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28.08.1998 00:00

IEK-Tagung: Die Welser und ihr historisches Umfeld

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Vom 24. bis zum 26. September 1998 veranstaltet das Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg im Wissenschaftszentrum Schloß Reisensburg ein Rundgespräch zum Thema "Die Welser. Ein oberdeutsches Handelshaus und sein historisches Umfeld". Von den Wissenschaftlichen Leitern der Tagung, Prof. Dr. Johannes Burkhardt und PD Dr. Mark Häberlein, eingeladen sind 22 Referentinnen und Referenten aus Aachen, Bonn, Freiburg, Göttingen, München, Zürich und Augsburg. Ihre Beiträge beziehen sich auf die fünf Themenfelder "Die Welser und Vöhlin im 15. und frühen 16. Jahrhundert", "Familiäre Beziehungen und sozialer Status im 16. und frühen 17. Jahrhundert", "Indien und Amerika", "Handels- und Finanzbeziehungen" sowie "Kulturgeschichtliche Aspekte".

    In praktisch jedem Überblickswerk zur deutschen Geschichte des 16. Jahrhunderts finden die Welser neben den Fuggern als wichtigste Repräsentanten des sogenannten Frühkapitalismus Erwähnung. Dabei werden die Welser in der Regel nach den Fuggern an zweiter Stelle genannt. Diese Priorität entspricht nicht nur der Finanzkraft der beiden Firmen, sondern spiegelt auch den sehr unterschiedlichen Forschungsstand wider. Während die Fuggerforschung in dutzenden von Monographien ihren Niederschlag gefunden hat, die zumeist in einer eigenen Schriftenreihe, den "Studien zur Fuggergeschichte" erschienen sind, fällt die Literatur zu den Welsern in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht deutlich bescheidener aus. Von wenigen Ausnahmen wie Walter Großhaupts Grazer Dissertation über Bartholomäus Welser (1987) und Bernd Roecks Studien über Marcus Welser und den Augsburger Späthumanismus (1984, 1989) abgesehen, hat die neuere Forschung den Welsern wenig Beachtung geschenkt. Dieser ungleichgewichtige Forschungsstand ist wiederum als Folge der disparaten Quellenlage anzusehen; während die Fugger über ein gewachsenes, hauptamtlich verwaltetes Familienarchiv verfügen, sind die Quellen zur Welser-Geschichte weit verstreut und oft an entlegenen Orten aufbewahrt.

    Eigenständiger Zugang zur Lebenswelt reichsstädtischer Eliten

    Dabei gibt es gewichtige Gründe, die Familie Welser, ihre Handelsaktivitäten, ihr soziales Umfeld und ihre kulturellen Aktivitäten als Thema neu zu entdecken und der Welser-Forschung neue Impulse zu geben. Erstens lassen sich anhand der spezifischen unternehmerischen Strategien und "Leistungen" der Welser - vor allem des frühzeitigen und anhaltenden Interesses an der überseeischen Expansion, wie es in der Beteiligung an der portugiesischen Indienfahrt von 1505/6 und der Conquista von Venezuela seit 1528 seinen Niederschlag gefunden hat - die Möglichkeiten und Grenzen des oberdeutschen Frühkapitalismus besonders gut verdeutlichen. Zweitens repräsentierten die Welser und Fugger, wie die Forschungen von Olaf Mörke und Katarina Sieh-Burens in den 80er Jahren gezeigt haben, zwei unterschiedliche Typen reichsstädtischer Führungsgruppen, die unterschiedliche verwandtschaftliche Netzwerke und Lebensstile ausbildeten. Während sich die Fugger bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch den Erwerb von umfangreichem Grundbesitz auf dem Lande, Standeserhebungen, Heiraten mit Adligen und eine an adligen Leitbildern orientierte Lebensführung sozial und mental von der reichsstädtischen Gesellschaft entfernten, blieben die Welser in sehr viel stärkerem Maße in der städtischen Führungsschicht aus Großkaufmannschaft und Patriziat verankert, übernahmen politische Führungsämter in der Reichsstadt und hielten an einem "urbanen" Lebensstil fest. Damit ermöglicht die eingehendere Erforschung der Welser und ihres historischen Umfelds einen eigenständigen Zugang zur Lebenswelt reichsstädtischer Eliten.

    Neue Impulse für Sozial- und Verhaltensgeschichte

    Drittens ist die Rolle der Welser in der reichsstädtischen Gesellschaft des späten 15. bis frühen 17. Jahrhunderts durch eine Vielzahl bislang unzureichend erforschter kultureller Aktivitäten - humanistische Bestrebungen, Förderung von Künstlern, politische Publizistik - geprägt, deren genauere Untersuchung wiederum Rückschlüsse auf Verhaltensmuster und Mentalitäten erlaubt. Viertens schließlich gilt es, im Falle der Welser eine komplexe, in den letzten Jahren aber zumindest in Umrissen klarer hervortretende Überlieferungsgeschichte zu rekonstruieren, im Zuge derer zentrale Dokumente über ganz Europa an oft entlegene Orte verstreut wurden, die heute in mühsamer Detektivarbeit wieder aufgespürt werden müssen. Eine Reihe von Beiträgen zu dem geplanten Symposium werden sich mit solchen bislang unbeachteten und unausgewerteten Quellenbeständen beschäftigen. Gerade solche neuen empirischen Arbeiten versprechen der Welser-Forschung und darüber hinaus der Sozial- und Verhaltensgeschichte des oberdeutschen Patriziats neue Impulse zu geben.

    Handelsgeschichte - Sozialgeschichte - Kulturgeschichte

    Die Tagung wird von Prof. Dr. Johannes Burkhardt, Ordinarius für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Augsburg und Wissenschaftlicher Leiter des Dillinger Fuggerarchivs, und Dr. Mark Häberlein, Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Freiburg, konzipiert und geleitet. Das Tagungsprogramm versucht, die Bereiche der "klassischen" Handelsgeschichte, der Sozialgeschichte reichsstädtischer Eliten und der Kulturgeschichte gleichermaßen zu berücksichtigen und damit dem Facettenreichtum des historischen Themas gerecht zu werden. Zentrale Themen sind zum einen die vielgestaltigen Beziehungen der Familie Welser zu anderen Patrizierfamilien, zu Geschäftspartnern und Konkurrenten, zu Fürsten, Künstlern und Humanisten; zum anderen der Wandel der Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster, wie er in gesellschaftlicher Stellung, Lebensführung, gelehrten und literarischen Aktivitäten zutage tritt.

    Weitere Informationen:
    Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, Prinzregentenstraße 11a, 86150 Augsburg, Telefon: 0821/34777-0, Telefax: 0821/34777-34, e-mail: stephanie.haberer@iek.uni-augsburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.sz.uni-augsburg.de/iek/index.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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