Infolge des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots in Baden-Württemberg ist die Zahl der alkoholbedingten Krankenhausaufenthalte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen um sieben Prozent gesunken. Bei älteren Erwachsenen hat die im Jahr 2010 in Kraft getretene Regelung hingegen keine Auswirkungen. Das haben Forscher des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erstmals herausgefunden.
„Das sogenannte Komasaufen unter Jugendlichen ist für die Betroffenen mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden und gesellschaftlich ein Problem. Wenn dies durch den erschwerten Zugang zu Alkohol reduziert werden kann, ist ein nächtliches Alkoholverkaufsverbot auch für andere Bundes-länder ein interessanter politischer Ansatz“, sagen die beiden Studienautoren Thomas Siedler vom HCHE und Jan Marcus vom DIW Berlin.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben sich die alkoholbedingten Krankenhausaufenthalte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland innerhalb von nicht einmal zehn Jahren (2002 bis 2010) mehr als verdoppelt. Im März 2010 reagierte Baden-Württemberg mit einem Alkoholverkaufsverbot: Zwischen 22 und 5 Uhr gehen dort seitdem an Tankstellen, Supermärkten und Kiosken keinerlei alkoholische Getränke mehr über die Ladentheke. Lediglich in Restaurants und Bars ist der Ausschank von Alkohol weiter erlaubt.
Die Forscher aus Berlin und Hamburg konnten nun erstmals zeigen, dass dieses nächtliche Alkoholverkaufsverbot wirkt – wenn auch nicht übermäßig stark: Bei den 15- bis 19-Jährigen und bei den 20- bis 24-Jährigen sind die alkoholbedingen Krankenhauseinlieferungen seit Beginn des Verkaufsverbots jeweils um etwa sieben Prozent gesunken – am stärksten bei jüngeren Männern. Zudem wurden infolge des Verkaufsverbots weniger Personen aufgrund von Körperverletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. „Baden-Württemberg konnte sich damit dem allgemeinen Trend widersetzen“, so Jan Marcus vom DIW Berlin. „Während die alkoholbedingten Krankenhauseinlieferungen in den anderen Bundesländern anstiegen, erzielte Baden-Württemberg durch das nächtliche Alkoholverkaufsverbot bereits kurzfristig eine Stagnation.“ Allein in den ersten 22 Monaten nach Inkrafttreten konnten über 700 alkoholbedingte Krankenhauseinlieferungen in Baden-Württemberg vermieden werden.
„Jugendliche kaufen seltener Alkohol auf Vorrat und haben in der Regel weniger Geld zur Verfügung, so dass sie Alkohol öfter in Supermärkten und Tank-stellen kaufen als Erwachsene, die einfacher auf Kneipen und Restaurants ausweichen können“, erklärt Siedler. Daher entfalte das nächtliche Alkohol-verkaufsverbot seine Wirkung nur bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bei den älteren Erwachsenen ab 25 Jahren stellen die Forscher dagegen keine signifikante Reaktion fest. Marcus: „Hier spielen auch ein höheres Einkommen und eine eigene Wohnung eine Rolle. Der Alkoholkonsum findet geplanter und weniger in der Öffentlichkeit statt.“
Die groß angelegte Studie von HCHE und DIW Berlin hat erstmals die kurzfristigen gesundheitlichen Effekte des Alkoholverkaufsverbots in Baden-Württemberg untersucht. Die Forscher werteten dafür eine 70-Prozent-Stichprobe aller Krankenhauseinlieferungen in Deutschland für die Jahre 2007 bis 2011 aus (Krankenhausdiagnosestatistik). Alleine für das Jahr 2011 analysierten die Forscher Daten von 13 Millionen Krankenhausaufenthalten. Durch den Vergleich mit anderen Bundesländern konnten sie generelle Veränderungen im Alkoholkonsum herausrechnen und auch wirtschaftliche und demografische Veränderungen in den einzelnen Bundesländern berücksichtigen.
Originalbeitrag
Jan Marcus und Thomas Siedler: Reducing binge drinking? The effect of a ban on late-night off-premise alcohol sales on alcohol-related hospital stays in Germany; Journal of Public Economics, 2015. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0047272714002564
Für Rückfragen:
Hamburg Center for Health Economics, Universität Hamburg
Andrea Bükow, Tel.: 040 42838-9515,
E-Mail: andrea.buekow@wiso.uni-hamburg.de
Elena Granina, Tel.: 040 42838-9516,
E-Mail: elena.granina@wiso.uni-hamburg.de
www.hche.de
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)
Sebastian Kollmann, Tel.: 030 897 89 250
E-Mail: presse@diw.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
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