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03.09.1998 00:00

Talsperrenbau wird ökologisch begleitet

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Limnologen untersuchen die Schwarza

    Jena (03.09.98) Mit umfangreichen Freilandproben untersuchen gegenwärtig Binnengewässerforscher der Jenaer Universität den aktuellen Zustand der Schwarza. Während und nach dem Talsperrenbau Leibis-Lichte sollen dann die Veränderungen dieses nur drei Kilometer entfernten Flusses gegenüber dem ursprünglichen Zustand erfaßt werden können. Damit werden parallel zu dem Bau der Sperre Leibis-Lichte erstmals in Deutschland begleitende Gewässeruntersuchungen angestellt, die die Einflüsse eines Talsperrenbaus auf die Feinsedimente und Kleinstlebewesen der Flußsohle dokumentieren sollen. Ein erster Teil der Proben, den die Jenaer Limnologen in aufwendigen Untersuchungen gewonnen haben, wird derzeit in mühsamer Detailarbeit ausgewertet.

    Die Ökologen sehen in dem Vergleich des Gewässerzustandes vor und nach den Baumaßnahmen die große Chance, daß den Talsperrenbetreibern gezielt Vorschläge unterbreitet werden können, nach welchem Plan das Wasser abgelassen werden sollte, um dem Ökosystem der Schwarza keinen Schaden zuzufügen. Denn "ein Fluß braucht ein Hochwasser", so Dr. Wilfried Schönborn, Leiter der Jenaer Arbeitsgruppe. Durch solche "mechanischen Störungen" ändern sich die Sedimentbestandteile und damit auch die Sauerstoff- und Nährstoffanreicherung des Gewässers. Nach einem Hochwasserereignis wird das Bodensediment wieder aufgelockert, so daß genügend Raum für Kleinstlebewesen wie Insektenlarven, Schnecken und andere Wirbellose bleibt.

    "Werden aber als Folge der Baumaßnahmen Feinsedimente in die Schwarza transportiert, kann die Sedimentschicht in der Flußsohle verstopfen", erläutert Diplombiologin Barbara Meidl, Doktorandin in der Jenaer Arbeitsgruppe. Diese Schicht ist besonders wichtig, wenn ein Fluß durch Chemikalien oder andere Stoffe massiv geschädigt wurde. Sie ist Indikator dafür, wie schnell ein Fließgewässer wieder besiedelt werden kann, denn nach einer Havarie kommen häufig die ersten Organismen im Fluß aus dessen tiefen Sohlenschichten. Andere kleine Lebewesen kehren zurück, indem sie von Wasservögeln eingeschleppt werden oder indem Insekten ihre Eier über dem Fluß abwerfen. Auch innerhalb desselben Flusses oder aus Seitengewässern können diese kleinen Wirbellosen wieder herantransportiert werden.

    Barbara Meidl untersucht die Sedimentzusammensetzung der Schwarza mit der aufwendigen Freeze-Core-Methode, die in Deutschland nur an drei weiteren Einrichtungen genutzt wird. Dabei rammen sie und ihre Kollegen einmal im Monat mit einem großen Vorschlaghammer fünf unten geschlossene Stahlrohre in die Uferzone, die Schotterbank und die Mitte des Flusses. Die 1,60 m großen Rohre bleiben eine Woche im Flußbett stehen. Erst dann leitet die Biologin -190°C kalten flüssigen Stickstoff in eine Öffnung der Rohre. Dadurch gefriert ein maximal 30 cm dicker Sedimentklumpen mit all seinen kleinen Bewohnern auf der Oberfläche des Metalls und bleibt dort kleben. Mit viel Kraft und Anstrengungen ziehen schließlich die Ökologen die Rohre mit der angefrorenen Probe aus dem Fluß. Am Ufer müssen die Gewässerforscher zu Hammer und Meißel greifen, um den Kern Schicht für Schicht vom Rohr abzuklopfen. Zurück im Labor untersuchen und sortieren sie ihre Proben und notieren exakt, wo die einzelnen kleinen Flußbewohner gefunden wurden. Tausende winziger Gläschen enthalten die Kleinstlebewesen und stehen geordnet auf dem Regal von Barbara Meidl. Kleinkrebse, Insektenlarven, Wasservögel und Egel sind nur einige dieser fein säuberlich konservierten und sortierten Tiere, die einst in dem äußerlich unscheinbaren Sedimentkern gelebt haben. Jetzt analysiert die Biologin die Verteilung der Tiere bis 60 cm Tiefe. Sind die einzelnen Schichten erst ausgewertet, wird sie sagen können, wie groß das natürliche Regenerationsvermögen des Flusses ist.

    Ansprechpartner: Dr. Wilfried Schönborn, Institut für Ökologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 07740 Jena,
    Tel. 03641/657591

    (Autorin: Dr. Sabine Goldhahn)

    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931031
    Fax: 03641/931032
    e-mail: h8sago@sokrates.verwaltung.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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