1850 brachen im osmanischen Aleppo Unruhen aus, in deren Verlauf muslimische Einwohner aus den östlichen Vororten von Christen bewohnte Stadtteile überfielen. In seiner neuen Publikation „Die Unruhen von 1850 in Aleppo. Gewalt im urbanen Raum“ geht der Historiker und Islamwissenschaftler Feras Krimsti den komplexen und miteinander verwobenen gesellschaftlichen und politischen Ursachen der Unruhen auf den Grund. Feras Krimsti ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Zentrum Moderner Orient. Sein Buch erschien kürzlich in der Reihe „ZMO-Studien“.
Auf der Basis von Quellen aus Kirchenarchiven in Aleppo und Damaskus, die bislang nur in Manuskriptform vorliegen, untersucht Feras Krimsti in seinem neuen Buch die Unruhen von 1850 im osmanischen Aleppo, in deren Verlauf muslimische Einwohner aus den östlichen Vororten von Christen bewohnte Stadtteile überfielen. Die Episode urbaner Gewalt, die durch das militärische Eingreifen der osmanischen Autoritäten gewaltvoll beendet wurde, resultierte in zahllosen Toten, Verletzten und Zerstörungen in bestimmten Teilen der Stadt – sowohl auf der Seite der Angegriffenen wie auch der Angreifer.
Wenn auch essentialisierende Erklärungsmodelle, die den religiösen Aspekt privilegieren, die Forschung zu den Unruhen von 1850 nicht mehr bestimmen, so stellt sich doch die Frage, inwiefern die Ereignisse eingeschrieben sind in einen Kontext konfessioneller Auseinandersetzung. Krimsti zeigt, auch im Rückblick auf eine Tradition urbaner Gewalt, an die die Ereignisse anknüpfen, dass die Unruhen von 1850 in Aleppo keinen Bruch in der Geschichte der Stadt darstellen. Miteinander verflochtene Ursachen politscher, wirtschaftlicher und administrativer Art werden detailliert beleuchtet. Dabei bettet Krimsti die Unruhen auch in die Transformationsprozesse der beginnenden Moderne im Osmanischen Reich ein, die hier von der frühen Tanzimatzeit markiert wird. Dem statischen Bild von den Tanzimat-Reformen als verzweifelter Modernisierungsversuch der Hohen Pforte in Istanbul setzt Krimsti ein deutlich dynamischeres Bild entgegen, das die Reformen eher als Projekt versteht, das zwischen dem Zentrum der Macht und den Peripherien des Reiches verhandelt wurde. Die Unruhen von 1850 gestalten sich vor diesem Hintergrund als eine Zuspitzung der in Gang gesetzten Aushandlungsprozesse.
Ein besonderer Fokus liegt in der Studie auf der Analyse des städtischen Raums: Ausgehend von der Einsicht, dass dieser nicht nur einen Hintergrund bildet, vor dem sich die Geschehnisse entfalten, sondern vielmehr über Geschehnisse Aufschluss geben kann, im Zuge derer er allererst im gesellschaftlichen Miteinander hergestellt wird, wird Raum zur zentralen Größe bei der Annäherung an die Unruhen. Er wird systematisch in die Untersuchung einbezogen und daraufhin befragt, inwiefern er Aufschluss über die komplexen Profile der gesellschaftlichen Gruppen geben kann, die von den Unruhen betroffen waren.
Die Studie bietet die zeitgenössischen Berichte aus lokalen Archiven, auf die sich die Analyse im Einzelnen besonders stützt und die durch den aktuellen Krieg in Syrien unzugänglich und gefährdet sind, im Original und Übersetzung. Ein detaillierter Fußnotenapparat sichert ein umfassendes Verständnis der in Aleppiner Umgangssprache verfassten Darstellungen von den Geschehnissen im Jahr 1850.
In seinem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt sich Feras Krimsti mit dem Thema „Von der Provinz ins Zentrum: Translokale Perspektiven und Repräsentationen Istanbuls in Reiseberichten des 17. und 18. Jahrhunderts“ am Berliner Zentrum Moderner Orient. Feras Krimsti ist Teil des ZMO-Forschungsbereiches „Lebenswege und Wissen“.
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Feras Krimsti - Die Unruhen von 1850 in Aleppo
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik, Religion
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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