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27.03.2015 09:12

Suche nach dem Schlüssel für den mRNP-Code

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    18 neue Schwerpunktprogramme hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vor Kurzem genehmigt; eines davon wird von Wissenschaftlern der Universitäten Würzburg und Köln koordiniert. Sein Ziel: Ungelöste Fragen bei der Umwandlung der Information eines Gens in ein Protein zu beantworten.

    Im Prinzip klingt die Angelegenheit einfach: Jedes Gen kodiert ein Protein. Um die Information aus dem Zellkern, wo die DNA liegt, in das Zellplasma zu transportieren, wo die Proteine synthetisiert werden, kommt ein „Bote“ zum Einsatz – die sogenannte messenger-RNA, kurz mRNA. Sie bildet quasi eine Abschrift des jeweiligen Gens und liefert den Bauplan für das benötigte Protein.

    In der Realität ist dieser Prozess weitaus komplizierter: „Die mRNA liegt niemals nackt vor, sondern ist mit einer Vielzahl von Proteinen bedeckt, die selbst bestimmte Funktionen übernehmen“, erklärt Professor Utz Fischer. Rund 1.000 solcher Proteine sind nach Fischers Worten heute bekannt. Sie können sich in unterschiedlichen Kombinationen dem mRNA-Strang anheften und damit ein „unglaublich komplexes Netzwerk“ bilden. mRNP, oder messenger-Ribonukleoproteine heißen diese Verbindungen aus mRNA und assoziierten Proteinen.

    105 Millionen Euro für 18 Schwerpunktprogramme

    Utz Fischer hat an der Universität Würzburg den Lehrstuhl für Biochemie inne. Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Privatdozenten Niels H. Gehring von der Universität Köln, hat er bei der DFG den Antrag eingereicht, ein neues Schwerpunktprogramm einzurichten, das dieses Netzwerk unter die Lupe nehmen soll. Mit Erfolg: Unter den 18 neuen Programmen, die die DFG jetzt genehmigt hat, sind Fischer und Gehring dabei. Sie koordinieren das Vorhaben: „Deciphering the mRNP code: RNA-bound Determinants of Post-transcriptional Gene Regulation”.

    Schwerpunktprogramme dienen laut Aussage der DFG dazu, „grundlegende wissenschaftliche Fragestellungen in besonders aktuellen oder sich gerade bildenden Forschungsgebieten“ zu untersuchen. Das Interesse daran ist groß: Unter 87 Konzepten mussten die DFG-Gremien diesmal eine Auswahl treffen; nur 18 – also gerade mal 20 Prozent – waren erfolgreich. Für sie stehen in einer ersten Förderperiode in den kommenden drei Jahren insgesamt rund 105 Millionen Euro zur Verfügung; rund sechs Millionen Euro davon gehen an das Programm, das Fischer und Gehring koordinieren werden. In der Regel werden die Schwerpunktprogramme sechs Jahre gefördert.

    Wie Proteine untereinander kommunizieren

    „Wenn von einem Gen eine Abschrift in Form einer mRNA gemacht wird, heißt das noch lange nicht, dass es anschließend auch zur Synthese des jeweiligen Proteins kommt“, erklärt Utz Fischer. Tatsächlich entscheiden die anhaftenden Proteine darüber, wann die mRNA zum Einsatz kommt, in welcher Menge Proteine produziert werden, wie lange der Strang arbeitet und wo er aktiv wird. Sie sind damit im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass Zellen schnell in der Lage sind, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren, beispielsweise überraschend im Krankheitsfall oder ganz regulär während der Entwicklung des Organismus.

    Dafür müssen diese Proteine auch untereinander kommunizieren. Dass sie das tun, ist bekannt; wie diese Kommunikation allerdings im Detail abläuft, ist noch weitestgehend unklar. Dass dieser Prozess einer gewissen Dynamik unterliegt, verkompliziert die Erforschung zusätzlich: „Der mRNP-Code ändert sich dramatisch im Laufe des Lebens der mRNA“, so Fischer. Damit ist er allerdings auch anfällig für Fehler, was medizinisch relevant sein kann. „Defekte in Abschnitten von mRNA, aber auch in Proteinen, die mit ihr wechselwirken, sind häufige Ursache vieler verschiedener Krankheiten des Menschen“, sagt Fischer. Bekannte Beispiele dafür sind neurologische Störungen wie Schizophrenie oder das Fragile X-Syndrom.

    Die Bekanntgabe der neuen Schwerpunktprogramme markiert gleichzeitig den Start eines neuen Auswahlverfahrens. Denn bislang steht noch nicht fest, wer gemeinsam mit Fischer und Gehring versuchen wird, das komplexe Netzwerk von Proteinen und mRNA-Strängen zu entflechten. Wissenschaftler aus ganz Deutschland haben in den kommenden Monaten die Möglichkeit, Förderanträge an die DFG zu richten. Diese werden anschließend „in einem strengen Begutachtungsverfahren auf ihre wissenschaftliche Qualität und ihren Beitrag zum jeweiligen Hauptthema geprüft“, wie die DFG mitteilt. Erst Ende dieses Jahres werden Fischer und Gehring also genau wissen, wie viele Gruppen und Projekte sie tatsächlich koordinieren werden. Fischer rechnet mit 15 bis 20 Forscher-Teams aus unterschiedlichen Fachgebieten – angefangen bei der Biologie über Strukturbiologie und Biochemie bis zur Bioinformatik.

    Moderne Technik produziert gewaltige Datenmengen

    Diese sollen sich dann auch mit einem weiteren ungelösten Rätsel rund um den mRNP-Code beschäftigen: Unter den etwa 1.000 bislang bekannten Proteinen, die sich dem mRNA-Strang anlagern, finden sich zahlreiche Enzyme, die sich bisher damit noch nicht in Verbindung bringen ließen. „Es ist unklar, weshalb sie mit der mRNA interagieren und vor allen Dingen, was sie mit dieser machen. Hier erwarten wir noch so manche Überraschung“, so der Biochemiker.

    Sechs Jahre werden nach Aussage der Wissenschaftler wohl nicht ausreichen, um den mRNP-Code in allen Details zu entschlüsseln. Dennoch ist Fischer sicher, dass es gelingen wird, „ein gutes Stück weiterzukommen“. Dazu trage auch die schnell voranschreitende Entwicklung neuer Technologien bei. Mit Hilfe beispielsweise des next generation sequencing und Analysen im Großdurchsatz sei die Wissenschaft inzwischen in der Lage, innerhalb kurzer Zeit gewaltige Mengen an Daten zu produzieren, die anschließend von Bioinformatikern aufgearbeitet werden können.

    „Wenn wir in der Lage sind, den mRNP-Code zu verstehen, wird das unser Wissen über die Regulation der Genexpression vervollständigen“: Davon ist Utz Fischer überzeugt. Gleichzeitig werde dieses Wissen einen bedeutenden Einfluss auf die biomedizinische Forschung haben. Von der Tatsache, dass es sich dabei um ein äußerst komplexes Problem handelt, müsse man sich seiner Meinung nach nicht abhalten lassen. „Vielleicht ist es unter dem Strich ja simpler als man denkt.“

    Kontakt

    Prof. Dr. Utz Fischer, Lehrstuhl für Biochemie, T: (0931) 31-84029, utz.fischer@biozentrum.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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