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25.08.1998 00:00

Als Seniorin in den Kindergarten

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Alt und Jung lernen miteinander und voneinander
    Fragen zu Generationenbeziehungen werden immer wichtiger. Mit dem neuen Projekt "Öffnung des Kindergartens für ältere Erwachsene" wird dieser wachsenden Bedeutung nun an der Dortmunder Universität Rechnung getragen. Das Dortmunder Modell "Weiterbildung für Senioren" (Fachbereich 14) und der Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft und Biologie (Fachbereich 12) erweitern auf diese Weise ihr Angebot.

    Jeden Freitag macht sich die 58-jährige Liesel Spratte frühmorgens auf den Weg in den Kindergarten Wilde Wiese in Schwerte-Holzen. "Wenn ich komme, zupfen die Kleinen schon an meinem Arm", sagt sie begeistert. Im Laufe des Vormittags spielt sie mit den Drei- und Vierjährigen, liest ihnen vor, tröstet, wenn es Kummer gibt. "Ich bringe mich da ein, wo es notwendig ist", sagt die Seniorin. Ihre Aufgaben unterscheiden sich nicht von der Arbeit der Erzieherinnen, mit denen sie jeden Freitag im Team zusammenarbeitet. Am Anfang habe sie gewisse Vorbehalte gespürt, erinnert sie sich. Die Angst der Erzieherinnen vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes habe dabei sicher eine Rolle gespielt: "Aber die Distanz baut sich langsam ab." Denn eine neue Stelle sucht Liesel Spratte nicht mehr.

    Liesel Spratte ist eine von acht Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Modellprojekts "Öffnung des Kindergartens für ältere Erwachsene", das an der Universität Dortmund im Rahmen des Weiterbildenden Studiums für Seniorinnen und Senioren unter der Leitung von Prof. Dr. Ludger Veelken derzeit entwickelt wird. In Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt des Kreises Unna, mit Erzieherinnen und Eltern begleitet die Universität Dortmund das Modellprojekt wissenschaftlich. Vier Kindergärten haben sich bereit erklärt, ihre Gruppen für Seniorinnen und Senioren des weiterbildenden Studiums zu öffnen. "Die Älteren werden immer zahlreicher, warum sollen deren Erfahrungen nicht genutzt werden?", fragt Prof. Dr. Veelken. Immerhin gehörten bereits heute rund 40 Prozent der Bevölkerung zu den Alten in unserer Gesellschaft. Vor allem die sogenannten jungen Alten - dazu zählt, wer zwischen 50 und 75 Jahre alt ist - seien heute aktiver als früher und wollten auch im Ruhestand am kulturellen und sozialen Leben teilhaben. "Sie sind kritischer und bunter als die vorherigen Generationen." Schon jetzt engagieren sich die meisten Absolventinnen und Absolventen des Weiterbildenden Studiengangs für Seniorinnen und Senioren in einer sogenannten nachberuflichen, freiwilligen gesellschaftlichen Tätigkeit, etwa in der Gemeindearbeit oder in Bürgerinitiativen, was der Zielsetzung des Studienganges entspricht. Wenn der Modellversuch Erfolg hat, könnten ältere Erwachsene künftig auch im Kindergarten nachberuflich unentgeltlich tätig sein.

    In den USA wird auf dem Gebiet der Generationenbeziehungen schon lange geforscht. Führend auf dem Gebiet ist Prof. Dr. Sally Newman von der amerikanischen Universität Pittsburgh, die im Sommersemster ihre Forschungsergebnisse an der Universität Dortmund bereits vorgestellt hat. Grundsätzlich wolle man aber nicht bei den Amerikanern abgucken, so Veelken, sondern ein eigenes Modell entwickeln, das auf andere übertragbar und für andere anwendbar sei. Mit der Öffnung der Kindergärten für Senioren und Seniorinnen sollen nun erstmals in Deutschland Kinder die Möglichkeit bekommen, die Erfahrungen der Älteren außerhalb der Familie zu nutzen. "Es geht aber nicht darum, daß ein paar Grauköpfe Märchen erzählen", sagt Veelken. Optimal sei, wenn Jung und Alt voneinander lernten. Während die Jungen heute den Alten in Sachen Internet und Multimedia um Längen voraus seien, verfügten die Alten über Erfahrungen, die den Jungen fehlten. Liesel Spratte macht ihre Arbeit im Kindergarten großen Spaß. Ausbildung und Qualifikation der zumeist jüngeren Erzieherinnen macht sie durch ihre Erfahrungen wett: "Man kann gut voneinander lernen." Die Öffnung des Kindergartens für ältere Erwachsene im Kreis Unna bedeute für alle Beteiligten einen Gewinn. Und auch für sie bietet sich dadurch eine nachberufliche Perspektive: "Wenn ich das Gefühl habe, ich bin gerne gesehen, dann würde ich das auch weitermachen." Und daran besteht mittlerweile kein Zweifel mehr. Gut drei Semester wird es noch dauern, bis die Erfahrungen der teilnehmenden Seniorinnen und Senioren, von Erzieherinnen, Kindern und Eltern wissenschaftlich ausgewertet sind. Dann soll das Modellprojekt dazu dienen, künftig ähnliche Projekte bei Trägern sozialer Einrichtungen zu initiieren. Eine Förderung durch das Sozialministerium Nordrhein-Westfalen ist bereits beantragt.

    Informationen:Prof. Dr. Ludger Veelken, Tel. 0231-755-2824


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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