Sie gehören mit über 8.000 Präparaten zu den größten anatomischen Sammlungen in Europa: die Meckelschen Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) im Institut für Anatomie und Zellbiologie. Jetzt stehen sie unter besonderem staatlichen Schutz, denn die Sammlungen wurden in das „Verzeichnis national wertvolles Kulturgut“ aufgenommen. Dort werden nur Kulturgüter verzeichnet, deren Abwanderung aus Deutschland einen wesentlichen Verlust für das Kulturerbe bedeuten würde. Die MLU verfügt damit als einzige Institution in Sachsen-Anhalt über insgesamt sechs dort eingetragene Kulturgüter. Auch unter den Universitäten nimmt sie bundesweit damit eine Spitzenposition ein.
„Die Dichte an herausragenden Sammlungen an der Universität ist immer wieder beeindruckend. Dass die Meckelschen Sammlungen nun neben fünf bereits als besonders schutzwürdig erachteten auch in das Verzeichnis aufgenommen worden sind, sehen wir als besondere Würdigung der Sammlungsobjekte und deren hoher wissenschaftlicher und kulturhistorischer Bedeutung", sagt Rektor Prof. Dr. Udo Sträter. Eingang in das Verzeichnis fanden bereits 2012, die Schönwetter-Sammlung - eine der größten Sammlungen an Eierschalen weltweit - die Geiseltal-Sammlung mit einmaligen Fossilien aus dem Eozän, die Nitzsch-Mallophagensammlung sowie aus der Haustierkundlichen Sammlung der Universität das Pappmaché-Pferd von L.T.J. Auzoux und die Fotoglasplatten Julius Kühns.
Der Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie, Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, fügt erfreut hinzu: „Diese Würdigung für unsere anatomische Sammlung zeigt, wie wichtig dieser Schatz nicht nur für die wissenschaftliche Forschung, sondern auch für das kollektive Gedächtnis unseres Landes ist." Da Kulturgüter immer Zeugnisse der menschlichen Entwicklung in ihrer Gesamtheit sind, kommt ihr Schutz stets der Allgemeinheit zugute. Mit der Aufnahme in das „Verzeichnis national wertvolles Kulturgut" ist ein Verbot verbunden, die Sammlung oder einzelne Exponate zu veräußern oder in das Ausland zu verbringen.
Für Professor Fischer ist die Aufnahme in die Liste des Nationalen Kulturgutes unter zwei Aspekten eine „gewaltige Aufwertung unserer Arbeit". „Nahezu alle Medizinstudierenden in Halle haben die Sammlungen besucht. Wenn man Philipp Meckel ‚in die Augen schauen kann‘, studiert man nicht an einem x-beliebigen Ort, sondern wird sich bewusst, Glied einer langen medizinischen Tradition zu sein. Das ist etwas Einzigartiges und trägt zu der hohen Identifikation hallescher Medizinstudierender mit ihrer Universität bei". Seit vielen Jahren wird die Sammlung zudem ehrenamtlich durch einen Förderverein unter Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Schultka betreut. „Ihm verdanken wir nicht nur die Bewahrung der Sammlung in der heutigen Zeit, sondern vor allem auch die sorgfältige wissenschaftliche Aufarbeitung und Dokumentation der Sammlungsgeschichte." Professor Schultka und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen im Förderverein machen die Sammlung zudem im Jahr mit mehr als 100 Führungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Die Meckelschen Sammlungen sind kein Museum, sondern eine Lehr- und Forschungseinrichtung. Der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität liegt der Erhalt der Sammlungen besonders am Herzen. Dekan Prof. Dr. Michael Gekle erklärt: „Nachdem die Räume des vergleichend-anatomischen Sammlungsbereiches bereits vor einigen Jahren saniert worden
sind, wollen wir ab August 2015 die Bedingungen für den human-anatomischen Sammlungsbereich verbessern." Die Medizinische Fakultät stellt für die Sanierung in den kommenden drei Jahren die nötigen Finanzmittel zur Verfügung, ergänzt durch einen Beitrag aus dem Förderverein.
