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11.04.2003 14:00

IGLU: In Dortmund konzipiert und diskutiert

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    Prof. Dr. Wilfried BOS, Universität Hamburg, erläuterte am 9. April in Dortmund ausführlich die Ergebnisse von IGLU, der international vergleichenden Grundschulstudie, die einen Tag vorher weltweit vorgestellt wurde. IGLU bedeutet Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, bei der in 35 Ländern die Leseleistungen von Kindern der 4. Grundschulklassen ermittelt wurden. IGLU ist sozusagen das Pendant zu PISA. Wie bei PISA gibt es auch bei IGLU eine Ergänzungsstudie, deren Ergebnisse Prof. BOS ebenfalls vorstellte. Sie beziehen sich zusätzlich zum Lesen auf Rechtschreibung und Aufsatz sowie auf Mathematik und Naturwissenschaften.

    Auf der begleitenden Pressekonferenz befragt, warum er diese Studie ausgerechnet in Dortmund ausführlich einer breiteren Öffentlichkeit vorstelle, antwortete BOS: "Weil ich sie in Dortmund konzipiert habe". BOS erhielt in der Tat seine erste Professur in den Jahren 2000 und 2001 am "Institut für Schulentwicklungsforschung" im FB 12 der Uni-Dortmund. Von dort aus hat er das Projekt gestartet, das je zur Hälfte von der Kultusministerkonferenz und dem Bundesbildungsministerium finanziert wurde.

    Die zentralen Ergebnisse von IGLU wurden über die Tagespresse weit verbreitet, so dass sie als bekannt vorausgesetzt werden können. Der Projektbericht ist gleichzeitig mit der Pressekonferenz erschienen, was ein Novum ist, und im Buchhandel erhältlich: BOS, W. u.a.: Erste Ergebnisse aus IGLU. Münster. Waxmann-Verlag, April 2003.
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    Gute Leistungsdichte in der Grundschule

    In diesem 309 Seiten umfassenden Band stehen einige Ergebnisse, die nicht von den Tageszeitungen berichtet, aber von Prof. BOS am Abend des gleichen Tages auf dem Dortmunder Regionalen Bildungsforum (DRBF) vorgestellt wurden. Das DRBF ist eine Einrichtung der Dortmunder Bildungskommission, eines sehr pluralistisch und z.T. prominent besetzten Beratungsgremiums des Oberbürgermeisters unter dem Vorsitz von Universitätsprofessor Hans-Günter ROLFF. Es fand im überfüllten Rathauscafé statt und wurde von Prof. BOS eingeleitet.

    Zu den bemerkenswerten Ergebnissen, die Prof. BOS berichtete, gehören:
    "Zum Ende der vierten Jahrgangsstufe erreichen die Kinder in Deutschland somit im internationalen Vergleich im Leseverständnis ein Kompetenzniveau, das einem Vergleich mit europäischen Nachbarländern durchaus standhalten kann. Das Kompetenzniveau ist sowohl bei literarischen Texten und Sachtexten als auch bei textimmanenten und wissensbasierten Verstehensleistungen gleichermaßen hoch ausgeprägt."

    "Darüber hinaus gelingt es, dieses relativ hohe Niveau nicht nur für eine kleine Gruppe zu erreichen, sondern für einen verhältnismäßig großen Teil der Schülerschaft. Die Streuung der Leistungswerte ist in Deutschland am Ende der vierten Jahrgangsstufe klein. Nur wenige andere Länder erreichen eine geringere Streuung und übergeben somit eine in ihren Leseleistungen insgesamt homogene Schülerschaft an nachfolgende Klassen. Auch die international immer wieder zu beobachtenden Unterschiede in der Lesekompetenz zwischen Jungen und Mädchen sind in Deutschland geringer ausgeprägt.
    Nur in fünf Ländern sind diese Unterschiede kleiner als in Deutschland."
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    Mehr Förderung in der Sekundarstufe nötig

    PISA zeigt indes: Auf der Sekundarstufe ist die Lesekompetenz deutscher Schüler unterdurchschnittlich und die Spannweite (Streuung) zwischen guten und schlechten Lesern eklatant groß, größer als in fast allen Vergleichsländern. Deshalb warnte BOS:

    "Ein professioneller Umgang mit Heterogenität, eine gezielte Unterstützung und Förderung der Lesekompetenz auch in der Sekundarstufe I sind in einem differenzierten System aus diesen Gründen unbedingt notwendig. Wenn diese nicht grundlegend optimiert wird, stellt sich das mehrgliedrige System selbst in Frage."

