Augsburger Studie zu den fatalen Folgen der radikalen Differenzierung des Studienangebots im Gefolge der Bologna-Reform
Augsburg/MS/KPP - Die Bewältigung des Übergangs aus entsprechend qualifizierenden Schul- bzw. Ausbildungslaufbahnen auf eine Hochschule oder Universität - in das tertiäre Bildungssystem also - ist seit jeher eine große Herausforderung im Lebenslauf und Werdegang eines jungen Menschen. Dass die Bologna-Reform das Studienangebot in diesem tertiären Bildungssystem in einem unkontrollierbaren und radikalen Maße ausdifferenziert und unübersichtlich gemacht hat und dass studierwillige junge Menschen durch diese neue Situation einer extremen Multioptionalität überfordert sind - dies bestätigt eine Studie des Augsburger Soziologen und Bildungswissenschaftlers Dr. Marco Schröder, die auf drei verschiedenen Untersuchungen basiert und jetzt im Klinkhardt Verlag erschienen ist.
3000 statt 180 – plus 1400 Prozent
Während im Jahre 1999 noch zwischen 180 unterscheidbaren und mehr oder weniger klar definierbaren Studienfächern gewählt werden konnte, stehen heute an deutschen Universitäten und Hochschulen über 3.000 unterschiedliche grundständige Studiengänge zu Auswahl. Dies zeigt eine inhaltsanalytische Auswertung von mehr als 16.000 Studienangeboten in Deutschland. In den ersten zehn Jahren nach der Bologna-Reform ist damit ein Anstieg der grundständigen Studienalternativen um mehr als 1.400 Prozent zu verzeichnen. Wo früher beispielsweise lediglich Informatik zur Auswahl stand, machen heute über 140 als unterschiedlich spezialisiert ausgewiesene Informatikstudiengänge die Wahl zur Qual.
Studienwahl in Unkenntnis und Unsicherheit
Die daraus resultierende Problematik einer unüberschaubaren und dementsprechend desorientierenden Multioptionalität des Angebots führt zwingend zu der Frage, ob eine reflektierte und irgendwie rationale Studienwahl unter diesen gegebenen Bedingung überhaupt noch möglich ist. „Meine Befragung von 1.492 Studienanfängerinnen und Studienanfängern zeigt eindeutig, dass sie aufgrund der immensen Anzahl an Wahlmöglichkeiten passende interessenskongruente Studienalternativen gar nicht kannten und dass sie mit dieser Situation der Multioptionalität völlig überfordert waren“, so Schröder.
Trial and error
Gleichwohl wird gewählt, muss gewählt werden. Wie aber, wenn nicht rational? „Statt rationaler Entscheidungsmechanismen und rationaler Begründbarkeit treten in Reaktion auf die Multioptionalität bei der Studienwahl vermehrt alternative, begrenzt rationale Heuristiken und Entscheidungsstrategien auf, die ich im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie explorativ aufgedeckt habe“, berichtet Schröder. So würden angehende Studierende bei ihrer Studiengangswahl häufig beispielsweise einfach nur noch nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip verfahren: Studiengänge werden ausprobiert und gegebenenfalls dann mehrfach gewechselt.
Lösungswege?
Schröder belässt es in seiner Studie nicht bei einer Diskussion der gravierenden Folgen, die die Bologna-Reform insbesondere mit ihren fatalen Konsequenzen in Sachen desorientierender Multioptionalität für das tertiäre Bildungswesen hat – und damit auch für Unternehmen, Beratungsinstitutionen, Schulen und vor allem für die jungen Menschen selbst, die über ihre Bildungs- und Berufsperspektiven entscheiden müssen; er diskutiert vielmehr auch ausgewählte Lösungswege wie etwa die Ausweitung eines „studium generale“ an Universitäten und Hochschulen, wie ausgewählte Programme der interinstitutionalen Begleitung und Beratung oder wie z. B. auch ein grundsätzliches Neuverständnis der Studienwahl als subjektive Exploration.
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Publikation:
Marco Schröder: Studienwahl unter den Folgen einer radikalen Differenzierung, Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn 2015, 224 Seiten, 39,90 EUR, ISBN 978-3-7815-2015-8
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Kontakt:
Dr. Marco Schröder
Wirtschafts- und Berufsdidaktik
Universität Augsburg
86135 Augsburg
T 0821/598-5909
marco.schroeder@phil.uni-augsburg.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
fachunabhängig
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
Deutsch
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