Hintergrund: Die Meckelschen Sammlungen umfassen heute etwa 8.000 Präparate und zählen damit zu den umfangreichsten ihrer Art in Deutschland. Die Lehr- und Forschungssammlungen gliedern sich in einen human-anatomischen und einen vergleichend-anatomischen Sammlungsbereich. Ihr Kernstück bilden die Präparate der berühmten Ärztefamilie Meckel. Sie werden ihnen zu Ehren insgesamt als Meckelsche Sammlungen bezeichnet.
Die Meckelschen Sammlungen umfassen heute wichtige Präparate aus der Meckelzeit, z. B. die Skelette zum Meckelsyndrom, einer genetisch bedingten Fehlbildung, ein Trockenpräparat zur seitenverkehrten Lage der Brust- und Bauchorgane, viele Präparate zu menschlichen und tierischen Fehlbildungen, seltene Korrosions- und Injektionspräparate zur Darstellung von Blutgefäßen sowie menschliche und tierische Skelette und Schädel. Inmitten des Sammlungsarsenals befindet sich auch das berühmte Skelett von Philipp Meckel, der zu Lebzeiten letztwillig festgelegt hatte, dass er nach dem Tod seziert, skelettiert und das Skelett in einem Schrank in der Sammlung aufgestellt wird.
Die Sammlung war im Ursprung eine private Kollektion. Sie wurde von Johann Friedrich Meckel d. Ä. (1724-1774) in der Mitte der 18. Jahrhunderts in Berlin begründet. Meckel d. Ä. wirkte am Collegium medico-chirurgicum als Professor für Anatomie, Botanik und Geburtshilfe. Sein Sohn Philipp Friedrich Theodor Meckel (1755-1803) erbte die Sammlung und brachte sie mit nach Halle. Er wurde 1777 zum Professor für Medizin und Anatomie an die Universität Halle berufen und vertrat als Ordinarius die Fachgebiete Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe. Er erweiterte die Sammlung seinerzeit auf etwa 3.500 Präparate.
Sein Sohn Johann Friedrich Meckel d. J. (1781-1833), der berühmteste Vertreter der Ärztefamilie Meckel, war Professor für Anatomie und Physiologie an der halleschen Friedrichs-Universität und baute die Sammlung auf etwa 16.000 Präparate aus. Meckel d. J. war ein hervorragender Anatom. Er befasste sich wissenschaftlich vor allem mit der Teratologie, der Lehre von den Fehlbildungen, und mit der vergleichenden Anatomie. Das Meckelsche Divertikel, der Meckelsche Knorpel und das Meckel-Syndrom sind nach ihm benannt. Nach dem Tod Meckels d. J. verkaufte seine Ehefrau Friederike 1836 die Sammlung an die hallesche Universität für 25.000 Taler.
Um die Bedingungen für die Anatomie und damit auch für die anatomischen Sammlungen zu verbessern, wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein neues Anatomisches Institut erforderlich. Es entstand vor dem Steintor und wurde am 22. November 1880 durch Hermann Welcker (1822-1897), den ersten Hausherrn dieses Instituts, feierlich eingeweiht. Seit 1880 befinden sich die anatomischen Präparate in diesem Gebäude. Inzwischen sind neue Lehr- und Forschungspräparate zu den übrig gebliebenen Stücken der Meckel-Sammlung hinzugekommen. Sie waren von den Nachfolgern, vor allem von Hermann Welcker, hergestellt und angeschafft worden. Dazu gehörte auch die „Collectio Welcker", die Schädelsammlung Welckers. Außerdem wurde 1920 die wertvolle Wilhelm-Roux-Sammlung für Entwicklungsmechanik integraler Bestandteil der Sammlung. Wilhelm Roux (1850-1924) ist der Begründer der Entwicklungsmechanik und einer der Urväter der Stammzellbiologie.
Weitere Informationen, auch zu Führungen durch die Sammlungen, finden Sie unter: www.meckelschesammlungen.uni-halle.de
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