Der Türkise Prachtgrundkärpfling (N. furzeri) ist mit einer Lebensdauer von drei bis max. zehn Monaten das kurzlebigste Wirbeltier, das im Labor gehalten werden kann und wurde von Forschern des Leibniz-Instituts für Altersforschung (FLI) als neues Tiermodell der biomedizinischen Alternsforschung etabliert. In Kooperation mit dem Clemson University Genomics and Computational Lab (USA) haben die Jenaer eine Klonbibliothek von N. furzeri geschaffen, die das gesamte Genom in Form von definierten DNA-Teilstücken enthält und seit Anfang 2015 Forschern weltweit zur Verfügung steht. Dazu wurden am FLI von 63.000 der DNA-Teilstücke die Enden sequenziert und die Position im Genom punktgenau bestimmt.
Fadenwürmer, Hefepilze und Fruchtfliegen gehören zu den wichtigsten und auch wohl bekanntesten Modellorganismen, um biologische Prozesse des Alterns zu untersuchen. In den letzten Jahren hat sich die Palette jedoch um neue Modellorganismen erweitert, die eine kurze oder lange Lebensspanne aufweisen. Zu den kurzlebigen Vertretern zählt der Türkise Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri), ein auch bei Aquarianern sehr beliebter Fisch. Dieser durchläuft innerhalb von nur drei Monaten den Kreislauf des Lebens: von der Geburt, über die Fortpflanzung bis hin zum Tod.
N. furzeri - Neues Modell der Alternsforschung
Die Lebensdauer des aus Ostafrika stammenden Fisches ist dabei perfekt an sein natürliches Habitat angepasst und variiert zwischen 3 (kurzlebige Populationen, Regenzeit ca. 3 Monate) und 10 Monaten (langlebigere Populationen, Regenzeit mindestens 8 Monate). Selbst unter optimalen Bedingungen im Laboraquarium, also bei ständiger Verfügbarkeit von Wasser und bester Fütterung, lebt der Fisch ähnlich kurz wie in Afrika. Die Information über die extrem kurze Lebensdauer muss also im Genom (Erbgut; Gesamtheit der vererbbaren Information) gespeichert sein.
Der Türkise Prachtgrundkärpfling wurde erfolgreich als neuer Modellorganismus der biomedizinischen Alternsforschung am Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena etabliert und spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen Forschungsprojekten am Institut. „Obwohl die Zucht dieser Fische unter Laborbedingungen recht anspruchsvoll ist, hat sich der Aufwand gelohnt“, berichtet Dr. Matthias Platzer, Forschungsgruppenleiter am FLI. Seine Arbeitsgruppe hat ab 2007 durch erste genomweite Sequenzanalysen den Grundstein zur genomischen Charakterisierung des kurzlebigen Fisches gelegt. Das Genom ist im Vergleich zu anderen in der Forschung gebräuchlichen Modellfischen (z.B. Zebrafisch und Stichling) groß und macht mit 1,9 Milliarden Basenpaaren ungefähr 2/3 der Genomgröße des Menschen aus. „Die im Vergleich zu etablierten kurzlebigen Modellen der Alternsforschung - wie Fruchtfliege und Fadenwurm - größere evolutionäre Nähe des N. furzeri-Genoms zum Genom des Menschen lässt erwarten, dass sich dadurch Forschungsergebnisse besser auf den Menschen übertragen lassen“.
Auf der Suche nach Bereichen im Genom, die Informationen für die Lebenserwartung von Organismen tragen, sind die Forscher des FLI mit dem Fischmodell 2012 einen großen Schritt vorangekommen. Durch Kreuzungen von kurzlebigen mit langlebigeren Laborstämmen konnten sie auf vier verschiedenen Chromosomen Bereiche identifizieren, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit genetische Determinanten für die kurze Lebenserwartung von N. furzeri befinden.
