Psychologen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zeigen: Ältere Berufstätige gehen aktiver mit beruflichen Belastungen um und sind deshalb weniger gestresst als ihre jüngeren Kollegen. In einer Online-Befragung wurden rund 630 Berufstätige im Alter von 17 bis 73 Jahren zu ihrer Beanspruchung bei der Arbeit und zu ihren Bewältigungsstrategien bei der Lösung von beruflichen Problemen befragt, und zwar zweimal im Abstand von acht Monaten. Die Ergebnisse des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Organizational Behavior“ veröffentlicht.
„Die Stärken älterer Berufstätiger werden oft unterschätzt“, sagt Guido Hertel, Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie und Leiter der Studie. „Dabei übersieht man die wichtigen Fähigkeiten, die ältere Berufstätige, also Menschen zwischen 50 und 65 Jahren, aufgrund ihrer langjährigen beruflichen und persönlichen Erfahrung mitbringen.“
Der Münsteraner Psychologe und seine Kollegen wollten wissen, ob sich jüngere und ältere Arbeitnehmer unterschiedlich durch berufliche Belastungen beansprucht fühlen und welche Bewältigungsstrategien sie im Umgang mit beruflichen Problemen einsetzen.
Dazu befragten sie Berufstätige aus verschiedenen Branchen, darunter soziale, kaufmännische und handwerkliche Berufe. Die Berufstätigen gaben an, wie sehr sie sich von Belastungen bei der Arbeit beansprucht fühlen (Beispielfrage: „Sogar zuhause denke ich häufig an berufliche Probleme“). Außerdem legten die Befragten offen, welche Bewältigungsstrategien sie einsetzen, das heißt, wie sie mit der Lösung von beruflichen Problemen umgehen. Die Autoren unterschieden drei Arten von Bewältigungsstrategien: aktives Problemlösen („Ich konzentriere all meine Anstrengung auf die Lösung des Problems“), aktives Verändern der eigenen Einstellungen („Ich lerne aus der Erfahrung und wachse daran“) und Vermeidungsstrategien („Ich kann nichts an der Situation ändern und belasse es dabei“). Die Berufstätigen beantworteten außerdem Fragen zu ihrem Handlungsspielraum („Wenn Sie Ihre Arbeit insgesamt betrachten, wie oft haben Sie die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen?“) und zu ihren Arbeitsbedingungen.
Die Ergebnisse zeigen: Ältere Berufstätige berichten durchweg weniger Stress als jüngere. Diese Unterschiede zeigten sich auch dann, wenn unterschiedliche Arbeitsbedingungen berücksichtigt wurden. Einen entscheidenden Einfluss hat die Art der Bewältigungsstrategie: Ältere Berufstätige wendeten im Vergleich zu jüngeren mehr aktive Bewältigungsstrategien an, um beruflichen Problemen entgegenzutreten.
Die Wissenschaftler untersuchten ebenfalls, ob sich die Art der angewandten Bewältigungsstrategien bei der ersten Messung auf die wahrgenommene Beanspruchung acht Monate später auswirkt. Dabei zeigte sich, dass Berufstätige, die zum ersten Zeitpunkt mehr aktive Bewältigungsstrategien (sowohl direkte Problembewältigung als auch aktive Einstellungsänderung im Sinne von „ich lerne aus Erfahrungen“) anwandten, ihren Beruf acht Monate später als weniger beanspruchend und stressend empfanden.
„Aktives Bewältigungs-Verhalten ist in starkem Maße von den eigenen Ressourcen abhängig“, erklärt Guido Hertel. „Ältere Arbeitnehmer haben sich im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit ein großes Repertoire an möglichen Verhaltensweisen zum Umgang mit Problemen angeeignet, auf das sie bei Bedarf flexibel zurückgreifen können. Gleichzeitig hilft die geringere Beanspruchung dabei, auch zukünftig aktiver mit Stressoren umzugehen – es entsteht so ein sich selbst verstärkender Kreislauf.“
Zwei weitere Studien der Forschergruppe zeigen ebenfalls, welche Vorteile das Älterwerden im Berufsleben mit sich bringen kann. So erfahren ältere Berufstätige weniger Konflikte zwischen ihren bewussten Zielen (z.B. bei der Arbeit) und ihren unbewussten persönlichen Bedürfnissen (soziale Bindung, Erfolg, Macht), und erleben dadurch höhere Arbeitszufriedenheit als jüngere Berufstätige. Ältere Berufstätige können sich selbst besser einschätzen und erleben deshalb weniger Konflikte bei der Arbeit. Außerdem haben sie höhere Selbstmanagement-Fähigkeiten und können dadurch Motivationsprobleme besser kompensieren als jüngere Berufstätige.
„Arbeitgeber sollten die Potenziale ihrer älteren Mitarbeiter stärker wahrnehmen und gezielt nutzen“, fasst Guido Hertel die Ergebnisse der Untersuchungen zusammen. „Ältere Berufstätige sollten selbstbewusst im Arbeitsleben auftreten und sich ihrer Ressourcen und Vorteile bewusst sein. Sie haben eine Menge zu bieten, für ihre jüngeren Kollegen und für ihre Unternehmen.“
„Die Studien zeigen ebenfalls, wie wichtig verhaltensbezogene Prävention (hier also das Erlernen effektiver Bewältigungsstrategien) hinsichtlich der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ist“, sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Frau Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm. „Psychologische Maßnahmen können im Konzert mit stärker 'verhältnisbezogenen' Maßnahmen dazu beitragen, dass stressbedingte Fehlzeiten von Arbeitnehmern geringer werden.“
Publikationen:
Hertel, G., Rauschenbach, C., Thielgen, M. M., & Krumm, S. (in press). Are older workers more active copers? Longitudinal effects of age‐contingent coping on strain at work. Journal of Organizational Behavior. DOI: 10.1002/job.1995
Thielgen, M.M., Krumm, S., & Hertel, G. (in press). When being old pays off - age mitigates adverse effects of low implicit-explicit motive congruency on work motivation. Journal of Career Assessment. DOI: 10.1177/1069072714547613
Thielgen, M.M., Krumm, S., Rauschenbach, C., & Hertel, G. (2015). Older but wiser: Age moderates congruency effects between implicit and explicit motives on job satisfaction. Motivation and Emotion, 39, 182-200.. DOI: 10.1007/s11031-014-9448-8
Kontakt:
Prof. Dr. Guido Hertel
Professor für Organisations- & Wirtschaftspsychologie
E-Mail: ghertel@uni-muenster.de
Tel.: 0251 8334161
Homepage des Lehrstuhls Organisations- & Wirtschaftspsychologie in Münster:
http://www.uni-muenster.de/OWMS/
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http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/job.1995/abstract
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