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01.06.2015 13:40

Neue DGVS Leitlinie zu Magen-Darm-Infekten: Bei Durchfall Antibiotika sparsam einsetzen

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Berlin – Auslöser plötzlicher Durchfallerkrankungen sind oft Bakterien. Dennoch ist ein Einsatz von Antibiotika gründlich abzuwägen, mahnt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Wie eine neue Leitlinie der DGVS hervorhebt, sollten Antibiotika nur in bestimmten Fällen, etwa bei Infektionen mit Shigellen oder auch Salmonellen, zum Einsatz kommen.

    Die Experten betonen, dass Antibiotika häufig auch Ursache schwerer Durchfallerkrankungen sind: In den letzten Jahren verzeichnen vor allem Krankenhäuser einen starken Anstieg von teils schweren, manchmal lebensbedrohlichen Clostridium difficile-Infektionen. Besonders ältere Patienten seien hierdurch gefährdet, so die Experten der Fachgesellschaft.

    In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 65 Millionen akuter Magen-Darm-Erkrankungen bei Erwachsenen. Dies ergab eine Umfrage des Robert-Koch-Instituts. Nur ein Drittel der Erkrankten sucht deshalb einen Arzt auf. Doch auch bei diesen sollten sich Mediziner mit der Verschreibung von Antibiotika zurückhalten, empfiehlt die neue Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“ der DGVS: „Selbst bei Kenntnis des Erregers ist eine Antibiotikabehandlung häufig nicht sinnvoll, da sie die Dauer der Erkrankung kaum verkürzt“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena und einer der beiden Leitlinienkoordinatoren der DGVS. Durchschnittlich dauere eine Durchfallerkrankung drei bis vier Tage und verschwände dann von selbst.

    Sowohl bei Infektionen mit Bakterien wie Campylobacter, als auch bei Erkrankungen durch Yersinien und Escherichia coli empfehlen die Autoren der Leitlinie, in der Regel auf Antibiotika zu verzichten. Selbst bei EHEC-Bakterien, die 2011 in Norddeutschland eine Epidemie ausgelöst hatten, ist laut der Experten nicht sicher, dass Antibiotika den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen, betont Professor Ansgar Lohse, Direktor der I. Medizinische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der gemeinsam mit Stallmach die Leitlinie koordiniert hat. Bei Shigellen, die häufig schwere Erkrankungen auslösen, sollten die Ärzte hingegen Antibiotika verschreiben. Professor Lohse: „Allerdings sind Shigellen oft gegen Antibiotika resistent, sodass eine Resistenztestung erfolgen sollte.“ Auch bei Salmonellen und in Ausnahmefällen bei Reisedurchfällen könne eine Antibiose sinnvoll sein, erklärt Lohse, insbesondere bei einer „Bakteriämie“, also dem Vorhandensein von Bakterien im Blut. Durchfallerkrankungen seien keineswegs immer harmlos, betont Lohse. Gerade ältere oder immungeschwächte Patienten könne eine Gastroenteritis stark schwächen. Manchmal verlaufe ein Infekt sogar tödlich, so der Experte. Patienten mit blutigen Durchfällen, einem schweren Krankheitsbild, Fieber über 38,5 Grad Celsius oder starkem Flüssigkeitsmangel sollten sich immer bei einem Arzt vorstellen.

    Auch für die Betreuung im Krankenhaus gibt die Leitlinie klare Empfehlungen: Eine rationale Diagnostik und begründete Therapie ist demnach genauso wichtig wie das Einhalten der Hygienevorschriften. „Den damit verbundenen Bedarf an Personal und räumlichen Voraussetzungen wie zum Beispiel Isolationseinheiten gibt es leider nicht umsonst“, sagt Andreas Stallmach. Gerade in der Klinik verschärfe wiederum der häufige Einsatz von Antibiotika die Problematik: Zerstören diese die gesunde „Darmflora“ kann sich der Erreger Clostridium difficile ausbreiten und schwere Durchfallsymptome hervorrufen. „Wichtig ist, dass Antibiotika in allen Fächern der Medizin – sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich – stets mit Bedacht eingesetzt werden“, so Stallmach.

    Bei weniger gravierenden Magen-Darm-Infekten helfen normalerweise einfache Mittel um die Symptome zu lindern: So kann der Arzt den Patienten Medikamente mit dem Wirkstoff Loperamid verschreiben, die den Darm beruhigen. Zum Ausgleich des Flüssigkeitsverlusts empfiehlt die Leitlinie eine Salz- und Glukosetrinklösung, die in Apotheken erhältlich ist. Fruchtsäfte, Leitungswasser oder Cola seien dagegen ungeeignete Hausmittel, so die Experten.

    Die Leitlinie gibt erstmals auch Empfehlungen für den Morbus Whipple, einer seltenen Darminfektion, die mit Gelenkbeschwerden und einer langfristigen Gewichtsabnahme einhergeht. Interessierte können das Dokument auf der Internetseite www.dgvs.de kostenfrei herunterladen.

    Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5.000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.

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    Pressekontakt für Rückfragen:
    DGVS Pressestelle
    Anna Julia Voormann
    Irina Lorenz-Meyer
    Postfach 30 11 20
    70451 Stuttgart
    Berliner Büro im Langenbeck Virchow-Haus:
    Luisenstraße 59
    10117 Berlin
    Tel.: 0711 8931-552/-642
    Fax: 0711 8931-167
    lorenz-meyer@medizinkommunikation.org
    www.dgvs.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dgvs.de


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