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28.08.1998 00:00

Zwischen Nachbarschaft und Konkurrenz: Zum Leben in schwäbischen "Judendörfern"

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Der mit 3000 DM dotierte Förderpreis des Bezirkstags Schwaben, der jährlich bei der Akademischen Jahresfeier der Universität Augsburg verliehen wird, ging in diesem Jahr an Dr. Sabine Ullmann. Sie erhielt die Auszeichnung für ihre Doktorarbeit zum Thema "Juden und Christen in den Dörfern der Markgrafschaft Burgau 1650 bis 1750: Binswangen, Buttenwiesen, Kriegshaber und Pfersee" (Erstgutachter: Prof. Dr. Rolf Kießling, Lehrstuhl für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte).

    Die im Sommersemester 1997 abgeschlossene Dissertation widmet sich, so die Dekanin der Philosophischen Fakultät II in ihrer Laudatio, einem Thema, das erst in den letzten Jahren stärker in das Blickfeld der wissenschaftlichen Forschung gerückt ist: der Geschichte des Landjudentums, einer Phase jüdisch-deutscher Geschichte, die nach der Vertreibung aus fast allen Städten des Reiches im Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert die Lebensform in "Aschkenas" bestimmte. Entstanden im Kontext eines Forschungsprojektes am Lehrstuhl für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte geht die Arbeit von Sabine Ullmann das Problemfeld am Beispiel von vier jüdischen Landgemeinden in der Markgrafschaft Burgau an, die - gezielt nach typologischen Gesichtspunkten ausgewählt - das Spektrum des Beziehungsfeldes ausloten lassen: Die Frage nach den herrschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen Reich, Territorium und Ortsherren erklärt zunächst die Ansiedlungsmöglichkeiten für die jüdischen Familien; die Analyse der Binnenstrukturen der jüdischen Gemeinden verschafft Einblicke in ihre Kultuseinrichtungen, die Selbstverwaltung und die soziale Schichtung; die Beschreibung der Wirtschaftsbeziehungen, vor allem des jüdischen Viehhandels und der Kreditgeschäfte, zeigt die Juden als Träger unverzichtbarer Dienstleistungen für die Infrastruktur ländlicher Räume; und die Formen des Zusammenlebens wie die Konfliktmuster zwischen Christen und Juden vermitteln Einsichten in die Normen und Mechanismen eines komplexen Interaktionsgefüges. "Nachbar-schaft und Konkurrenz" - zwischen diesen beiden Polen spielte das Leben in den schwäbischen "Judendörfern" ab. Sabine Ullmanns Arbeit hat eine Fülle von bislang unbekannten archivalischen Quellen erschlossen und mit einer souverän gehandhabten Methodik zu einer Analyse der Alltagswelt wie der dahinter sichtbar werdenden Strukturen verdichtet, die zu den markanten Elementen schwäbischer Kultur gehörten. Die Autorin stößt aber auch zu grundlegenden Einsichten vor, die sich für diese Phase jüdischer Existenz im Alten Reich als exemplarisch erweisen könnten: Die Juden waren zwar eine ständig bedrohte Minderheit, aber keine isolierte Randgruppe, sondern auf vielfältige Weise in ihre Umwelt eingebunden; sie lebten mit den Christen in "Doppelgemeinden" - dieser Erkenntnishorizont einer gleichermaßen regional- wie mikrogeschichtlich vorbildlichen Studie bietet ein hohes Maß an Erklärungspotential für die allgemeine Geschichte.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

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