idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
17.07.2015 11:37

Molekulare Partnersuche: Welcher Ligand passt zu welchem Rezeptor?

Nadja Winter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie

    Medikamente wie Antihistaminika oder Betablocker, die in unserem Körper wirken, binden an G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Diese Moleküle leiten dann ein Signal von außen ins Zellinnere und lösen so eine Reaktion in der Zelle aus. Menschen verfügen über mehrere hundert verschiedene solcher Moleküle, von denen viele unerlässlich sind. Dr. Gáspár Jékely, unabhängiger Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, berichtet in Cell Reports über eine neue Strategie zur besonders schnellen Identifizierung von bisher unbekannten Rezeptoren. Damit kann auch die evolutionäre Vergangenheit dieser weitverbreiteten Rezeptorfamilie aufgeklärt werden.

    Da es einige hundert G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, so genannte GPCRs, und viele tausend potentielle Liganden gibt, ist es sehr schwierig und zeitaufwändig, die richtigen Kombinationen zwischen Rezeptoren und Liganden zu finden. In dieser Studie wurden 87 GPCRs aus Platynereis und 126 verschiedene sogenannte Neuropeptide als potentielle Liganden untersucht. Durch diese große Zahl kamen über zehntausend Kombinationsmöglichkeiten zustande, die es zu testen galt. “Wir mussten uns eine gute Strategie überlegen, um diese Aufgabe in circa einem Jahr bewältigen zu können, und nicht etwa fünf Jahre oder noch länger zu brauchen”, kommentiert Philipp Bauknecht, der Promotionsstudent, der die Experimente durchführte. Ähnlich wie beim Speed-dating sollte jeder Rezeptor innerhalb einer kurzen Zeit einmal auf jedes Neuropeptid treffen. Dies wurde dadurch erreicht, dass jeder GPCR zusammen mit einer komplexen Neuropeptidmischung getestet wurde. Wenn es einen “Treffer” zwischen dem GPCR und einem der Liganden aus der Mischung gab, wurde dies durch grünes Licht sichtbar, das von einem fluoreszierenden Protein ausgestrahlt wurde.

    Die Wissenschaftler forschten danach nur an denjenigen GPCRs weiter, die zuvor aktiviert worden waren, und testeten nun Kombinationen von Mischungen, die nur noch einen Teil der Neuropeptide enthielten. Durch die Kombination der Ergebnisse aus unterschiedlichen Mischungen konnten sie die richtigen Liganden für die GPCRs bestimmen.

    Diejenigen GPCRs, für die ein Ligand identifiziert worden war, wurden dann für eine evolutionäre Analyse verwendet. Die Wissenschaftler fanden verwandte GPCRs in Tieren wie Muscheln, Schnecken und Insekten, aber auch Ratten, Mäusen und Menschen. Für einige der identifizierten GPCR-Familien war zuvor noch kein aktivierender Ligand bekannt gewesen. Das Team konnte zeigen, dass einige der GPCR-Liganden-Paare über Säugetiere, Fische und Insekten hinweg bis zu Würmern evolutionär konserviert sind. Sie kamen also bereits im letzten gemeinsamen Vorfahren des Menschen und des Borstenwurms Platynereis vor, einem Tier, das vor etwa 550 Millionen Jahren lebte.

    Ein besonders interessanter Fund war ein Ligand für den Thyrotropin-releasing-Hormon-Rezeptor der wirbellosen Tiere. Wie der Name andeutet, ist der Ligand dieses Rezeptors das Peptid Thyrotropin-releasing-Hormon (TRH). Dieses Peptid kommt in Wirbeltieren vor und hilft dort, den Stoffwechsel zu steuern. Bisher war angenommen worden, dass bei Wirbellosen dieses Peptid fehlt, obwohl der Rezeptor vorhanden ist. Durch diese Studie konnte die Forschergruppe einen Liganden für den TRH-Rezeptor der Wirbellosen identifizieren: ein kurzes Neuropeptid, das tatsächlich mit dem TRH der Wirbeltiere verwandt zu sein scheint. Es war bisher nicht erkannt worden, weil es so kurz ist und die wenigen Aminosäuren, aus denen es aufgebaut ist, sich im Lauf der Evolution geändert haben. “Ohne das Rezeptor-Liganden-Paar hätten wir dieses Rätsel nicht lösen können”, erläutert Dr. Gáspár Jékely. Der Rezeptor ist viel länger als das Peptid, und konserviert genug, um die Verwandtschaft des Wirbeltier-Rezeptors mit dem Rezeptor der Wirbellosen deutlich werden zu lassen.

    Diese neue Zusammenstellung von GPCR-Liganden-Paaren aus dem Borstenwurm Platynereis wird anderen Wissenschaftlern aus dem Gebiet der Neurowissenschaften helfen, ähnliche Paare in anderen Tierarten leichter zu identifizieren. Außerdem lässt sich die Strategie, komplexe Peptidmischungen zu verwenden, leicht auf andere Spezies übertragen. Ähnliche Studien an anderen Tierarten könnten das Bild, das wir derzeit von der Evolution der GPCRs haben, noch erweitern.

    Originalpublikation:
    Philipp Bauknecht und Gáspár Jékely
    Large-scale combinatorial deorphanization of Platynereis neuropeptide GPCRs, Cell Reports 2015,
    DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2015.06.052


    Weitere Informationen:

    http://dx.doi.org/10.1016/j.celrep.2015.06.052


    Bilder

    Mariner Borstenwurm Platynereis dumerilii
    Mariner Borstenwurm Platynereis dumerilii
    Tom Pingel
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Mariner Borstenwurm Platynereis dumerilii


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).