Ein hoher Anteil der alternden Bevölkerung ist von Herzrhythmusstörungen betroffen. Kölner Wissenschaftler haben nun gezeigt, dass nur wenige Herzzellen mit eingeschränkter Funktion der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, genügen, um solche Arrhythmien auszulösen.
Köln, 05. Mai 2015. Mitochondrien sind Zellorganellen, die in eine Vielfalt von Funktionen involviert sind. Sie sind “Kraftwerke der Zelle”, weil sie Nährstoffe in Energie umwandeln. Sie sind in die Steuerung des programmierten Zelltods involviert, wenn eine Zelle nicht mehr gebraucht oder sogar gefährlich für den Körper wird. Mitochondrien verfügen über eine eigene DNA (mitochondriale DNA, mtDNA), die im Verlauf des Alterungsprozesses Punktmutationen in ihrer Sequenz ansammelt oder große Anteile verliert (mtDNA-Deletionen). Steigt die Anzahl der so veränderten mtDNA-Kopien zu sehr an, kommt es zu einer dramatischen Störung der mitochondrialen Funktion und in Folge auch der Zellfunktion. Dieses Phänomen tritt in einzelnen Zellen vieler Organe während des Alterungsprozesses auf und führt zu einem „Gewebemosaik“ von einigen Zellen mit mitochondrialer Dysfunktion, die zufällig zwischen vielen normalen Zellen verteilt sind.
Bislang war noch nicht verstanden, ob diese wenigen Zellen mit beschädigten Mitochondrien für den altersbedingten Funktionsverlust von Geweben und Organen mit verantwortlich sein können. Daher hat der Kölner Wissenschaftler Dr. Olivier Baris in der Arbeitsgruppe von Prof. Rudolf Wiesner mit seinen Kollegen dieses Gewebemosaik im Kontext von Herzrhythmusstörungen untersucht. Um sich dieser Frage experimentell zu nähern, haben die Kölner Wissenschaftler Mäuse als Modellorganismen eingesetzt, in denen spezifisch im Herzen ein mutiertes mitochondriales Protein gebildet wird. Dieses Protein wird zur korrekten mtDNA-Vervielfältigung benötigt. In der Klinik führt dieselbe Mutation bei Patienten zur Anhäufung von mtDNA-Deletionen und zu einer schweren neurologischen Erkrankung. Dr. Oliver Baris hat sich mit seinen Wissenschaftler-Kollegen zunächst für die Untersuchung des Herzens entschieden, da dieses Organ besonders stark von der mitochondrialen Energieproduktion abhängt. Dr. Baris: „Vor allem die Häufigkeit von Herz-Rhythmusstörungen (Arrhythmien) steigt im Alter drastisch an und trägt entscheidend zur Morbidität und Mortalität in der älteren Bevölkerung bei“. Das mutierte Protein im Mausherzen führt tatsächlich zur Anhäufung von beschädigter mitochondrialer DNA und der Entwicklung eines Gewebemosaiks . Die Analyse von Langzeit-Elektrokardiogrammen zeigt bei 18 Monate alten Mäusen typische Herz-Rhythmusstörungen, wie sie bei älteren Menschen beschrieben sind: Spontane vorzeitige Kontraktionen und Blockaden der elektrischen Erregungsausbreitung der Herzen, die sich unter Stress noch verstärken. Bei 12 Monate alten Mäusen mit dreimal weniger Zellen mit mitochondrialer Dysfunktion wurde kein erhöhtes Auftreten von Arrythmien beobachtet.
Die Ergebnisse geben Hoffnung für künftig neue therapeutische Ansätze. Dr. Baris fasst zusammen: „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass der Anteil von Herzzellen mit eingeschränkter mitochondrialer Funktion einen Schwellenwert überschreiten muss, um zur Funktionsstörung des Organs zu führen. Ein wesentliches Ergebnis war, dass keine anderen Zeichen kardialer Dysfunktion (erhöhte Vernarbung, Vergrößerung der Herzen oder erniedrigte Pumpleistung) in den mutierten Herzen beobachtet werden konnte. Wir konnten also zeigen, dass die typischerweise im alternden menschlichen Herzen auftretende Neigung zu Rhythmusstörungen von der zufällig auftretenden Anhäufung von beschädigten Mitochondrien in wenigen einzelnen Zellen und dem daraus resultierenden Gewebemosaik hervorgerufen werden könnte“.
Die Herausforderung in der Zukunft ist, zu verstehen, wie die veränderte mitochondriale Funktion in einigen wenigen Herzzellen die Funktion des ganzen Organs beeinträchtigt. Die Wissenschaftler erwarten, dass sich daraus neue pharmakologische Behandlungsstrategien für diese Störung der elektrischen Erregungsausbreitung im Herzen ableiten lassen – wichtige neue Erkenntnisse in der Alternsforschung des Exzellenzclusters CECAD.
Kontakt:
Dr. Olivier Baris
Exzellenzcluster CECAD in der Universität zu Köln
Telefon +49 221 478-7901
olivier.baris@uni-koeln.de
Astrid Bergmeister MBA
Leiterin CECAD PR & Marketing
Telefon + 49 (0) 221-478 84043
astrid.bergmeister@uk-koeln.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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