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02.06.2015 10:25

Kontakt hilft gegen Vorurteile und Diskriminierung

Dr. Anne Klostermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)

    Durch Maßnahmen, die Kontakt zwischen verschiedenen Gruppen fördern, können Vorurteile und Diskriminierung erfolgreich im Alltag bekämpft werden – auch langfristig! Dieses Ergebnis veröffentlichten Psychologen der Philipps-Universität Marburg kürzlich in der Fachzeitschrift „European Journal of Social Psychology“. Für ihre Meta-Analyse sammelten sie Daten aus 73 wissenschaftlichen Dokumenten mit mehr als 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

    „Das Vorurteil ist das Kind der Unwissenheit“, wusste schon der englische Schriftsteller William Hazlitt (1778-1830) Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Später konnte auch die psychologische Forschung zeigen, dass Personen, die Kontakt mit anderen sozialen oder ethnischen Gruppen haben, weniger zu Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt gegenüber diesen Gruppen neigen als solche, die keinen Kontakt haben. Dieses Phänomen wurde unter dem Begriff der „Kontakthypothese“ bekannt. Der positive Einfluss von Kontakt wurde insbesondere in Laborexperimenten und in Umfragen nachgewiesen.

    Bewährung der Kontakthypothese im Alltag

    „Wir wollten aber noch einen Schritt weitergehen und herausfinden, ob sich aktiv herbeigeführter Kontakt, wir bezeichnen dies als Kontaktintervention, unter natürlichen Alltagsbedingungen bewährt und einen stabilen Langzeiteffekt hat – und das vielleicht sogar bei verfeindeten Gruppen in Krisen- oder Konfliktgebieten“, sagt Dr. Gunnar Lemmer. Zusammen mit dem Sozialpsychologen Prof. Dr. Ulrich Wagner hat er zusätzlich untersucht, ob die Kontakthypothese auch für indirekten Kontakt zutrifft. Dieser entsteht, wenn sich die Gruppenmitglieder nicht physisch begegnen, sondern lediglich erfahren, dass Personen aus der eigenen Gruppe mit der anderen Gruppe Kontakt haben.

    Aufwendige Suche nach geeigneten Studien

    Die Forscher analysierten Studien zu Kontaktinterventionen aus den Jahren 1934 bis 2012. Um in der Meta-Analyse berücksichtigt zu werden, mussten die Studien in alltäglichen Situationen durchgeführt worden sein, anspruchsvollen methodischen Kriterien genügen, in deutscher oder englischer Sprache vorliegen und geeignete statistische Angaben zur Berechnung der Wirksamkeit des jeweiligen Kontakts enthalten. Auf der Basis aller Studien wurde dann ermittelt, wie effektiv verschiedene Kontaktformen bezüglich der Verringerung von Vorurteilen waren. Typische Kontaktinterventionen, die in die Meta-Analyse eingingen, waren beispielsweise Maßnahmen in der Schule. Dazu wurden die SchülerInnen und Schüler einer Klasse in ethnisch heterogene Kleingruppen eingeteilt. Innerhalb der Kleingruppen sollten sie sich dann gemeinsam mit der Lösung einer Aufgabe befassen.

    Maßnahmen sind langfristig wirksam

    Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigen, dass Kontaktinterventionen unter natürlichen Alltagsbedingungen wirksam sind –und das langfristig. Sogar Gruppen aus Krisen- oder Konfliktgebieten sprechen positiv auf sie an. Dies gilt sowohl für Angehörige von Minderheiten – zum Beispiel Menschen mit afrikanischem oder osteuropäischem Migrationshintergrund – als auch für Angehörige von Mehrheiten – zum Beispiel der einheimischen Bevölkerung. Außerdem werden die Vorurteile nicht nur gegenüber einzelnen Individuen vermindert, sondern es kommt zu einer Vorurteilsverminderung gegenüber der gesamten fremden Gruppe.
    Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer profitierten von bestimmten Formen des indirekten Kontakts genau so stark wie von direktem Kontakt. Dabei erwies sich indirekter Kontakt besonders dann als wirksam, wenn die Personen anhand von Büchern oder Filmen erfuhren, dass Mitglieder der eigenen Gruppe Kontakt mit der anderen Gruppe pflegen.

    Kontaktinterventionen als politisches Instrument in der Flüchtlingspolitik

    „Unsere Analysen belegen: Kontakt ist eine effektive und leicht einsetzbare Interventionsmaßnahme, die Vorteile und Diskriminierung vermindern kann“, sagt Prof. Dr. Ulrich Wagner. „Dies veranschaulicht die politische Tragweite psychologischer Erkenntnisse.“
    Neben dem Einsatz von Kontaktinterventionen in Schulen oder Sportvereinen, lassen sich die Ergebnisse auch auf die Ansiedlung von Menschen mit Migrationshintergrund und die aktuelle Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen anwenden. So könnten Flüchtlinge zum Beispiel in kleinen Einrichtungen inmitten der einheimischen Bevölkerung untergebracht werden, anstelle von abgeschotteten Heimen außerhalb der Städte.

    Die Originalstudie finden Sie hier:
    Lemmer, G. & Wagner, U. (2015). Can we really reduce ethnic prejudice outside the lab? A meta-analysis of direct and indirect contact interventions. European Journal of Social Psychology, 45, 152-168.

    Kontakt:
    Dr. Gunnar Lemmer
    Fachbereich Psychologie
    Philipps-Universität Marburg
    Tel.: 06421 282 3632
    E-Mail: gunnar.lemmer@uni-marburg.de

    Prof. Dr. Ulrich Wagner
    Fachbereich Psychologie und Zentrum für Konfliktforschung
    Philipps-Universität Marburg
    Tel.: 06421 282 3664
    E-Mail: wagner1@uni-marburg.de

    DGPs-Pressestelle:
    Anne Klostermann
    Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
    E-Mail: pressestelle@dgps.de
    Tel.: 030 28047718

    Über die DGPs:
    Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs e.V.) ist eine Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen. Die über 3500 Mitglieder erforschen das Erleben und Verhalten des Menschen. Sie publizieren, lehren und beziehen Stellung in der Welt der Universitäten, in der Forschung, der Politik und im Alltag.
    Die Pressestelle der DGPs informiert die Öffentlichkeit über Beiträge der Psychologie zu gesellschaftlich relevanten Themen. Darüber hinaus stellt die DGPs Journalisten eine Datenbank von Experten für unterschiedliche Fachgebiete zur Verfügung, die Auskunft zu spezifischen Fragestellungen geben können.
    Wollen Sie mehr über uns erfahren? Besuchen Sie die DGPs im Internet: www.dgps.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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