Genombibliothek von N. furzeri
In Kooperation mit dem Clemson University Genomics and Computational Lab (GCL) in South Carolina, USA haben die Jenaer Forscher nun eine Genombibliothek von N. furzeri hergestellt, die seit Januar 2015 Forschern weltweit zur Verfügung steht. “Eine Genombibliothek ist im Grunde ein geordneter Katalog von DNA-Fragmenten, um das Genom und die zugrunde liegenden Gene systematisch zu zerlegen”, erklärt Dr. Christopher Saski, Direktor des GCL. Dazu zerlegten die Forscher in den USA die DNA kurzlebiger Fische in zufällige Stücke von durchschnittlich 150.000 DNA-Bausteinen. Diese wurden in sogenannte „Gen-Fähren“ (BACs, bakterielle artifizielle Chromosomen) verpackt, die die unbegrenzte Vermehrung der Fisch-Genomabschnitte in Bakterien ermöglichen.
Die Fisch-Genombibliothek umfasst 129.035 BAC-Klone, so dass jeder Genombereich durchschnittlich in 10 verschiedenen BAC-Klonen verfügbar ist. Die Forscher in Jena haben die Endsequenzen von 62.788 BAC-Klonen bestimmt, so dass genau bekannt ist, welchen Teil des Fischgenoms diese Klone enthalten. Diese DNA-Sequenzen sind in öffentlichen DNA-Sequenzdatenbanken in Europa, den USA und Japan hinterlegt worden und auch seit Anfang des Jahres weltweit verfügbar. Sowohl am FLI als auch am GCL liegt jeweils eine Kopie der Genombibliothek für Anfragen bereit. „Soll nun z.B. ein bestimmtes Gen oder ein Abschnitt des Genoms von N. furzeri genauer untersucht werden, dann können wir jederzeit die dazu erforderlichen Klone aus der Bibliothek zur Verfügung stellen“, erklärt Dr. Kathrin Reichwald, Projektleiterin am FLI.
"Diese frei zugängliche Genombibliothek von N. furzeri ermöglicht es nun erstmals Forschern weltweit, auf das genetische Material des neuen Tiermodells zuzugreifen, ohne sich selbst im Labor mit großem Aufwand Fische halten zu müssen“, berichtet Reichwald stolz. Bisher arbeiten etwa 45 Gruppen weltweit an N. furzeri-Projekten; vorwiegend in Italien, Deutschland und den USA. „Mit unserer neuen Ressource wird das Interesse an diesem neuen, faszinierenden Tiermodell bestimmt zunehmen und werden sich bald weitere interessante Erkenntnisse in der Alternsforschung erzielen lassen“, sind sich die Forscher einig - zumal Mitte Februar in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift CELL von Kollegen der Stanford Universität (USA) ein Artikel veröffentlicht wurde, der beschreibt, wie N. furzeri-Gene effektiv für Forschungszwecke manipuliert werden können (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25684364).
Publikation
Die Genombibliothek „Nothobranchius furzeri GRZ BAC library“ ist über das GCL (South Carolina, USA) zu beziehen.
(http://www.genome.clemson.edu/online_orders?page=serviceBrowse&service=bacrc).
Die DNA-Sequenzen haben die Datenbanknummern KG817100 bis KG925981 und sind verfügbar bei: EBI/ENA (http://www.ebi.ac.uk/ena/data/view/KG817100), DDBJ (http://getentry.ddbj.nig.ac.jp/getentry/na/KG817100), NCBI (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/nucgss/KG817100).
Kontakt:
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
Tel.: 03641-656378, Fax: 03641-656351, E-Mail: presse@fli-leibniz.de
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Hintergrundinfo
Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.fli-leibniz.de.
Das Clemson University Genomics and Computational Lab (GCL) in Clemson, South Carolina, USA, ist weltbekannt und bietet auf dem Gebiet der Genomik und Computational Biology anspruchsvolle Lösungen zur Bearbeitung komplexer Probleme der Landwirtschaft, der Gesundheit des Menschen und ökologischer Systeme an. Das GLC konzentriert sich dabei auf die Entdeckung und funktionelle Analyse von wichtigen Genen, Netzwerken und genomischen Regionen von Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroben. Näheres unter http://www.genome.clemson.edu.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.
http://www.fli-leibniz.de - Homepage Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena
Ein Fischmännchen des Türkisen Prachtgrundkärpflings (Nothobranchius furzeri, kurzlebiger GRZ-Stamm) ...
[Foto: Nils Hartmann / FLI]
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Ein Fischmännchen des Türkisen Prachtgrundkärpflings (Nothobranchius furzeri, kurzlebiger GRZ-Stamm) ...
[Foto: Nils Hartmann / FLI]
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