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14.04.2015 09:09

Universität Tübingen beleuchtet ihre Vergangenheit im Nationalsozialismus

Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Ausstellung im MUT: „In Fleischhackers Händen. Tübinger Rassenforscher in Łódź 1940–1942“

    Aus Anlass des Kriegsendes vor 70 Jahren gibt die Universität Tübingen der Öffentlichkeit erstmals einen umfassenden Überblick über ihre Geschichte während der NS-Zeit. In Kooperation mit dem Institut für Ethik und Geschichte der Medizin sowie dem Universitätsarchiv präsentiert das Museum der Universität Tübingen MUT in mehreren Ausstellungen das Schicksal von Tätern, Opfern und Mitläufern. Gesprächsrunden, Führungen, Vorträge sowie eine Filmreihe komplettieren das Programm, das sich eingehend mit der Problematik der „Universität im Nationalsozialismus“ befasst.

    Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe eröffnet das MUT die Ausstellung „In Fleischhackers Händen. Tübinger Rassenforscher in Łódź 1940–1942“ am Donnerstag, dem 23. April 2015, um 17 Uhr auf Schloss Hohentübingen. Ihre Exponate beschäftigen sich mit dem Anthropologen und SS-Obersturmführer Dr. Hans Fleischhacker (1912–1992), der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Tübinger Rassenbiologischen Institut tätig war. Im ersten Teil der Kabinettausstellung wird anhand von Objekten und Dokumenten die Verbindung von universitärer Rassenforschung und SS-Ideologie am Beispiel der Tätigkeiten Fleischhackers präsentiert. Zu den Exponaten gehören Vermessungsgeräte oder auch die einzige erhaltene Kopie seiner Habilitationsschrift aus dem Naturhistorischen Museum in Wien.

    Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen rund 600 Handabdrücke von Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto Litzmannstadt (Łódź), die im Jahr 2009 in den Beständen des ehemaligen Instituts entdeckt wurden. Deutsche Rassenanthropologen hatten sie im Jahr 1940 gesammelt. 1943 dienten sie als Grundlage für die Habilitationsschrift Fleischhackers. Fleischhacker wertete die Handleisten nach spezifischen Mustern aus. Die „rassische Sonderstellung“ „der Juden“, so sein der NS-Ideologie entsprechendes Fazit, sei anhand dieser Handabdrücke „klar erwiesen“. Der SS-Rassenexperte maß den Ergebnissen seiner Habilitation „nicht nur vom rein wissenschaftlichen, sondern auch vom rassenpolitischen Standpunkt aus“ einen eminenten Wert bei.

    Zur Ausstellung „In Fleischhackers Händen“ erscheint ein Begleitband. Er ist einerseits das Ergebnis einer wissenschaftlichen Tagung zur Vorbereitung der Ausstellung, andererseits dokumentiert er alle in der Ausstellung präsentierten Handabdrücke der jüdischen Insassen des Ghettos Litzmannstadt (Łódź). Die Publikation beleuchtet den Akteur Hans Fleischhacker – sein Handeln als Wissenschaftler und NS-Täter – und greift dabei eine neuere Forschungsdiskussion zur historischen Verortung der NS-Wissenschaftsverbrechen auf.

    Im Zuge des Jahresprogramms sind drei weitere Ausstellungen in Vorbereitung: „Forschung – Lehre – Unrecht“ wird sich ab dem 21. Mai mit der Institution Universität im Nationalsozialismus befassen, der besonderen Rolle von Naturwissenschaften, Medizin und Geisteswissenschaften, aber auch mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Universität nach 1945. Einem Alumnus der Universität ist die Ausstellung „Fritz Bauer – Der Staatsanwalt“ gewidmet, die ab 8. Mai im Landgericht Tübingen zu sehen ist. Bauer war als hessischer Generalstaatsanwalt in den 50er und 60er Jahren die treibende Kraft bei der juristischen Aufarbeitung des Holocausts. Die Ausstellung „Hans Bayer/Thaddäus Troll“ widmet sich schließlich ab dem 29. Oktober dem Lebensweg des Schriftstellers, der in Tübingen studierte und von 1941 bis 1945 als Kriegsberichterstatter tätig war.

    „Vor allem über das Medium der Ausstellung sollte es gelingen, die Universitätsgeschichte und persönlichen Schicksale im Nationalsozialismus einem größeren Interessentenkreis zu vermitteln, als es die zwar vielfach existierenden, zuweilen jedoch etwas abgelegenen Forschungsbeiträge erlauben“, sagt Professor Ernst Seidl, Leiter des MUT.

    Zum umfangreichen Jahresprogramm „Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus“ ist ein Flyer erschienen, der auf der Homepage des MUT zum Download bereit steht: www.unimuseum.de

    Ausstellung: Organisation: Institut für Ethik und Geschichte der Medizin IEGM: Jens Kolata, Dr. Richard Kühl, Dr. Henning Tümmers, Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing in Kooperation mit dem Museum der Universität Tübingen MUT

    Ort: MUT | Schloss Hohentübingen | Kabinettraum, Burgsteige 11, 72070 Tübingen

    Laufzeit: 24. April bis 28. Juni 2015
    Öffnungszeiten: Mittwoch, Freitag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 19 Uhr
    Informationen: 07071-29-77384, www.unimuseum.de

    Publikation:
    „In Fleischhackers Händen. Wissenschaft, Politik und das 20. Jahrhundert“
    Herausgegeben von Jens Kolata, Richard Kühl, Henning Tümmers, Urban Wiesing;
    Tübingen: MUT, 2015 (Schriften aus dem Museum der Universität Tübingen MUT, Hg. von B. Engler und E. Seidl, Band 8), 270 Seiten, durchgehend farbige Abbildungen
    19,90 Euro; ISBN: 978-3-9816616-4-4

    Zu bestellen unter 07071-29-77384 oder -76437; museum@uni-tuebingen.de

    Kontakt:
    Für die Ausstellung „In Fleischhackers Händen“:
    Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing, Dr. Richard Kühl, Dr. Henning Tümmers, Jens Kolata
    Universität Tübingen
    Institut für Ethik und Geschichte der Medizin
    Telefon 07071 29-78016
    urban.wiesing@uni-tuebingen.de
    www.iegm.uni-tuebingen.de

    Für das gesamte Jahresthema und –programm, Ansprechpartner für druckfähiges Fotomaterial:
    Prof. Dr. Ernst Seidl
    Museum der Universität Tübingen MUT
    Telefon 07071 29-74134
    ernst.seidl@uni-tuebingen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.unimuseum.de


    Bilder

    Ein Handabdruck aus dem Ghetto Litzmannstadt
    Ein Handabdruck aus dem Ghetto Litzmannstadt
    Foto: IEGM, Universität Tübingen
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    Augenfarbentafel für Vergleichsmessungen
    Augenfarbentafel für Vergleichsmessungen
    Foto: MUT / V. Marquardt
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    fachunabhängig
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Ein Handabdruck aus dem Ghetto Litzmannstadt


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    Augenfarbentafel für Vergleichsmessungen


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