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13.05.2003 13:56

BICC-Jahrbuch 2003: Zukunft der Sicherheitspolitik liegt in der Förderung menschlicher Sicherheit

Susanne Heinke Public Relations
Bonn International Center for Conversion (BICC)

    Das Jahr 2002 war ein schlechtes Jahr für weltweite Abrüstung und Konversion. Die Aufwendungen für militärische Zwecke stiegen deutlich an. Trotzdem nahm weltweit das Gefühl von Unsicherheit zu. Insbesondere in den Vereinigten Staaten wurde die Lage als äußerst bedrohlich eingeschätzt. Dabei klafft die Schere der Militärausgaben zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt immer weiter auseinander. Seit Präsident Bush nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 den Kriegszustand erklärt hat, haben die US-amerikanischen Streitkräfte mehrere Kriege gewonnen - Frieden und Sicherheit haben sie nicht geschaffen.

    Die Experten des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) argumentieren in ihrem Jahrbuch 'Conversion Survey 2003', dass weltweite Sicherheit nicht durch militärische Schlachten gewonnen werden kann. Statt dessen muss die nachhaltige Förderung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung mit der Verbesserung der Sicherheit für alle Menschen verbunden werden. Das Konzept der "menschlichen Sicherheit" bietet ein Gegenkonzept gegen eine einseitige Strategie militärischer Aufrüstung und Kriegführung. Die Hilfe zur Verminderung der Armut muss erhöht und die Demokratie in vielen Teilen der Welt gefördert werden. Der Schutz des Lebens und der physischen Sicherheit der Menschen muss durch die Bekämpfung von Kriminalität sowie die Vermeidung und Beendigung bewaffneter Konflikte verbessert werden.

    Steigende Militärausgaben: Der Abstand zwischen den USA und dem "Rest der Welt" vergrößert sich

    Die weltweiten Militärausgaben nahmen weiter zu und dürften 2002 ein Niveau von ca. 900 Milliarden US Dollar erreicht haben. Sie lagen im Jahre 2001, dem letzten, für das verlässliche Zahlen vorliegen, bei 870 Milliarden US Dollar (jeweils in laufenden Preisen). Der Aufbau neuer militärischer Kapazitäten ist allerdings auf relativ wenige Staaten konzentriert. Die USA haben ihren Anteil an den weltweiten Militärausgaben auf fast 40 Prozent erhöht. Ihre Verteidigungsausgaben wuchsen 2002 um fast 13 Prozent. Russland und China gaben ebenfalls mehr Geld für ihre Streitkräfte aus, ihre Anteile sind allerdings mit global ca. vier bzw. fünf Prozent weit geringer als der der USA. In Europa, das 2001 einen Anteil von ca. 29 Prozent an den weltweiten Militärausgaben hatte, ist das Bild uneinheitlich - Großbritannien und Frankreich kündigten eine Steigerung ihres Verteidigungshaushalts an, Deutschland behielt das vorherige Ausgabenniveau bei. Viele andere Länder sind dem Trend zur Erhöhung der Militärausgaben in erster Linie aufgrund von Haushaltsengpässen nicht gefolgt. Noch deutlicher wird die Dominanz der USA bei den Aufwendungen für militärische Forschung und Entwicklung, an denen sie einen weltweiten Anteil von etwa zwei Dritteln haben.

    Konversionsbilanz 2003

    Die Zahl der in der Rüstungsproduktion beschäftigten Menschen nahm 2001 - hauptsächlich aufgrund von Reduzierungen in China - um 2,5 Prozent auf sieben Millionen Menschen ab. Die USA, wo ein Zuwachs um drei Prozent auf 2,3 Millionen Beschäftige in der Rüstungsproduktion zu verzeichnen war, dürften China mit 2,5 Millionen bald überholen. 2001 hatten 42 der führenden hundert Rüstungsunternehmen ihren Sitz in den USA; ihr kumulierter Gesamtumsatz belief sich auf etwa 58 Prozent des Umsatzes der hundert führenden Unternehmen, für die ausreichend Daten verfügbar waren.

    Die Anzahl der Soldaten ist global weiter zurückgegangen und wird für 2001 auf insgesamt 20,8 Millionen geschätzt. In Angola, der Demokratischen Republik Kongo und der Region der Großen Seen wurden umfangreiche Demobilisierungsprogramme begonnen.

