, sondern an allen größeren Kliniken sollen die elektronischen Patienten stationiert werden.


    Weitere Informationen:

    http://www.medizin-texte.de/Anaesthesisten/Anaesthesiecongress2003/Ken.htm


    Bilder

    Ein Anästhesist trainiert an Ken, dem künstlichen Kind.
    Ein Anästhesist trainiert an Ken, dem künstlichen Kind.

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    Die künstlichen Augen der modernen Simulatoren reagieren mit ihrer Iris-Blende wie ein lebendiges Auge.
    Die künstlichen Augen der modernen Simulatoren reagieren mit ihrer Iris-Blende wie ein lebendiges Au ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Ein Anästhesist trainiert an Ken, dem künstlichen Kind.


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    Die künstlichen Augen der modernen Simulatoren reagieren mit ihrer Iris-Blende wie ein lebendiges Auge.


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