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13.05.2015 12:00

VLT entdeckt neue Art von Kugelsternhaufen

Dr. Carolin Liefke Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Astronomie

    Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (Garching) - Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO in Chile haben eine neue Klasse „dunkler“ Kugelsternhaufen um die riesige Galaxie Centaurus A zu Tage gebracht. Diese mysteriösen Objekte sehen normalen Sternhaufen zwar ähnlich, enthalten aber deutlich mehr Masse und könnten entweder unerwartet große Mengen an dunkler Materie enthalten oder tragen massereiche Schwarze Löcher in sich – keines von beiden hätte man erwartet, geschweige denn verstanden.

    Kugelsternhaufen sind riesige kugelförmige Ansammlungen von Tausenden von Sternen in Umlaufbahnen um den Großteil aller Galaxien. Sie zählen zu den ältesten bekannten Sternsystemen im Universum und haben beinahe die gesamte Zeitspanne der Entstehung und Entwicklung von Galaxien überlebt.

    Matt Taylor, Doktorand an der Pontificia Universidad Catolica de Chile in Santiago und Empfänger eines ESO-Stipendiums, ist Erstautor einer neuen Studie dazu: „Kugelsternhaufen und die darin enthaltenen Sterne sind der Schlüssel zum Verständnis von Entstehung und Entwicklung von Galaxien. Über Jahrzehnte hinweg dachten Astronomen, dass all die Sterne in einem Kugelsternhaufen dasselbe Alter und dieselbe chemische Zusammensetzung haben – aber wir wissen jetzt, dass es auch merkwürdigere und kompliziertere Kreaturen unter ihnen gibt.“

    Die elliptische Galaxie Centaurus A (die auch als NGC 5128 bezeichnet wird) ist die der Milchstraße am nächsten gelegene Riesengalaxie und steht unter Verdacht, nicht weniger als 2000 Kugelsternhaufen zu beherbergen. Viele dieser Kugelsternhaufen sind deutlich heller und massereicher als jene etwa 150, die die Milchstraße umkreisen.

    Anhand einer Stichprobe von 125 Kugelsternhaufen um Centaurus A führten Matt Taylor und sein Team mit dem FLAMES-Spektrografen am Very Large Telescope der ESO am Paranal-Observatorium im Norden Chiles die bis dahin genauesten Untersuchungen dieser Objekte durch [1].

    Anhand dieser Beobachtungsdaten konnten sie die Massen der Sternhaufen ableiten [2] und verglichen dieses Ergebnis mit der Helligkeit, mit der jeder einzelne der Haufen leuchtet.

    Für einen Großteil der Sternhaufen konnten sie keinen überraschenden Zusammenhang feststellen. Wie erwartet hatten die helleren auch eine größere Masse – wenn ein Haufen mehr Sterne enthält, hat er eine größere Gesamthelligkeit und somit auch eine größere Gesamtmasse. Bei einigen dieser Kugelsternhaufen zeigte sich allerdings ein seltsames Phänomen: Sie waren um ein Vielfaches massereicher als sie es entsprechend ihrer Helligkeit hätten sein dürfen. Noch mysteriöser scheint die Tatsache, dass je massereicher diese ungewöhnlichen Haufen waren, desto größer war der Anteil an Materie, der nicht sichtbar war. Irgendetwas in diesen Sternhaufen ist also unsichtbar, verborgen und massereich. Aber was?

    Es gibt verschiedene Lösungsansätze dazu: Vielleicht enthalten die dunklen Sternhaufen Schwarze Löcher oder andere dunkle stellare Überreste in ihren Kernen? Das könnte zwar einen Teil der versteckten Masse erklären, allerdings könne das kein vollständiger Erklärungsansatz sein, erkannte das Team. Wie sieht es also mit dunkler Materie aus?

