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14.05.2003 15:55

DNA und Krebs - Es kommt auf die Verpackung an

Cornelia Glees-zur Bonsen Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    München, 14. Mai 2003 - Mutationen, also Veränderungen in der Sequenz des menschlichen Erbmoleküls DNA, können zur Entstehung von Krebs führen. Das ist seit Jahrzehnten bekannt. Prof. Dr. Heinrich Leonhardt und sein Doktorand Francois Gaudet, Arbeitsgruppe Molekulare Humanbiologie des Departments Biologie II der LMU, konnten jetzt in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science zeigen, dass die Verringerung von üblicherweise vorkommenden chemischen Veränderungen an der DNA, die deren Sequenz und die darin enthaltene genetische Information nicht betreffen, ebenfalls Krebs auslösen können. Die DNA ist ein langes, fadenförmiges Molekül, das in jeder Körperzelle enthalten ist. Das Erbmolekül wird in einer gesunden Zelle durch die Anlagerung kleiner, chemischer Gruppen modifiziert. Die Wissenschaftler konnten bei Mäusen zeigen, dass eine Veränderung dieser chemischen Modifikation das Genom destabilisieren und Tumorwachstum auslösen kann. Das hat Konsequenzen für das Verständnis grundlegender Zellprozesse, aber auch die Therapie von Krebserkrankungen. Die Arbeit wurde in Kooperation mit Prof. Dr. Rudolf Jaenisch, Whitehead Institute des MIT in Boston, und der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joe Gray, University of California, durchgeführt.

    Der Bauplan eines jeden Menschen ist in seiner DNA gespeichert. Diese genetische Information ist in der Sequenz des Erbmoleküls gespeichert, das sich wie eine lange Kette aus etwa vier Milliarden Bausteinen zusammensetzt, wobei es nur vier verschiedene Bausteine gibt. Die Sequenz dieser Einheiten in bestimmten DNA-Abschnitten, den Genen, bestimmt den Aufbau von Proteinen. Eine Mutation in der DNA kann damit zu einem fehlerhaft gebauten Protein führen. Das kann unter Umständen fatale Folgen haben und etwa zu unkontrolliertem Zellwachstum und damit Krebs führen.

    Die in der DNA-Sequenz enthaltene genetische Information ist von entscheidender Bedeutung für alle in der Zelle ablaufenden Prozesse. Aber auch andere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Das ist das Gebiet der Epigenetik: Faktoren, die Zellprozesse entscheidend beeinflußen, aber über die reine Genetik hinausgehen. Leonhardt, Gaudet und ihre Kooperationspartner widmen sich einem Phänomen, das zunehmend mehr Aufmerksamkeit gewinnt: chemische Modifikationen der DNA. Dieses fadenförmige Molekül liegt nicht "nackt" im Zellkern vor, sondern wird verpackt und um Proteinkomplexe wie um eine Spule gewickelt. Die Erbsubstanz wird aber auch chemisch verändert. Bei der so genannten Methylierung werden kleine chemische Gruppen - die Methylgruppen - an die DNA gehängt. Diese DNA-Methylierung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Verpackung und Aktivität der Gene. So können gezielt einzelne Abschnitte des genetischen Bauplans nach Bedarf stillgelegt werden. Nach dem gleichen Prinzip wird auch Fremd-DNA, z.B. von eindringenden Viren, stillgelegt und unschädlich gemacht.

    Die LMU-Wissenschaftler konnten jetzt aber noch einen weiteren Effekt der Methylierung nachweisen: Fehlt sie, entsteht bei Mäusen Krebs. Im Experiment wurden Mäuse untersucht, deren DNA so verändert war, dass sie nur in geringem Ausmaß methyliert war. "Diese Mäuse werden ohne erkennbare Defekte geboren und sind lediglich etwas kleiner als ihre Artgenossen", berichtet Gaudet. "Aber schon im Alter von drei bis vier Monaten entwickeln die Tiere aggressive Tumoren." Eine genaue Untersuchung der Tumoren zeigte, daß die Untermethylierung der DNA zur Destabilisierung des Genoms geführt hatte. "In fast allen Tumorzellen lag das Chromosom 15 statt in den üblichen zwei Kopien in dreifacher Ausfertigung vor", berichtet Gaudet. "Wie gravierend ein derartiges Ereignis sein kann, sieht man an Patienten mit Trisomie 21, die ein überzähliges drittes Chromosom 21 in den Zellen haben und an verschiedenen körperlichen und geistigen Defekten leiden."

    Onkogene können, wenn sie mutiert werden, zu unkontrolliertem Zellwachstum und damit Krebs führen. In den Tumorzellen der hypomethylierten Mäuse wird das c-myc-Onkogen besonders stark exprimiert. Dazu passt auch die Beobachtung, dass dieses Gen auf dem Chromosom 15 liegt - und damit statt in doppelter, in dreifacher Kopie vorliegt. "Unsere Ergebnisse zeigen, daß epigenetische Störungen zur Destabilisierung des Genoms und zur Krebsentstehung führen können und damit die gleichen fatalen Folgen haben wie genetische Veränderungen", so Leonhardt. "Das hat auch Konsequenzen für die Krebstherapie, wo etwa unspezifische DNA-Methylierungshemmer eingesetzt werden." Allerdings könnte dieser therapeutische Ansatz langfristig auch Nebenwirkungen haben und statt des erhofften Heilerfolgs an anderer Stelle selbst neue Tumoren verursachen. Die Entwicklung spezifischer Hemmstoffe ist deshalb dringend nötig. "Besonders interessant ist aber auch ein möglicher Zusammenhang mit dem Lebensführung", meint Leonhardt. "Denn auch eine mangelhafte Ernährung, übermässiger Alkoholkonsum und Umwelteinflüsse können epigenetische Veränderungen in den Zellen bewirken."

    Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Heinrich Leonhardt, Department Biologie II, Humanbiologie
    phone: (089-) 59 96 - 621
    e-mail: Heinrich.Leonhardt@lrz.uni-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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