    Rückläufig ist auch die Zahl der schweren Waffen. 2001 belief sie sich Schätzungen zufolge auf etwa 408.000. Die Streitkräfte ersetzen ältere Waffen durch eine geringere Zahl von neuen, technologisch fortgeschritteneren Waffen. Kleinwaffen stellen trotz vielfältiger Bemühungen auf politischer wie praktischer Ebene in vielen Teilen der Welt weiter ein gravierendes Problem dar. Das wieder gestiegene Interesse an Massenvernichtungswaffen bewirkte bisher nur unzureichende zusätzliche Anstrengungen zur Beseitigung der vorhandenen Bestände an Nuklear- und Chemiewaffen. Mangelhaft gesicherte Lager sind weiterhin die gefährlichste Quelle von Massenvernichtungswaffen für Terroristen.

    Hochtechnologie und vermehrte militärische Einsätze

    Bei gleichgewichtiger Berücksichtigung von Militärausgaben, Beschäftigung in der Rüstungsproduktion, Anzahl der Soldaten und Zahl der schweren Waffen liegt der Anteil der USA an den weltweiten Beständen bei 22 Prozent. Nach den USA folgen China mit 15 und Russland mit sieben Prozent. Die USA haben dabei verhältnismäßig kleine Streitkräfte (2001 ca. 1,5 Millionen) und geringe Mengen von schweren Waffen (2001 ca. 37.000). Sie setzen auf Hochtechnologie.

    Die zunehmende Überlegenheit durch Hochtechnologie ist eine wichtige Grundlage für die neue US-Militärstrategie. Den Bedrohungen der USA, ihrer Verbündeten und Freunde soll primär mit technologischer Aufrüstung, wenn nötig auch militärischen Einsätzen, begegnet werden. Damit hat die US-Regierung einen gefährlichen Kurs eingeschlagen. "In dem Versuch, der eigenen Bevölkerung Sicherheit zu bieten, hat die US-Regierung Entscheidungen getroffen, die in eine Zukunft mit mehr Kriegen und höheren Militärausgaben auch in anderen Staaten zu einer neuen Spirale von Militarisierung und Gewalt führen könnte," warnt Dr. Michael Brzoska, Forschungsleiter am BICC. Eine zu hohe Gewichtung des Militärs wird zudem die Anstrengungen zur Reduzierung der Armut und der Umweltzerstörung gefährden. Kriege wie der in Afghanistan und im Irak können zwar gewonnen werden. Aber der größere "Krieg" gegen Armut und menschliche Unsicherheit wird darüber möglicherweise verloren.

    Menschliche Sicherheit - aber wie?

    Das Jahr 2002 bot den politischen Entscheidungsträgern wie auch der Zivilgesellschaft etwa auf den Weltgipfeln in Monterrey und Johannesburg Anlässe, die Zusammenhänge zwischen Sicherheit und Entwicklung zu erörtern. In diesen Debatten wurde deutlich, dass sich die Welt in diesen Fragen nicht auf dem Weg zum Konsens befindet. Im Gegenteil, die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Interessen und Sichtweisen hat sich vertieft, obwohl bei den Gipfeltreffen stets das Gegenteil beteuert wird.

    Die Autoren des Jahrbuchs des BICC sehen keine einfachen und allgemein gültigen Antworten auf die Frage, ob mehr Macht und Mittel für die Sicherheitskräfte die Aussichten für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung verbessern oder verschlechtern. "Es kommt offensichtlich darauf an, das notwendige Maß an Sicherheit zu produzieren ohne es zu überschreiten und die Sicherheitskräfte demokratischer Kontrolle zu unterwerfen. Dies ist - wie Afghanistan und jüngst der Irak zeigen - leicht gesagt aber schwierig umzusetzen," räumt Peter Croll, Direktor des BICC, ein. Mit mehr Gewalt, mit Krieg und Aufrüstung kann nicht einmal die Sicherheit derjenigen gewährleistet werden, die militärisch überlegen sind - ganz zu schweigen von denen, für die Sicherheit vor allem ein Problem des täglichen Überlebens ist. "Nur wenn wir die Sicherheit für alle Menschen erhöhen kann es uns gelingen, die momentan herrschende globale Unsicherheit nachhaltig zu verringern," lautet das Fazit des diesjährigen BICC-Jahrbuchs.

    Weitere Informationen:
    Susanne Heinke-Mikaeilian
    Tel.: 0228/911 96-44
    E-Mail: pr@bicc.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bicc.de/general/survey2003/content.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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