    In den Naturwissenschaften schneiden die deutschen Grundschüler bei IGLU besonders gut ab. BOS hat sie mit den sechs Jahre früher erhobenen TIMMS-Grundschul-Daten verglichen. Wenn man den sechs Jahre später gemessenen Wert für Deutschland in die TIMMS-Rangskalen einordnen würde, "dann lägen die Leistungen im oberen Drittel des Ländervergleichs. Dieser Vergleich unterstützt die Vermutung, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschulzeit in ihrem naturwissenschaftsbezogenen Wissen und Verständnis durchaus mit den anderen Ländern mithalten können. Allerdings beruht der für Deutschland errechnete Wert auf einer nicht vollständigen nationalen Stichprobe, weil sich vier Bundesländer (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) nicht an der IGLU-Erweiterung beteiligt hatten. Insofern ist auch der rekonstruierte Kennwert für Deutschland nur mit einer gewissen Vorsicht als 'nationaler Kennwert' zu interpretieren. Zu beachten ist weiterhin der beträchtliche Zeitabstand zwischen den Erhebungen von TIMMS (im Jahr 1995) und IGLU (im Jahr 2001).

    Für die Mathematikleistungen gilt ähnliches, nur nicht so ausgeprägt: "Die deutschen Schülerinnen und Schüler liegen hier deutlich oberhalb des internationalen Mittelwerts."
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    Zu wenig Zeit zum Lesen lernen?

    Zwei Ergebnisse, von denen BOS gewissermaßen am Rande berichtete, stießen ebenfalls auf großes Interesse, zur Unterrichtszeit und zur Leistungszeit:

    "Deutschland liegt bei der Unterrichtszeit mit einem Mittelwert von 812 Stunden im vierten Schuljahr nur unwesentlich unter dem Mittelwert der Vergleichsgruppe der OECD-Länder (829 Stunden), aber um 115 Stunden unter dem Mittelwert der Vergleichsgruppe der teilnehmenden europäischen Länder. Für Sprachunterricht und sprachbezogene Unterrichtsaktivitäten wenden die OECD-Länder zwischen 27 Prozent und 46 Prozent ihres gesamten Stundenbudgets in der Grundschule auf (in Deutschland 34 Prozent), für Leseunterricht und lesebezogene Aktivitäten sind es zwischen 14 Prozent und 40 Prozent (Deutschland 18 Prozent)."

    "Während in den meisten Ländern die Schulleitungen hauptsächlich mit Leitungsfunktionen, wie etwa der Erstellung von Plänen, dem Personalmanagement, Außenkontakten und Verwaltungsarbeiten, beschäftigt sind und nur nebenbei unterrichten, sind die Schulleitungen in Deutschland und Frankreich in erster Linie Lehrkräfte, die überwiegend unterrichten."
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    Dortmund hat weitere Reformen im Blick

    Die Ergebnisse von IGLU wurden in einem Podium, dem auch der Oberbürgermeister angehörte, intensiv, aber kaum kontrovers diskutiert. Von Belang war vor allem der Versuch, die relativ positiven IGLU-Ergebnisse "zu erklären" und Einschätzungen der Dortmunder Reformbemühungen vorzunehmen.

    Das nächste Forum findet am 18. (oder 30.) September am gleichen Ort statt. Es hat zum Thema "Anders lernen in der Ganztagsschule" und wird ebenfalls von einem prominenten Wissenschaftler eingeleitet werden.

    Weitere Information:
    Prof. Dr. Hans-Günter Rolff, Ruf 0231-7555500
    Mail rolff@ifs.uni-dortmund.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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