    Koautor Thomas Puzia ergänzt: „Unsere Entdeckungen von Sternhaufen, die verglichen mit ihrer darin enthaltenen Anzahl an Sternen eine unerwartet hohe Masse haben, deuten darauf hin, dass es verschiedene Arten von Sternhaufen gibt, die sich in ihrer Entstehungsgeschichte unterscheiden. Auf den ersten Blick erscheinen manche Sternhaufen wie 08/15-Haufen, aber im wahrsten Sinne des Wortes könnte mehr in ihnen stecken.“

    Diese Objekte bleiben weiterhin ein Rätsel. Das Team beschäftigt sich in einer weiteren Studie mit der Untersuchung von Kugelsternhaufen in anderen Galaxien und es deutet einiges darauf hin, dass solche dunklen Haufen auch anderswo vorhanden sind.

    Matt Taylor fasst die Situation wie folgt zusammen: Wir sind über eine neue und mysteriöse Art von Sternhaufen gestolpert! Das zeigt, dass wir immer noch viel über sämtliche Aspekte der Entstehung von Kugelsternhaufen zu lernen haben.“

    Endnoten

    [1] Bis heute haben Astronomen Sternhaufen nur in der Lokalen Gruppe so detailliert untersucht. Die vergleichsweise geringe Entfernung macht dort direkte Messungen ihrer Massen möglich. Indem man das VLT und FLAMES an seine Grenzen brachte, konnte die Masse von Kugelsternhaufen bei NGC 5128 – einer isolierten, massereichen elliptischen Galaxie etwas außerhalb der lokalen Gruppe ca. 12 Millionen Lichtjahre entfernt – in einer komplett anderen Umgebung abgeschätzt werden.

    [2] Die FLAMES-Beobachtungen liefern Informationen über die Bewegungen von Sternen innerhalb des Haufens. Diese Bahninformationen hängen von der Stärke des Gravitationsfeldes ab und können deshalb dazu genutzt werden, die Masse des Haufens abzuleiten – Astronomen nennen solche Schätzungen dynamische Massen. Die Lichtsammelleistung eines 8,2-Meter-Teleskops beim VLT-Hauptteleskop und die Fähigkeit von FLAMES mehr als 100 Haufen gleichzeitig beobachten zu können, war der Schlüssel dazu, die für die Untersuchung notwendigen Daten sammeln zu können.

    Zusatzinformationen

    Die hier präsentierten Forschungsergebnisse von M. Taylor et al. erscheinen unter dem Titel "Observational evidence for a dark side to NGC 5128’s globular cluster system" in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal.

    Die beteiligten Wissenschaftler sind Matthew A. Taylor (Pontificia Universidad Catolica de Chile, Santiago; ESO, Santiago de Chile), Thomas H. Puzia (Pontificia Universidad Catolica de Chile), Matias Gomez (Universidad Andres Bello, Santiago de Chile) und Kristin A. Woodley (University of California, Santa Cruz, USA).

    Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

    Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

    Kontaktinformationen

    Carolin Liefke
    ESO Science Outreach Network - Haus der Astronomie
    Heidelberg, Deutschland
    Tel: 06221 528 226
    E-Mail: eson-germany@eso.org

    Matthew A. Taylor
    Pontificia Universidad Catolica de Chile
    Santiago, Chile
    Tel: +56-9-91912386
    E-Mail: mataylor5128@gmail.com

    Thomas H. Puzia
    Pontificia Universidad Catolica de Chile
    Santiago, Chile
    Tel: +56-9-89010007
    E-Mail: tpuzia@gmail.com

    Richard Hook
    ESO, Public Information Officer
    Garching bei München, Germany
    Tel: +49 89 3200 6655
    Mobil: +49 151 1537 3591
    E-Mail: rhook@eso.org


    Weitere Informationen:

    http://www.eso.org/public/germany/news/eso1519/?nolang - Webversion der Pressemitteilung mit weiteren Bildern (auch in höher aufgelösten Versionen). Zugang vor Ablauf der Sperrfrist bitte bei lars@eso.org erfragen
    http://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso1519/eso1519a.pdf - Fachartikel
    http://www.eso.org/public/germany/images/archive/category/paranal/ - Fotos vom Very Large Telescope der ESO


    Bilder

    Europäische Südsternwarte
    Europäische Südsternwarte

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    Die elliptische Galaxie mit ihren Kugelsternhaufen (markiert)
    Die elliptische Galaxie mit ihren Kugelsternhaufen (markiert)
    Bild: ESO/Digitized Sky Survey. Acknowledgement: Davide de Martin
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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