Bildungserfolg ist in Deutschland überwiegend Frauensache. Dieses Ungleichgewicht hat Folgen für die persönlichen Karrieremöglichkeiten und führt zu volkswirtschaftlichen Einbußen. Wer etwas dagegen unternehmen will, sollte auf den Unterricht schauen.
In den 1960er Jahren galt die katholische Arbeitertochter vom Land als Inbegriff für im Bildungssystem benachteiligte Personen. Heute trifft dies eher auf den Sohn dieser Familie zu. Denn mehr als die Hälfte der Mädchen jedes Geburtsjahrgangs erreichen inzwischen die Hochschulreife – aber nur etwa 41 Prozent der Jungen. Am anderen Ende der Leistungsskala verlassen 21 Prozent der Jungen die Schule mit höchstens dem Hauptschulabschluss, aber nur 14 Prozent der Mädchen. Mädchen sind jedoch nicht in allem besser als Jungen. So haben 15-jährige Mädchen im Lesen einen Leistungsvorsprung von mehr als einem Schuljahr, während die Mathematik eine Jungendomäne bleibt.
Nicht alle dieser Unterschiede sind neu. Schon vor mehreren Jahrzehnten erhielten Mädchen im Schnitt bessere Noten. Lange konnten sie diese allerdings nicht in entsprechende Abschlüsse umsetzen. Erst Anfang der 1990er Jahre überholten Mädchen die Jungen auch bei den Zertifikaten – obwohl auch die Jungen heute bessere Abschlüsse erreichen als früher. „Trotzdem sind die Geschlechterunterschiede relevant,“ erklärt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. „Denn sie führen zu ungleichen Lebenschancen – etwa weil Jungen seltener studieren können und Mädchen weniger häufig lukrative Karrieren im Mint-Bereich einschlagen.“
Die gute Nachricht ist, dass ungleiche Bildungserfolge von Jungen und Mädchen nicht zwangsläufig auftreten müssen. Denn es gibt zwar biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die Auswirkungen auf den Schulerfolg haben. Diese können aber vom sozialen Umfeld ausgeglichen werden. Hauptgrund für das Gefälle sind ohnehin weniger Intelligenz-Unterschiede als unterschiedliche Verhaltensweisen von Jungen und Mädchen in und außerhalb der Schule: Mädchen stören seltener den Unterricht, machen mehr Hausaufgaben und lesen mehr in ihrer Freizeit.
Bei der Frage, wie den Geschlechterunterschieden beizukommen wäre, ist die öffentliche Diskussion häufig von Missverständnissen geprägt. „Erstaunlicherweise hört man immer wieder, dass Jungen mehr männliche Lehrer benötigen und von nach Geschlechtern getrenntem Unterricht profitieren würden“, stellt Stephan Sievert, Autor der Studie, fest. „Dabei zeigen alle verfügbaren Studien, dass gerade diese beiden Maßnahmen kaum praktische Verbesserungen nach sich ziehen“.
Viel wichtiger ist es, das tatsächliche Unterrichtsgeschehen ins Augenmerk zu nehmen. Steffen Kröhnert, Mitautor der Studie, verweist darauf, dass „die Lehrer und ihr Unterricht der wichtigste Grund von Leistungsunterschieden unter Kindern sind“. In Zukunft sollte daher verstärkt darauf geachtet werden, den Unterricht so zu gestalten, dass sowohl Jungen als auch Mädchen motiviert sind, erfolgreich zu lernen. Gerade für Jungen scheint es besonders wichtig, engagierte Lehrer zu finden, die im Unterricht klare Ziele formulieren und deren Erreichen einfordern. Darüber hinaus sollte noch mehr Gewicht auf Leseförderung und das Hinterfragen von Geschlechterstereotypen gelegt werden. Letzteres könnte auch Mädchen in Mint-Fächern helfen, in denen sie auch deswegen weniger erfolgreich sind, weil ihnen das Selbstvertrauen fehlt. „Ein praktischer Ansatzpunkt wäre, mehr weibliche Physik- oder Mathelehrkräfte einzustellen“, schlägt Stephan Sievert vor.
Die Studie erhalten Sie als PDF kostenlos unter:
http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/schwach-im-abschluss.html
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Schillerstr. 59
10627 Berlin
Ansprechpartner: Stephan Sievert (sievert@berlin-institut.org, Tel.: 030 – 31 10 26 98)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Wirtschaft
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Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
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